Umwelt:Fünf Jahre „Rettet die Bienen“: Artenschützer sehen Probleme

Lesezeit: 3 min

Agnes Becker (ÖDP, Mitte l-r), Norbert Schäffer (LBV), Ludwig Hartmann (Bündnis 90/Die Grünen) und Richard Mergner (Bund Naturschutz) stehen zusammen mit Unterstützern des Volksbegehrens bei der zentralen Auftaktveranstaltung. (Foto: Toni Mader/Volksbegehren Artenvielfalt/dpa/Archivbild)

2019 rüttelten 1,7 Millionen Unterschriften Bayerns Politik mächtig durcheinander. Das Volksbegehren von Agnes Becker setzte Maßstäbe. Über die noch offenen Baustellen gehen die Meinungen auseinander.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

München (dpa/lby) - Fünf Jahre nach dem Start des bisher erfolgreichsten Volksbegehrens der bayerischen Geschichte „Rettet die Bienen“ fällt das Fazit der damaligen Initiatorin Agnes Becker (ÖDP) zum Artenschutz in Bayern nur sehr durchwachsen aus. „Es passiert was, aber es wurden schon viele Schäden angerichtet, die nicht mit einem Fingerschnippen rückgängig gemacht werden können“, sagte die ÖDP-Landeschefin der Deutschen Presse-Agentur in München.

Als Beispiel für nachweislich positive Effekte nannte Becker den Nachweis von 40 Prozent mehr Insekten in den Gewässerrandstreifen von Feldern. „Es gibt schon messbare Erfolge“, im Sommer solle es eine umfassende wissenschaftliche Bilanz zur Lage in Bayern geben.

Nach wie vor schwierig sei die Lage beim Ökolandbau, hier komme das Ziel, diesen auf 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche zu erweitern, weiterhin nur zäh voran, so Becker. Auch fehle noch immer eine Vorgabe für staatliche Kantinen, Bio-Lebensmittel im Einkauf stärker zu berücksichtigen.

Probleme bereiten laut Becker auch die ausgesetzte Vorgabe für landwirtschaftliche Betriebe über 100 Hektar, vier Prozent ihrer Ackerfläche im Jahr brach liegen zu lassen. Aus Sorge vor Lebensmittelengpässen war die Vorgabe zwischenzeitlich ausgesetzt worden, ein Fehler, wie Becker betonte: „Die Problemerkenntnis ist noch nicht überall durchgedrungen, dass Artenschutz und Ernährungssicherheit zusammengehören.“

„Das Volksbegehren hat das Gesicht Bayerns in mehrfacher Hinsicht verändert. Ein Symbol für die Erfolgsgeschichte sind mehr Blühflächen im Freistaat“, sagte Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz. Becker warnte aber davor, dass derzeit schon ein Abflauen des Interesses an Blühflächen spürbar sei. Daher brauche es so gute finanzielle Anreize, „dass die Förderprogramme auch in landwirtschaftlichen Gunstregionen angenommen werden“.

Ludwig Hartmann (Grüne) forderte die Staatsregierung erneut auf, sich für einen echten Biotopverbund starkzumachen, „der nachvollziehbar und nachprüfbar ist“. Ein Flickenteppich an Flächen reiche nicht aus. „Wir brauchen für den Biotopverbund keine Resterampe von Flächen, die keiner braucht und nutzt, sondern einen qualitätsvollen Biotopverbund der wertvolle Spenderflächen mit seltenen und gefährdeten Arten mit anderen geeigneten Lebensräumen verbindet“, sagte der Landtagsvizepräsident.

Sorge bereitet den Bündnispartner des einstigen Volksbegehrens aber auch politische Weichenstellungen außerhalb Bayerns: „Sowohl auf Bundes - als auch auf EU-Ebene ist es keine gute Zeit für mehr Artenschutz.“ Die Staatsregierung müsse aber etwa an der nach dem Volksbegehren vereinbarten Halbierung der zulässigen Pestizide bis 2028 weiter festhalten, auch „wenn Brüssel schon jetzt die Handbremse zieht“.

Becker betonte, der Trägerkreis des Volksbegehrens werde in diesem Jahr mit vielen Aktionen und Veranstaltungen das Thema wieder mehr ins Bewusstsein rufen, auch wenn allen klar sei, dass die Zeiten derzeit andere seien als vor fünf Jahren. „Damals war das Fenster sehr viel weiter offen für den Arten- und Naturschutz.“ Heute sei das Thema wegen Krisen und Kriegen weit weniger präsent. „Ein Pausieren der Bemühungen angesichts anderer drängender Krisen würde uns Jahre zurückwerfen und Probleme verursachen, die wir nicht mehr rückgängig machen können“, betonten die Bündnispartner unisono.

„Es war immer klar, dass der Artenschutz nicht mit dem Gesetz ist“, sagte Becker. Das fünfte Jahr sei aber eine Benchmark, um zu schauen, ob der Druck auf die Staatsregierung wieder erhöht werden müsse.

Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) sieht Bayern auf einem guten Weg, den Artenschwund zu stoppen: „Die Umsetzung ist weit fortgeschritten. Der Schutz der Artenvielfalt braucht viele konkrete Maßnahmen. Wichtig ist eine enge und offene Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft. Dazu setzen wir auf kooperativen Naturschutz.“ Nach Angaben seines Ministeriums seien knapp 90 Prozent aller Maßnahmen bereits umgesetzt, für die das Umweltministerium die alleinige Federführung habe.

Auch Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) sieht keinen Anlass für kritische Töne: „Die alljährliche vorgetragene Kritik des Trägerkreises geht ins Leere. Auch wenn man diese mantraartig wiederholt, wird sie nicht wahrer.“ Für ihr Haus könne sie festhalten: „Wir haben geliefert.“ Derzeit stünden nur noch Aufgaben an, die ein späteres Erfüllungsziel hätten oder Daueraufgaben seien.

Am 13. Februar 2019 hatten mehr als 1,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger für das Volksbegehren Artenvielfalt - „Rettet die Bienen“ unterschrieben. 18,3 Prozent der Wahlberechtigten setzten damit ein deutliches Zeichen für mehr Artenschutz.

© dpa-infocom, dpa:240209-99-926023/4

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: