Verbrechen:Fragen nach dem Mord

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Grüne im Landtag fordern für Arnschwang einen Sonderermittler, der ein eventuelles Versagen der Behörden klären soll

Von Lisa Schnell, München

Der Mord an einem kleinen Jungen in einer Asylunterkunft im oberpfälzischen Arnschwang hat Bayern erschüttert. Jetzt beschäftigt er den Landtag. Hätte Moustafa K. als verurteilter Gewaltstraftäter in einer anderen Einrichtung untergebracht werden müssen? Was wussten die Behörden, und haben sie versagt?

Auf all diese Fragen wollen die Grünen Antworten. Und zwar nicht nur von Sozial-, Innen- und Justizministerium, die den Fall gerade prüfen, sondern von einem unabhängigen Sonderermittler. Die Grünen können keine Bereitschaft zur Aufklärung erkennen, dafür aber viele Hinweise für ein Behördenversagen. So kann es aus ihrer Sicht nicht sein, dass ein wegen schwerer Brandstiftung Verurteilter, der eine Fußfessel trägt, in einer Unterkunft mit Frauen und Kindern ohne Sicherheitsdienst einquartiert wird. Gebe es in einem Bezirk keine geeignete Unterkunft, müsse man eben eine in einem anderen suchen, sagt Fraktionschef Ludwig Hartmann. Auch beim Informationsaustausch bestünden Defizite. Urteile zu Asylverfahren sind seit Oktober 2015 in der Ausländerakte zu vermerken, die der Unterbringungsverwaltung aber in der Regel nicht vorliegen. Für die Grünen ein klarer Systemfehler.

"Wenn sich aus der Ausländerakte etwas besonderes ergibt, muss die Ausländerbehörde dafür sorgen, dass die Unterbringungsverwaltung es weiß", sagt Innenminister Joachim Herrmann. Es werde geprüft, ob der Informationsaustausch noch verbessert werden könne. Ein Behördenversagen aber kann Herrmann nicht erkennen. Man habe sich ja durchaus Gedanken über die Unterbringung gemacht. Sowohl das Kontaktverbot von K. zu seiner Ex-Frau, als auch sein Übertritt zum Christentum seien berücksichtigt worden. Das Kernproblem sei ein anderes: Die Behörden gingen davon aus, dass K. für seine Mitbewohner keine Gefahr sei. Bei Beziehungstätern sei das keine ungewöhnliche Annahme. Einen Sonderermittler lehnt Herrmann ab: "Wir beantworten ja alles."

Ob es den braucht, da ist auch Angelika Weikert (SPD) skeptisch. K. sei zwar falsch untergebracht worden, von Behördenversagen aber will sie noch nicht sprechen. Dafür unterstützt sie zusammen mit den Freien Wählern einen anderen Antrag der Grünen. Sie fordern ein verbindliches Gewaltschutzkonzept für Frauen und Kinder, nach dem es in allen gemischten Unterkünften getrennte Bereiche für Frauen geben soll und in allen Bezirken eigene Frauenunterkünfte. Jede Frau soll demnach das Recht haben, sich in eine solche Unterkunft verlegen zu lassen. Zudem solle es verbindliche Standards geben, um verschließbare Türen und getrennte Sanitäranlagen in allen Unterkünften zu garantieren. Einige Forderungen würden bereits umgesetzt, heißt es aus dem Sozialministerium. So gebe es Leitlinien, in denen Standards für die Unterkunft festgeschrieben seien. Rechtlich seien diese nicht bindend, aber für die Verwaltung. Jeder Regierungsbezirk habe separate Wohneinheiten oder eigene Unterkünfte für Frauen. Die CSU wird den Antrag sehr wahrscheinlich ablehnen. Aus der Sicht der Opposition unverantwortlich. Sie ist sicher: Ein Gewaltschutzkonzept für Frauen hätte auch in Arnschwang helfen können.

© SZ vom 22.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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