Vergleich:Samma wieder gut?

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Steinerner Löwe vor der BayernLB-Zentrale: Seine Brüder aus Bronze könnten wieder zum Einsatz kommen. (Foto: Robert Haas)

Bayern und Österreich ziehen einen Schlussstrich unter ihren jahrelangen Streit um die Hypo Alpe Adria. Die Landesbank verliert insgesamt fünf Milliarden Euro - die teuerste Fehlinvestition der Ära Stoiber

Von Daniela Kuhr und Klaus Ott, München

Als Markus Söder am Dienstag kurz nach 11.30 Uhr den Presseraum im Finanzministerium am Odeonsplatz betritt, verzieht er kurz das Gesicht. "Boah, das ist keine gute Luft hier", sagt er - und spricht damit aus, was gut 20 Journalisten, Fotografen und Kameraleute bereits seit geraumer Zeit empfunden haben, während sie auf den Finanzminister warteten. Schon zu diesem Zeitpunkt dürfte die Temperatur in dem Saal bei über 30 Grad liegen. Dass Söder sich trotzdem in aller Ruhe vorne hinsetzt, das Jackett anbehält und fast eineinhalb Stunden geduldig auch noch die komplizierteste Detailfrage beantwortet, kann nur eines bedeuten: Dieser Mann ist gerade tiefenentspannt - mit sich und der Welt rundum zufrieden.

Es ist ja auch in der Tat ein gewaltiger Brocken, den der Finanzminister da im Begriff ist, aus dem Weg zu räumen. "Wir versuchen, die letzte Altlast aus den Zeiten der Finanzkrise abzubauen", sagt Söder. Mit der "letzten Altlast" ist in diesem Fall die frühere Kärntner Landesbank Hypo Alpe Adria gemeint. Die Bayern-LB hatte sie 2007 gekauft und in der Finanzkrise 2009 wieder an Österreich zurückgegeben. Bis dahin aber hatte die Bayern-LB die Hypo Alpe Adria mit hohen Krediten unterstützen müssen. Deshalb schulden die Österreicher ihnen - nach Meinung der Bayern zumindest - immer noch 2,4 Milliarden Euro. Das Landgericht München hat das Anfang Mai ähnlich gesehen, allerdings hatte die österreichische Abwicklungsanstalt Heta, in der die inzwischen insolvente Hypo Alpe Adria aufgegangen ist, umgehend angekündigt, das Urteil anzufechten. Es war also völlig ungewiss, ob die Bayern-LB in Folge dieses Richterspruchs jemals Geld zurückbekommen würde.

Weil sich aber die Bayern und die Österreicher parallel dazu noch in diversen weiteren Prozessen mit einem Gesamtstreitwert von 16 Milliarden Euro verklagen, hatte die Staatsregierung nun beschlossen, einen Schlussstrich zu ziehen. Am Dienstag vereinbarte Söder mit dem österreichischen Finanzminister, darauf hinzuwirken, dass die Bayern-LB und die Heta bis Oktober einen Vergleich schließen. Darin soll festgelegt werden, dass erstens sämtliche Rechtsstreitigkeiten beendet werden. Zweitens zahlt Österreich auf ein Sperrkonto 1,23 Milliarden Euro an den Freistaat Bayern. Dieses Geld dient aber nur als Sicherheit. Es fließt in dem Maße schrittweise an Österreich zurück, in dem die Heta einen Teil ihrer Schulden an die Bayern-LB zurückzahlt.

Verzichtet Bayern damit nicht voreilig auf die Hälfte seiner Forderungen? "Nein", sagt der CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch, der die Verhandlungen in Söders Auftrag geführt hat - und ebenfalls zur Pressekonferenz erschienen ist. Da die Hypo Alpe Adria insolvent sei, hätte Bayerns Landesbank ohnehin nur einen Teil ihrer Forderungen zurückbekommen, sagt Weidenbusch. Er schätzt: zwischen 45 und 55 Prozent.

