Streit um Präventionsprogramm:Kampfansage an den Hass

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Nein heißt Nein: Ein 45-Jähriger hat eine junge Frau von Tutzing bis nach München verfolgt und dann versucht, sie auf den Mund zu küssen - ein Fall für die Polizei. (Foto: imago stock&people/imago stock&people)

Die Grünen fordern, frauenfeindliche Gewaltdelikte gesondert zu erfassen - CSU und Freie Wähler verweisen auf den Bund

Von Johann Osel, München

Kurz vor Veröffentlichung der neuen bayerischen Kriminalstatistik ist eine Debatte über die Kategorisierung von Gewalt aus frauenfeindlichen Motiven aufgekeimt. Die Grünen im Landtag fordern eine separate Erfassung und Publikation solcher Delikte. "Hass auf Frauen ist ein Nährboden für Gewalt an Frauen. Dieser Hass äußert sich insbesondere in digitalen Räumen", erklärt Katharina Schulze, Fraktionschefin und innenpolitische Sprecherin. Dazu stellte sie vergangene Woche einen Antrag im Innenausschuss, der auch flankierende Maßnahmen wie ein Präventionsprogramm vorsah. Ein nachgezogener Antrag der Regierungsfraktionen CSU und Freie Wähler betonte die Relevanz des Themas ebenfalls, verwies aber auf die Bundesebene, um das einheitlich zu regeln.

Schulze forderte laut Antrag die Staatsregierung auf, die Unterkategorie "Misogynie/Frauenfeindlichkeit" in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für politisch motivierte Straftaten aufzunehmen. Ferner solle bei Ermittlungen zur Hasskriminalität das Kriterium Geschlecht ergänzt werden, ähnlich wie bei rassistischen oder homophoben Straftaten der Fall. Immer wieder riefen öffentliche und politische Statements von Frauen "sexistische Anmache, pornografische Pöbeleien, die Androhung von Vergewaltigungen bis hin zu Morddrohungen hervor", sagte Schulze zur Begründung. "Dies muss keine Frau aushalten, es gehört verfolgt, bestraft und muss in der Kriminalstatistik gesondert erfasst werden." Doch ihr Vorstoß betreffe nicht nur das Netz. So sei etwa bei Morden an Frauen oft leichtfertig von "Familiendramen" die Rede, auch wenn in Wahrheit ein "Femizid" dahinter stehe - also eben eine Tat aus Frauenfeindlichkeit.

Den zweiten Antrag wiederum begründete der Abgeordnete Holger Dremel (CSU) damit, dass Optimierungsbedarf bestehe. Doch dies mache "keinen Sinn in Bayern alleine". Ziel ist jetzt, wie es in Antrag zwei heißt, die "noch transparentere Erfassung frauenfeindlicher Straftaten in den polizeilichen Statistiken". Eine Erfassung des jeweiligen Tatbestands findet ja tatsächlich bei jedem Delikt an sich statt - es geht vielmehr um die Kategorisierung und Kennzeichnung konkreter Tatmotive. CSU und FW wiesen auch darauf hin, dass bei Taten aus Frauenhass im bundesweiten Meldedienst für politisch motivierte Kriminalität bereits ein Themenfeld "Geschlecht/sexuelle Orientierung" bestehe. Im Antrag, der eine Mehrheit fand, heißt es letztlich: Um dem Phänomen der frauenfeindlichen Kriminalität "noch besser Rechnung tragen zu können, ist eine Prüfung erforderlich, wie solche Straftaten noch transparenzschaffender erfasst werden können".

Im Grundsatz schlossen sich dem im Ausschuss alle Abgeordneten an, außer die AfD. Deren Vertreter Richard Graupner sagte, Frauen könnten Opfer sein, den Faktor Frauenfeindlichkeit sehe er dabei als "marginal" an; seiner Auffassung nach handele es sich eher um religiöse Motive, angespornt durch manche Sure im Koran.

Ein Vorstoß für die Befassung auf Bundesebene mit dem Thema ist nach Informationen der SZ bereits in die Wege geleitet. So haben sich die Innenminister der Unionsparteien kürzlich schon damit beschäftigt, auch Bayerns Minister Joachim Herrmann (CSU) trug dies mit. Polizeiexperten aus dem Freistaat und aus Baden-Württemberg sollen demnach Details erarbeiten, die man dann Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) unterbreiten könne.

Schulze sagt, sie werde genau beobachten, was nun tatsächlich geschehe - "oder ob das von der CSU mal wieder eine Verschiebung der Verantwortung auf eine andere Ebene war". Ansonsten werde sie ihren Antrag ein drittes Mal stellen, nach vergangener Woche und 2017. "Wenn es Daten und Zahlen gibt, wird das Ausmaß deutlicher und man kann geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen." Bedauerlichweise würden ihre Vorschläge wie das Präventionsprogramm nicht umgesetzt. Sensibilisiert für das Thema zeigt sich auch Julika Sandt, stellvertretende Fraktionschefin und frauenpolitische Sprecherin der FDP im Landtag: "Hasskommentare im Netz sind wie ein fruchtbarer Boden für weitere Radikalisierung. Wenn man das Wachstum nicht jetzt unterbindet, überwuchert uns der Hass und führt am Ende zu Körperverletzungen und Tötungen." Auch sie wünscht sich eine klare Erfassung von frauenfeindlichen Hasskommentaren und Gewalt.

An diesem Montag stellt der Innenminister die PKS für 2020 vor. Zu erwarten ist, dass die Gesamtkriminalität pandemiebedingt gesunken ist. So etwa in den Bereichen Straßenkriminalität oder Ladendiebstahl - wegen geschlossener Geschäfte, Ausgangssperren und fehlenden Nachtlebens. Mit einem Plus zu rechnen ist wohl bei Delikten mit dem "Tatmittel Internet".

© SZ vom 08.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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