Unter Bayern:Wer hatscht, hat mehr vom Leben

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Das Trabrennpferd Simmerl ist in Straubing unvergessen. Als es verkauft werden sollte, verhinderte es dies, indem es schrecklich zu hatschen begann. Schade, dass ein schlauer Wirtshauskater diese Taktik nicht auf dem Schirm hatte.

Von Hans Kratzer, Straubing

Es ist sehr vergnüglich, die altehrwürdige Trabrennbahn in Straubing zu besuchen. Das Publikum ist originell, die Würstl sind würzig, und die Wetteinsätze sind für alle Gäste erschwinglich. Und irgendwie schwebt über allem immer noch die Erinnerung an das Trabrennpferd Simmerl, das in den 60er-Jahren an Berühmtheit jeden Fußballer in den Schatten stellte. Eines Tages sollte Simmerl, der aus der Zucht von Heinrich Berger in Großenpinning im Landkreis Straubing-Bogen stammte, nach München verkauft werden. Seine Freunde riefen ihm traurig nach: "Simmerl, jetzt musst hatschen!" Und der Hengst gehorchte. Der Käufer jammerte sogleich über den lahmen Gaul, denn Simmerl hatschte jämmerlich. Also kaufte Heinrich Berger den Traber zurück - und der dankte es ihm, indem er Siegesprämien in Höhe von 700 000 Mark einfuhr.

Im Gasthof zur Post in Neufraunhofen bei Landshut lebte damals ein Kater, der ebenfalls Heimweh hatte, aber eine andere Taktik wählte als Simmerl. Der Kater hieß Turnschuh, denn er war schwarz und hatte weiße Pfoten. Vom Leichtsinn gepackt, hüpfte er einmal auf die Ladefläche eines Bierlasters, der gerade Fässer anlieferte. Als die Bordwand wieder geschlossen wurde, merkte niemand, dass es sich Turnschuh hinter einigen Tragln bequem gemacht hatte. Drei Tage danach war dem Lokalblatt zu entnehmen, eine schwarze Katze mit weißen Pfoten habe sich einer Pilgergruppe angeschlossen, die auf dem Weg nach Altötting war. Sämtliche an die Schwarze Madonna gerichteten Fürbitten halfen jedoch nichts mehr, Turnschuh blieb verschollen. Auch sein bester Kamerad, Schäferhund Werner, war untröstlich, musste er doch nun alleine zum Bäckerladen gehen. An jedem Morgen schob man ihm den Brotkorb ins Maul, woraufhin sich er und Turnschuh auf den Weg machten und einträchtig mit Semmeln und Wecken zurückkehrten.

Dort, wo sich Mensch und Tier auf Augenhöhe begegnen, machen sich Tiere gerne menschliche Marotten zu eigen. Ähnlich wie der schlaue Simmerl stellte es, wie die Dorfchronik von Kapfing vermerkt, ein Ochse an, der nicht auf dem Viehmarkt verkauft werden wollte. Jedes Mal, wenn er gen Landshut getrieben wurde, fing er mittendrin schwer zu hinken an, bis man ihn notgedrungen wieder in den Stall zurückführte. Kater Turnschuh hatte diese Taktik leider nicht auf dem Schirm: In Gefahr und größter Not ist Hinken oberstes Gebot.

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