Drittens schließlich soll der Vergleich festlegen, dass Bayern zu einem ganz normalen Gläubiger wird. Hintergrund dafür ist, dass einem umstrittenen österreichischen Sondergesetz zufolge Bayern möglicherweise nur als nachrangiger Gläubiger gegolten hätte und somit kaum Chancen gehabt hätte, überhaupt noch etwas von seinem Geld wiederzusehen. All das zusammengenommen stimmt Söder so optimistisch. In Jubelstimmung sei er trotzdem nicht, sagt der Finanzminister. Denn eines sei klar: "Der Kauf der Hypo Alpe Adria war ein schwerer Fehler; der schwerste in der bayerischen Wirtschaftsgeschichte der Nachkriegszeit."

Wer dafür verantwortlich ist, sagt Söder lieber nicht. Sonst müsste er ja seinen politischen Ziehvater attackieren, den früheren Ministerpräsidenten und CSU-Chef Edmund Stoiber. Und zahlreiche weitere Parteifreunde, zu deren Regierungszeiten Söder seine Partei-Karriere begonnen hatte. Die Regierung Stoiber hatte den Kauf der Hypo Alpe Adria durch die Bayern-LB im Jahr 2007 gefördert, genehmigt und bejubelt. Als sich zwei Jahre später zeigte, auf welches Abenteuer sich die Landesbank und die CSU-Regierung da eingelassen hatte, zogen der neue Ministerpräsident Horst Seehofer und Finanzminister Georg Fahrenschon die Notbremse und stiegen Ende 2009 aus der Kärntner Bank wieder aus.

Nach nächtelangen Verhandlungen, in denen die Pleite der Hypo Alpe Adria abgewendet werden konnte, übernahm notgedrungen die Republik Österreich das klamme Kreditinstitut. 3,7 Milliarden Euro waren damals für den Freistaat Bayern und seine Landesbank schon weg. In der Hypo Alpe Adria steckten aber immer noch mehr als zwei Milliarden Euro aus München, die nach und nach als Kredite gewährt worden waren. Fahrenschon und die Bayern-LB ließen in den Übernahme-Vertrag mit Österreich eine Klausel hineinschreiben, die garantieren sollte, dass die Milliardenkredite nicht verloren gingen. Diese Passage erwies sich allerdings als nicht weitreichend genug. 2012 wurde die Not bei der Bank in Kärnten immer größer. Die Regierungen dort und in Wien wussten kaum noch, wie sie die drohenden Ausfälle bewältigen sollten. Schließlich verfiel man in Österreich auf die Idee, die Milliardenkredite der Bayern-LB nachträglich als Ersatz für fehlendes Eigenkapital zu bezeichnen. Und Eigenkapital, das die Mutter Bayern-LB der Tochter Hypo Alpe Adria gewährt habe, müsse man nicht zurückzahlen.

Fortan zogen Bayern und Österreich und ihre Banken bei Gericht und auch sonst übereinander her. Vor allem Söder ließ lange keine Gelegenheit zum Streit aus. Der Finanzminister fuhr nach Wien und erklärte der dortigen Regierung, "I want my money back", er wolle sein Geld zurück. So hatte das einst die britische Premierministerin Margaret Thatcher, die als "Eiserne Lady" galt, von der EU gefordert. Söder auf Thatchers Spuren, das war dann doch wohl eine Nummer zu groß.

Mehr als eine Milliarde Euro verliert die Bayern-LB nun wohl noch einmal. Selbst wenn bei dem Vergleich alles so läuft wie geplant, wird der gesamte Schaden, der durch den Kauf der Hypo Alpe Adria entstanden ist, bei gut fünf Milliarden Euro liegen. An dieser Zahl kann selbst der CSU-Abgeordnete Weidenbusch nicht herumdeuteln. Söder sitzt daneben und merkt dazu nur an: "Diese Wunde werden wir heute schließen, aber manchmal bleiben eben Narben."

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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