Tourismus-Gegner:Briefe an deutschen Autos: "Wir mögen euch wirklich nicht!"

Lesezeit: 2 Min.

Der Lech verbindet Weißensee mit den Nachbarn im Allgäuern. (Foto: dpa)
  • In Weißenbach in Tirol ist ein anonymer Brief an deutschen Autos aufgetaucht, der mit "Piefke bleib zu Hause" überschrieben ist.
  • Der Verfasser bringt Groll gegen Touristen, vor allem gegen Allgäuer und andere Grenzgänger zum Ausdruck.
  • Weil manche Autos auch beschädigt wurden, fährt die Polizei nun vermehrt Streife an Parkplätzen.

Von Christian Rost, Weißenbach/Schwangau

Weißenbach ist ein kleiner Ort mit 1250 Einwohnern in der Grenzregion Tirol-Allgäu. Der Lech verbindet die Gemeinde mit den flussabwärts lebenden Nachbarn im bayerischen Schwangau, ebenso die Wertschätzung beiderseits für die jeweils herrlichen Landschaften und Attraktionen: Berge, Seen, Schlösser. Die Allgäuer fahren zum Wandern hinüber nach Tirol, die Tiroler wandeln auf den Spuren des Märchenkönigs oder machen einen Ausflug in eine der Allgäuer Thermen. Es gibt also viele gute Gründe, die jeweils andere Seite zu besuchen. Nur: In Weißenbach sind die Deutschen nicht mehr gerne gesehen. Jedenfalls will irgendjemand die "Piefkes" aus Tirol vertreiben. Und greift dabei auch zu drastischen Mitteln.

Der Weißenbacher Bürgermeister, Hans Dreier, hat seine Bürger im aktuellen Gemeindebrief hinsichtlich des Tourismus und Zuzugs daran erinnert, dass man früher das Lied gesungen habe: "Wir Tiroler sind lustig, wir Tiroler sind froh, wir verkaufen unsere Betten und schlafen auf Stroh." Ja, das waren noch die unbekümmert-einträglichen Zeiten, in denen der Fremde nur Gutes brachte: nämlich Geld.

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Längst ist es aber so, dass die Vielzahl der Gäste auch Probleme verursacht. "Lärm, Staus und Müll" würden ins schöne Tirol hineingetragen und somit auch "schlechte Laune". So hat es der anonyme Verfasser eines Schreibens formuliert, das in den vergangenen Wochen hinter die Scheibenwischern von mehreren Autos mit deutschen Kennzeichen auf dem Parkplatz am Baggersee in Weißenbach geklemmt wurde. "Piefke bleib zu Hause", ist das Pamphlet, das es in unterschiedlichen Versionen gibt, überschrieben und richtet sich "vor allem an die Allgäuer und andere Grenzgänger". Um den Groll noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen, heißt es am Ende: "Wir mögen euch wirklich nicht!"

Es ist aber nicht nur bei den Schreiben geblieben, die laut Walter Schimpfössl, dem stellvertretenden Kommandanten der Bezirkspolizei, ohnehin strafrechtlich nicht relevant seien. Ein Unbekannter ließ überdies an Autos von Touristen die Luft ab, riss an den Reifen Ventile ab und zerkratzte an einem Fahrzeug zwei Türen. Auch deshalb fahren nun Zivilstreifen regelmäßig die Parkplätze am See an. Ein Verdächtiger wurde von Zeugen zwar gesehen, identifiziert werden konnte er bislang aber noch nicht.

Der Schaden für die Autobesitzer ist teils beträchtlich, eine betroffene Frau aus dem Ostallgäu beklagte in den lokalen Medien, sie müsse laut Gutachten 5000 Euro an ihre Werkstatt zahlen. Schimpfössl sieht aber noch gravierendere Auswirkungen, wenn der Piefke-Hasser weiter auf den Plan tritt. "Das ist für die ganze Region nicht schön, die Aktion gibt auch nicht die Meinung der Einheimischen wieder." Eine Angestellte aus dem Gastgewerbe ist richtig aufgebracht über den Versuch, Gäste aus Tirol zu vertreiben. "Das ist eine bodenlose Schweinerei, wir leben hier doch alle vom Tourismus", sagt sie.

Diplomatischer formuliert es Roland Petrini in einem Interview. Er spricht für den Tourismusverband Reutte, zu dem Weißenbach gehört. Schon der alemannische Sprachraum verbinde die Regionen Tirol und Allgäu. "Und wir fahren auch gerne ins Allgäu, wie die Allgäuer umgekehrt zu uns", sagt Petrini. Beide Regionen seien in einem freundschaftlichen Miteinander unterwegs. So solle es auch bleiben.

Während sich also die Polizei und das Tourismusamt nach Kräften bemühen, das Problem klein zu halten und schließlich aus der Welt zu schaffen, sieht es der Bürgermeister von Weißenbach recht locker. Hans Dreier stand am Montagnachmittag auf dem Golfplatz, als ihn eine telefonische Anfrage dazu erreichte. Dafür habe er jetzt wirklich keine Zeit, er müsse abschlagen.

© SZ vom 18.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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