Verbände fordern:Taskforce als Nothelfer

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Im laufenden Schuljahr haben laut amtlicher Schulstatistik 32,2 Prozent der Grundschüler in Bayern einen Migrationshintergrund. Tendenz steigend. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Für die jungen Flüchtlinge fehlen Lehrer, die ihnen Deutsch beibringen

Von Anna Günther, München

Während das Kabinett am Montag über den Nachtragshaushalt debattiert, schlagen die Lehrerverbände in München Alarm. In einer gemeinsamen Erklärung forderten fünf Verbände deutlich mehr Mittel für die Betreuung von Flüchtlingen. "Es ist unmöglich, die Mehrbelastungen der Schulen mit den vorhandenen Mitteln zu finanzieren", sagte Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). Schon Inklusion oder Ganztagsbetreuung fordere die Schulen extrem. Die Erziehung der Flüchtlingskinder betrachtet Fleischmann als gesellschaftliche Aufgabe, dafür braucht es aber mehr Geld. Für Ministerpräsident Horst Seehofer standen am Tegernsee unmittelbare Probleme wie die Unterbringung der Flüchtlinge im Vordergrund. Doch die Hinweise der Lehrer zeigten, wie sehr sich das Thema auf die Gesellschaft auswirke, sagte Seehofer.

Für die berufsschulpflichtigen Jugendlichen gibt es von Herbst an 440 Klassen, derzeit kann nur ein Drittel aller Schulpflichtigen unterrichtet werden. Wer einen Platz bekommt, entscheiden die Schulleiter. Mehr als 20 dürfen es pro Klasse nicht sein. Grund- und Mittelschullehrer spüren den Zustrom der Asylbewerber am stärksten. In 375 Übergangsklassen werden die jüngsten Flüchtlinge ins Schulleben eingegliedert. Wo es keine Übergangsklassen gibt, kommen die Kleinsten in den normalen Unterricht. "Aber viele von uns haben nie gelernt, wie man Kindern Deutsch als Fremdsprache beibringt", sagte BLLV-Präsidentin Fleischmann. Es fehle an Spezialisten, die Deutsch als Zweitsprache unterrichten, an Sozialpädagogen und Psychologen. Sorge bereite ihr auch die gespannte Grundstimmung, die kippen könnte, wenn die Flüchtlinge auf Kosten der anderen Schulkinder betreut werden.

Ein Schulkind kostet laut BLLV 6400 Euro pro Jahr. Gerhard Waschler, der bildungspolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, geht von 30 000 schulpflichtigen Flüchtlingen im Herbst aus. "Damit wären wir bei circa 200 Millionen Euro, aber das ist nur das Minimum für den normalen Unterricht", sagte Fleischmann. Die Flüchtlingskinder seien traumatisiert oder haben nie eine Schule besucht, sie brauchten mehr Aufmerksamkeit und Spezialisten.

Weil der Zustrom von Asylsuchenden nicht vorherzusehen ist, soll zudem eine Taskforce gebildet werden, die speziell geschulte Lehrer flexibel einsetzen kann. Wenn Not herrscht, sollen diese helfen, ohne die mobile Reserve zu belasten, die eigentlich für Krankheitsfälle gedacht ist. Wenn diese Springer bei der Betreuung von Flüchtlingskindern helfen, während der Unterricht wegen einer Grippewelle nicht aufrecht erhalten werden kann, dürfte das Verständnis der Eltern schwinden. Wie die Taskforce aussehen soll, ist derzeit noch offen. Ursula Lay, der Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Lehrerverbände, schweben bis zu fünf Lehrer pro Schulamtsbezirk vor. Das wären 500 Stellen. Für angehende Realschul- und Gymnasiallehrer wäre das eine Perspektive. Ein Großteil bekommt im Herbst keinen Job vom Staat, die Volksschulen können wegen der Flüchtlinge quasi alle Referendare beschäftigen. "Wir haben genug ausgebildete Lehrer, die helfen wollen und das können", sagte Realschulverbandschef Jürgen Böhm. Ein anderer Weg ist die Umschulung zum Mittelschullehrer, die 20 geplanten Plätze sollen laut Ministerium deutlich erhöht werden.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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