Die Linken:Wie das Rauchverbot die linke Politik zerstört hat

Lesezeit: 1 min

Die Philosophie von Karl Marx hat es zurzeit nicht einfach in Bayern. Liegt es am Rauchverbot? (Foto: Harald Tittel/dpa)

Die höchste Stufe des Linksseins hieß früher zwischen zwei Hustenanfällen Karl Marx erklären zu können. Heute wird nur noch vor der Tür geraucht.

Kolumne von Sebastian Beck

Wer eine Kolumne über die Linken schreiben möchte, der muss seinen Blick zwangsweise mehr nach hinten als nach vorne richten. Anfang der Achtzigerjahre klampfte der Autor in einer Band mit sozialkritischen Texten: "Linsen, Wanzen, Tonbandgerät, ein Surren, wenn der V-Mann umgeht." Zeilen wie diese qualifizierten die Band Villa Hammerschmidt für ein Konzert bei der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) in München-Ramersdorf. Vor dem Auftritt bat ein smarter Funktionär die Musiker zum Teach-in und erklärte ihnen die Vorzüge des Gesundheitssystems der DDR. Hausi, der durchtrainierte Schlagerzeuger, war aber mehr so der Strauß-Fan. Er gab dem SDAJ-Mann zu verstehen, er solle mit dem blöden Krampf aufhören, weil er sowieso von Ostberlin oder Stasi gesponsert werde. Das war zunächst sehr peinlich, weil die Vermutung in ihrer Schlichtheit die Herkunft der Band vom Land verriet. Einige Jahre später aber sollte sie sich als wahr erweisen: Die SDAJ wurde wie andere linke Gruppen von der SED gesteuert.

Wer damals was auf sich hielt, gab sich irgendwie links. Körperliche Fitness oder vegane Ernährung zählten eher weniger. Die höchste Stufe des Linksseins hatten jene erreicht, die Rothändle-Zigaretten rauchten und zwischen zwei Hustenanfällen den Umschlag von Quantität in Qualität bei Karl Marx erklären konnten. Sie waren die Stars auf Versammlungen der Jusos und stellten gelegentlich auch die Systemfrage. Das war sehr lässig. Unters Publikum mischten sich im Laufe der Zeit leider immer mehr Grüne, die aus Sicht der Rothändle-Jusos naive Schrate waren, weil sie den gesellschaftlichen Wert der Industrieproduktion unterschätzten und die Systemfrage nicht konsequent genug stellten. Irgendwann aber gewannen die Grünen bei Treffen der Friedensbewegung die Oberhand und erzwangen Abstimmungen über ihre drängendste Systemfrage: Rauchverbot auf der Versammlung - ja oder nein? Der Ausgang war klar und markierte den Anfang vom Ende der klassischen Linken in Westdeutschland. Ohne Bronchitis kein Marx.

Heute passen Landesversammlungen der Jusos in WG-Küchen. Wenn überhaupt noch geraucht wird, dann draußen vor der Tür. So wird das nichts mehr mit dem Sozialismus.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Umfragetief
:14 Prozent in Umfrage: Selbst die CSU hat Mitleid mit der Bayern-SPD

Bei den Genossen stellen sich viele nun die Frage, warum sie so schlecht abschneiden - und der Ruf nach einem Retter aus Nürnberg wird lauter.

Von SZ-Autoren

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: