Urteil gegen Pfarrer aus Unterfranken:Das Gericht erteilt keine Absolution

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Der Pfarrer handelte vermutlich aus Existenzangst: Im Laufe seiner 40 Dienstjahre schaffte der Geistliche aus Unterfranken mehr als eine Million Euro beiseite. Das Geld stammte aus Spenden und Kollekten. Jetzt hat das Landgericht Würzburg den Mann veruteilt. Das Kuriose an dem Fall: Es ist dabei kein Schaden entstanden.

Katja Auer

Eigentlich, und das ist das Kuriose an diesem Fall, ist gar kein Schaden entstanden. Kein materieller zumindest. Denn das Geld ist noch da. Oder soll wenigstens bald wieder da sein, wo es eigentlich hingehört.

Im Laufe seiner 40 Dienstjahre soll ein Pfarrer aus Laudenbach mehr als eine Million Euro veruntreut haben. Das Landgericht Würzburg hat den Mann nn veruteilt. (Foto: dpa)

Mehr als eine Million Euro hat ein Pfarrer aus Unterfranken im Lauf seiner 40 Dienstjahre in der Pfarrei Laudenbach (Landkreis Miltenberg) veruntreut. Er hat Geld auf Konten verschoben, Spenden nicht abgegeben, Kollekten behalten. Ein Leben im Luxus hat er aber nicht geführt. Im Gegenteil. Vor Gericht erscheint er einfach gekleidet, graue Hose, grüner Pullover. Bescheiden soll er immer gelebt haben. Besonders gern wird die Geschichte erzählt, dass seine Organisten die alten Briefkuverts, auf denen der Pfarrer die Liednummern für den Gottesdienst geschrieben hatte, nachher wieder abgeben musste - weil ja noch Platz für neue Zahlen war.

Am Donnerstag hat das Landgericht Würzburg den inzwischen 78-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen Untreue verurteilt. Ins Gefängnis muss er nicht, die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem muss er eine Geldstrafe von 16.560 Euro bezahlen und drei Jahre lang monatlich 200 Euro an die Telefonseelsorge in Würzburg überweisen. Die Kirchenstiftung Laudenbach bekommt ihr Geld wieder. 906.745, 62 Euro. Auch der Rest soll zurückbezahlt werden. Insgesamt mehr als eine Million Euro.

Es sei "ein wichtiger Schritt, dass der Priester seiner Verpflichtung zur Schadenswiedergutmachung anerkannt habe und dieser auch nachkommen werde", sagt ein Sprecher des Bistums Würzburg.

Was den Pfarrer antrieb, das bleibt unkonkret. Er ließ seinen Verteidiger ein Geständnis verlesen, wollte selbst jedoch nichts sagen. Er war wohl von der existentiellen Angst getrieben, im Alter mittellos zu sein. "Er hatte das Bestreben, dass er zu jedem Zeitpunkt persönlich abgesichert ist", sagte sein Verteidiger. So schloss er mit dem Kirchengeld beispielsweise eine Rentenversicherung ab. Mit seiner Jugend hänge das zusammen, begründeten seine Anwälte. Er wurde im Sudetenland geboren, der Vater fiel im Krieg, Vertreibung, Flucht. Er machte eine Schneiderlehre, holte das Abitur nach, studierte Theologie. Von 1969 an war er Pfarrer von Laudenbach.

Kurz vor seinem Ruhestand schließlich zeigte er sich selbst beim Finanzamt an. Der Verdacht der Untreue kam auf, und die Polizei durchsuchte die Wohnung des Pfarrers. 133.071 Euro und 16 Cent haben die Beamten da gefunden, in Münzen und kleinen Scheinen. "Das war eine Kiste voll, die man alleine nicht tragen konnte", sagte ein Kripobeamter vor Gericht. Vier Polizisten seien einen ganzen Nachmittag damit beschäftigt gewesen, das Geld zu zählen. Auf eine Münzsammlung sind sie noch gestoßen und schließlich auf eine beinahe "unübersichtliche Anzahl von Konten". Konten, die zwar auf den Namen der Kirchenstiftung liefen, von denen aber weder in der Pfarrei noch im Ordinariat jemand wusste. Immer wieder habe er Beträge davon für seine Altersvorsorge verwendet oder auch für seine "private Lebensführung". Allerdings war das Geld auch so gut angelegt, dass es Zinsen abwarf.

Dennoch liege ein "großer Vermögensverlust vor", sagte die Staatsanwältin. Immerhin habe die Pfarrei von dem Geld nichts gewusst und es folglich auch nicht investieren können. Außerdem sei es kein einmaliger Ausrutscher gewesen. Und schließlich habe der Pfarrer gerade als Seelsorger das Vertrauen seiner Gemeinde missbraucht. Sie forderte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Ohne Bewährung.

Gebraucht hätte der Pfarrer das Geld offenbar gar nicht, er hatte sich längst selbst abgesichert. Mehr als eine halbe Million Euro hat er angespart, ganz legal. Nun ist der 78-Jährige krank, sehr krank vielleicht, eine endgültige Diagnose stehe noch aus. Zurzeit lebt er in einem Seniorenheim, seinen Ruhestand wird er wohl nicht, wie er es vorhatte, in Laudenbach verbringen. "Das wird er nicht wagen", sagt eine Frau aus seiner früheren Pfarrei, die zum Prozess nach Würzburg gekommen ist. Dass die Pfarrgemeinde wenigstens das Geld wiederbekommen soll, das sich der Pfarrer beiseite geschafft hat, versöhnt sie ein bisschen. Aber tief enttäuscht sind sie in Laudenbach von ihrem Pfarrer. Den Ruf der katholischen Kirche, der ohnehin grade nicht der beste sei, mache das nicht besser, sagt die Frau.

© SZ vom 21.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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