Pandschir-Tal:Zum Surfen nach Afghanistan

Lesezeit: 2 min

Auch im Pandschir-Tal hat der Krieg Spuren hinterlassen. Gerade deswegen träumt Afridun Amu (rechts) von einem afghanischen Surf-Team für Olympia 2024. (Foto: dpa)

Das hat Benjamin Di-Qual aus Fridolfing zusammen mit Freunden gewagt: Sie surften auf einem Gebirgsfluss im Pandschir-Tal.

Von Matthias Köpf, Trostberg

Das Pandschir-Tal sei so etwas wie das Bayern Afghanistans, sagt Benjamin Di-Qual. Dass solche Vergleiche selten tragen, weiß er selbst, aber immerhin gibt es hohe Berge dort, Wasser und genügend Gefälle. Von 3000 auf 2000 Meter Seehöhe, wie es der Bauingenieur aus dem oberbayerischen Fridolfing grob umreißt.

Die Sicherheitslage sei in dem von weglosen Fünftausendern umgebenen und nur über eine einzige Straße zugänglichen Tal vergleichsweise gut, jedenfalls im Autokonvoi mit Militärkennzeichen und bewaffneten Begleitern. Und dann dieses Gefühl: "Man schafft es tatsächlich, nach zwei Jahren Vorbereitung in so einem Land auf einer Welle zu stehen und zu surfen."

Surfen in Bayern
:"Die Szene explodiert"

Im Freistaat hat sich eine Surf-Szene etabliert, die nun auch von der Politik ernst genommen wird. Und 2020 ist das Jahr, in dem Surfen erstmals olympisch wird.

Von Matthias Köpf

Das hat vor Benjamin Di-Qual, dem kanadischen Flusssurfer Jacob Kelly Quinlan und Afridun Amu wohl noch niemand geschafft, obwohl Amu sogar amtierender afghanischer Meister im Surfen ist. Er hat die Meisterschaft 2015 selber organisiert, allerdings am Meer in Portugal, und die afghanische Konkurrenz dort war nicht allzu zahlreich. Der 31-jährige Amu, den seine Freunde "Afri" nennen, ist mit seiner Familie 1992 nach Deutschland geflohen.

Der Jurist und Kulturwissenschaftler, der bis Dezember für die Max-Planck-Stiftung für Internationalen Frieden und Rechtsstaatlichkeit gearbeitet hat, stellte die nötigen Kontakte her, ein afghanischer Bekannter, der in Frankfurt lebt, legte die Surfer seiner Familie ans Herz, einem Clan mit viel Einfluss im Pandschir-Tal. Ohne deren Schutz wäre aus der Surf-Expedition ins Hochgebirge ein paar Autostunden nordöstlich von Kabul nie etwas geworden, sagt Benjamin Di-Qual.

Natürlich seien sie privilegiert gereist, berichtet Di-Qual am Rande des "Surf Film Festivals" in Trostberg von seinen Erfahrungen. Er habe die Menschen als "offen, herzlich und gastfreundlich" erlebt und sich die ganzen zehn Tage über in jeder Minute sicher gefühlt - außer vielleicht dieses eine Mal, als ein finster dreinblickender Mann, den die Kunde von den seltsamen Surfern im Tal offenbar nicht erreicht hatte, den Griff seiner Pistole aus dem Gewand blitzen ließ. Afghanistan insgesamt sei aus seiner Sicht aber weder frei noch sicher. "Das Land hat natürlich andere Probleme, als im Fluss surfen zu gehen."

"Wir haben sehr viele Wellen gesehen"

Warum er und sein Freunde sich dann ausgerechnet Afghanistan für ihre Expedition ausgesucht haben, erklärt Di-Qual damit, dass sie auf längere Sicht "mit dem Sport auch andere Perspektiven für Kinder und Jugendliche schaffen" wollen. Afridun Amu träumt von einem afghanischen Surf-Team, vielleicht für Olympia 2024.

Ein Spektakel haben die Surfer Kindern wie Erwachsenen jedenfalls schon mal geboten. Zeitweise wechselten sich Dutzende Zuschauer auf einer Brücke beim Halten der Sicherheitsleine ab, denn wirklich zum Surfen sind Di-Qual, Amu und Quinlan tatsächlich auch ein paarmal gekommen, komplett in Neopren verhüllt. "Wir haben sehr viele Wellen gesehen", erzählt Di-Qual, doch allzu oft lagen sie unerreichbar tief unterhalb der Straße.

Am Energieriegel geknabbert haben die drei tagsüber nur in Deckung, denn die wellenverheißende Zeit der Schneeschmelze fiel in den Ramadan. Auch die Höhe machte ihnen zu schaffen: "Das war extrem anstrengend, selbst wenn du nur hundert Meter gehst und einen Spot checkst", sagt der 22-jährige Filmemacher Nico Walz aus Palling, der das Trio mit der Kamera begleitet hat und nun am Schnitt sitzt. Sein Film soll einen Titel tragen, der nicht mehr stimmt: "Unsurfed Afghanistan".

© SZ vom 18.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSurfen in Indien
:"Die ersten Male haben die Fischer uns nur angestarrt"

Strand, Wellen und kaum ein Brett in Sicht: In Indien gibt es jede Menge unberührte Surfparadiese. Am Delta Beach im Südwesten hat Ishita Malavyia eine der ersten Schulen gegründet.

Von Angela Weiß

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: