Verwandtenaffäre im Bayerischen Landtag:Regierung mit Rechenschwäche

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Ein Jahr nach der Verwandtenaffäre steht endlich fest: Mehr als 1,3 Millionen Euro gaben fünf Kabinettsmitglieder für die Beschäftigung ihrer Ehefrauen aus. Unter ihnen ist auch einer von Seehofers Superministern.

Von Frank Müller, München

Mit einjähriger Verzögerung fördert die Aufarbeitung der bayerischen Verwandtenaffäre jetzt neue Ungereimtheiten zutage. Nach den umfangreichen Überprüfungen, denen sich fünf Kabinettsmitglieder unter Federführung der Staatskanzlei selbst unterzogen, wurde am Mittwoch klar, dass die bisherigen Angaben nicht vollständig waren.

In dem am Mittwochabend fertiggestellten Bericht der Staatskanzlei muss Kultusminister Ludwig Spaenle einräumen, dass er der Staatskasse im vergangenen Jahr zu wenig Geld zurückerstattete. Er zahlte nun eilig 2454,15 Euro nach. "Ich ärgere mich selbst am meisten darüber", sagte Spaenle der Süddeutschen Zeitung.

Die Auflistung der Staatskanzlei macht ein Jahr nach dem Höhepunkt der Affäre erstmals vollständig deutlich, wie viel Staatsgeld die fünf von der Verwandtenaffäre betroffenen Kabinettsmitglieder exakt für die Beschäftigung ihrer Ehefrauen ausgaben: mehr als 1,3 Millionen Euro seit den Neunzigerjahren.

Die SPD, auf deren parlamentarischer Anfrage die Liste beruht, veröffentlichte die Liste am Abend. Sie enthält auf neun Seiten zahlreiche Tabellen und Details - Resultat der für Regierungsmitglieder beispiellosen Eigenrecherche, der sich Spaenle ebenso unterziehen musste wie seine Kollegen: Agrarminister Helmut Brunner sowie die Staatssekretäre Bernd Sibler (Kultus), Gerhard Eck (Innen) und Franz Josef Pschierer (damals Finanzen, heute Wirtschaft, alle CSU).

Angetrieben von der Staatskanzlei mussten sie minutiös aufarbeiten, wann welche Gehaltszahlungen an ihre Ehefrauen flossen und wie viel sie wann der Staatskasse zurückerstattet haben. Ministerpräsident Horst Seehofer selbst hatte vor einem Jahr diese Rückerstattung für die Zeit seit seinem Amtsantritt im Jahr 2008 erzwungen - es war der Preis dafür, dass das Quintett trotz erheblicher Vorwürfe im Amt bleiben konnte.

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Im einzelnen ergibt sich, dass vier der Fünf fünfstellige Beträge an die Staatskasse zurückzahlten: Spaenle 37 343,15 Euro, Brunner 13 666, Pschierer 42 202,09 und Eck 31 416,65 Euro. Das sind die Summen der Gehälter, die die Ehefrauen nach 2008 für ihre Tätigkeiten in den Abgeordnetenbüros ihrer Männer erhielten. Im Fall Spaenle zum Beispiel monatlich netto 658 Euro. Solche Mitarbeiter darf jeder Abgeordnete auf Staatskosten bis zu einem Höchstbetrag anstellen. Dass es sich dabei in vielen Fällen um nahe Verwandte handelte, war der Auslöser für die Affäre im vergangenen Jahr. Die Rückzahlungssummen sind unterschiedlich hoch, weil Arbeitszeiten und Gehälter der Ehefrauen variieren. Deren jeweilige Brutto-Jahresverdienste liegen zwischen 10 000 und 30 000 Euro, bei Frau Spaenle in der Zeit vor dem Eintritt ihres Mannes ins Kabinett auch bei mehr als 50 000.

Es sei ein Fehler gewesen, die Beschäftigung auch nach seinem Eintritt in die Regierung fortzuführen, sagte Spaenle.

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Als Sonderfall gilt dagegen Sibler, weil der Job für seine Frau vor dem Wechsel ins Kabinett schon wieder beendet war.

Er musste also nichts zahlen. Spaenle musste nach eigenen Angaben nun nachzahlen, weil der erste Monat nach seinem Amtsantritt Ende Oktober 2008 falsch verbucht gewesen war. "Mich hat fast der Schlag getroffen", sagte der Minister. Dabei war Spaenle sogar vorgeprescht und hatte Haderthauer seine Liste geschickt, bevor sie nach dem Urteil der Verfassungsrichter überhaupt danach gefragt hatte. Spaenle hatte sich den SPD-Fragenkatalog selbst besorgt und mit seinem Steuerberater auf eigene Faust bearbeitet.

Seine vier Kollegen waren dagegen offenbar überraschend unvorbereitet auf die - absehbare - Niederlage der Staatsregierung vor Gericht. Haderthauer hatte ihre Antwortfristen auch deswegen verlängern müssen, weil die Betroffenen ihre Unterlagen nicht schnell genug beibringen konnten. In Regierungskreisen gab es deswegen Unverständnis: "Darauf muss ich doch gefasst sein", sagte ein Kabinettsmitglied. "Die können alle nicht rechnen", sagte ein anderes.

Obwohl die Erklärungsfrist bereits in der vergangenen Woche abgelaufen war, saßen Haderthauers Leute auch am Mittwoch noch an der Übersicht. In mindestens drei Fällen sollen Nachfragen nötig gewesen sein, darunter bei Spaenle. Dass die Daten erst jetzt veröffentlicht werden, liegt an einem Erfolg der Landtags-SPD: Sie erzwang vor wenigen Wochen vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof, dass die Staatskanzlei alle Nachfragen dazu beantworten muss.

Die SPD hatte den CSU-Politikern viel höhere Summen vorgehalten und dabei auch die Jahre vor 2008 und die abgeführten Arbeitgeberanteile an Sozialversicherungen eingerechnet. Diese gehörten zu der von Seehofer versprochenen vollständigen Rückzahlung der Summen, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher.

© SZ vom 12.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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