Fabian Giersdorf ist Pfarrgemeinderat der katholischen Pfarrei Roth, er ist Gründungsmitglied des "Fördervereins der städtischen Kindertagesstätte", bei der kommenden Kommunalwahl will er Stadtrat in dem mittelfränkischen Städtchen werden - und er ist der Babo.
Das kam so: Jeder der CSU-Stadtratskandidaten in Roth durfte sein Plakat mit seinem Konterfei und einem Slogan versehen. Die Kandidaten sind also in sich gegangen und haben Sätze abgeliefert wie: Kompetent und ehrlich. Oder: Solide Finanzen. So was in der Art. Sprüche für das politische Poesiealbum eines jeden anständigen CSUlers.
Giersdorf, der sich selbst als "humorig" beschreibt, fand das ein bisschen langweilig. Überhaupt: Es ärgert ihn, dass so viele junge Leute die Politik insgesamt und die Kommunalwahl im Besonderen mit Nichtachtung strafen. "Dabei ist die Kommunalpolitik für die jungen Menschen doch das Wichtigste", sagt Giersdorf. Da könne man noch selbst Vorschläge einbringen, sich engagieren. Was also tun? Giersdorf wollte die Aufmerksamkeit der jungen Menschen. Das Stilmittel der Wahl: "Augenzwinkern". Und "ein bisschen polarisieren", das wollte er, wie er am Telefon versichert. Die jungen Leute da abholen, wo sie sich manchmal auch in Roth rumtreiben. Auf der Straße.
Also ließ Giersdorf unter sein Kopfplakat, auf dem sein eindeutig erst 23 Jahre altes Konterfei zu sehen ist, geschniegelt und gebügelt, der Hemdkragen weiß und steif, die Krawatte hellblau gemustert und perfekt gebunden, dunkles Sakko, folgenden Slogan drucken:
"Chabos wissen, wer der Babo ist."
Zwei Plakate mit dem Spruch waren in Roth zu sehen. Viele der Menschen dort dürften das gar nicht verstanden haben. Trotzdem hat Giersdorf jetzt jede Menge Aufmerksamkeit. Der humorige Typ hat allerdings mittlerweile auch verstanden, dass das mit dem Humor nicht so einfach ist - und schnell ziemlich peinlich werden kann.
"Chabos wissen, wer der Babo ist", die Zeile stammt von Haftbefehl, einem Offenbacher Rapper, bei dem die Bezeichnung Gangsterrapper nicht einfach nur Folklore ist. Ins Hochdeutsche übersetzt bedeutet sie ungefähr: "Die Jungs wissen, wer der Chef ist." Haftbefehls Texte durchziehen Kraftausdrücke, Gewalt- und Drogenverherrlichung, Sexismus. Auch Antisemitismus wird ihm immer wieder vorgeworfen. Der Rapper hat, damit gibt er jedenfalls immer wieder stolz an, keinen Schulabschluss, er rutschte als Jugendlicher ins kriminelle Milieu ab, begann zu dealen, flüchtete nach Istanbul, weil er in Deutschland - per Haftbefehl - gesucht wurde.
Eine Zeile von diesem Haftbefehl, der mit bürgerlichem Namen Aykut Anhan heißt, als Slogan für die CSU? Warum eigentlich nicht! Der Song, aus dem die Zeile stammt, besteht aus türkischen, englischen, kurdischen und serbokroatischen Sprachfetzen. Der extrem erfolgreiche Haftbefehl, Albtraum aller Spießbürger, nennt sein Genre selbst "Azzlack-Rap" (Azzlack steht für asoziale Kanacken), er ist ein Wortakrobat, der die Sprache der multikulturellen Unterschicht in Reime verwandelt. Das ist: Integration mal anders. Der sehr deutsche Reim "Wer betrügt, der fliegt", mit dem die CSU gerade in den Wahlkampf zieht, ist dagegen jedenfalls ziemlicher Mist.