Trotz Post-Covid-Risiken:Bayerns Polizei ohne Schutz

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Keine einzige Corona-Infektion als Dienstunfall anerkannt

Von Johann Osel, München

In Bayern wurde bisher keine einzige Corona-Infektion von Polizeibeamten als Dienstunfall anerkannt. Wie das dafür zuständige Finanzministerium in Abstimmung mit dem Innenministerium als Dienstherrn auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Stefan Schuster mitteilte, hat es seit Pandemiebeginn 79 Anträge auf eine solche "dienstunfallrechtliche Anerkennung" gegeben (Stand Mitte Juni). 65 Anträge von Polizistinnen und Polizisten seien abgelehnt worden, in zehn Fällen sei keine Erkrankung anhand von Symptomen feststellbar gewesen; neun wurden zurückgezogen, fünf sind in Bearbeitung. Sechs Klagen sind nach Kenntnis der Staatsregierung anhängig. In den Reihen der bayerischen Polizei wurden bisher mehr als 2000 Personen positiv auf das Virus getestet.

Die Landesverbände der Polizeigewerkschaften DPolG und GdP hatten Mitgliedern bei Infektionen gerade mit schwerwiegenderen Verläufen geraten, einen Dienstunfall feststellen zu lassen - nicht wegen der akuten Versorgung, die ist ohnehin geregelt; sondern wegen langfristiger Schäden, die jetzt gar nicht erkennbar sein könnten. Zu wenig, so die Begründung, sei über mögliche Spätfolgen und "Long Covid" bekannt: Wenn ein Dienstunfall nicht als solcher dokumentiert werde, aber ein Beamter später doch Probleme bekomme oder gar die Frühpensionierung anstünde, gehe es um adäquate Versorgung. Nach Medienberichten gibt es in anderen Bundesländern Bewegung bei dem Thema. Demnach hat Berlin gut ein Drittel der Anträge von Polizisten anerkannt. In Niedersachsen haben Land und Gewerkschaft eine Musterklagevereinbarung abgeschlossen.

Den Umgang bei der Anerkennung als Dienstunfall in Bayern hält SPD-Innenexperte Schuster für "unsäglich". Dieser sei "für die außergewöhnliche Leistung unserer Polizei, die sie in der Pandemie erbringen muss, wirklich ein Armutszeugnis. Unsere Polizistinnen und Polizisten infizieren sich im Dienst und werden dann im Stich gelassen". Der Freistaat habe in der Corona-Krise "so viel Geld für unsinnige Dinge ausgegeben, und ausgerechnet bei der Polizei gibt er sich geizig". Das Beispiel anderer Länder zeige, dass es anders gehen könne.

Beim Landesamt für Finanzen hieß es bereits im Frühjahr auf Anfrage der SZ: Potenzielle Dienstunfälle werden gemäß Beamtenversorgungsgesetz "hochgenau und intensiv geprüft", es gehe auch um "Kausalzusammenhänge". So müsse "ein besonderer Ursachenzusammenhang" zwischen Infektion, dienstlicher Tätigkeit und Erkrankung bestehen - zum Beispiel bei vorsätzlichem Anspucken eines Beamten durch einen nachweislich Infizierten. Denkbare Ansteckungen etwa auf der Wache, bei Lehrgängen oder Sporteinheiten, wie sie in den anhängigen Klagen als Dienstunfallgrund unter anderem zu finden sind, gehörten dagegen zur "Allgemeingefahr für jedermann" in einer Pandemiesituation. Darüber werden Richter zu entscheiden haben. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung steht laut Finanzministerium bisher in keinem Verfahren fest.

© SZ vom 05.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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