Sicherheit:Bayerische Polizei testet Bodycams

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In 7000 Fällen sind Polizisten 2015 angegriffen worden. Damit das weniger wird, filmen die Beamten ihre Einsätze künftig mit einer Kamera an der Weste. (Foto: dpa)
  • Die Körperkameras an der Uniform sollen Beamte vor Angriffen schützen.
  • 2015 wurden rund 15 000 Beamte in 7000 Fällen beschimpft oder körperlich angegriffen.
  • Datenschützer haben allerdings Bedenken und sehen unter anderem das Recht verletzt, dass ein Mensch nicht einfach so gefilmt werden dürfen.

Von Maximilian Gerl, München

Schauen sie nur? Oder filmen sie schon? So genau weiß man es im ersten Moment nicht bei den zwei Polizistinnen und ihrem männlichen Kollegen, die am Mittwoch im Münchner Präsidium auf dem Podium stehen, auf ihren Uniformen ein gelbes Schild mit Kamerasymbol. Auf der rechten Brustseite tragen sie eine dazu passende Mini-Kamera. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sitzt daneben und wirkt mit sich und der Gesamtsituation ganz zufrieden. "In Bayern leben, heißt sicherer leben", sagt er.

Sicherer leben, das galt für Bayerns Polizisten zuletzt nicht, treffender wäre: Sie leben zunehmend unsicher. Seit Jahren nimmt die Gewalt gegen sie zu. Aber jetzt soll das Leben auch für Polizeibeamte sicherer werden - mit sogenannten Bodycams, kleinen Kameras, die sie an ihrer Montur befestigen und die ihren Einsatz in Bild und Ton aufzeichnen. Herrmanns Hoffnung: "eine höhere Hemmschwelle". Das soll bedeuten: Wer bemerkt, dass ihn gerade eine Kamera aufnimmt, kommt vielleicht erst gar nicht auf die Idee, auf sein Gegenüber loszugehen.

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Im Freistaat waren die Bodycams bislang nur Theorie, das soll sich nun ändern. Von Dezember an wird die Technik in einem Pilotprojekt getestet. Die Körperkameras kommen zunächst in München, Rosenheim und Augsburg zum Einsatz, und dort auch nicht überall und jederzeit, sondern nur an "gefährlichen Orten und bei kritischen Situationen", sagt Herrmann.

Tatsächlich besteht für Polizisten in größeren Städten an den Wochenenden und nachts ein erhöhtes Risiko, Opfer von Gewalt zu werden. 2015 wurden fast 15 000 Beamte in etwa 7000 Fällen beschimpft oder körperlich angegriffen, sagt Herrmann. Das sei der höchste Wert seit dem Jahr 2010. Die Hälfte der Vorfälle ereignete sich auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, meist in der Nähe von Ausgehvierteln und Feiermeilen. Die Täter: in aller Regel männlich, zwischen 18 und 50 Jahre alt und ordentlich alkoholisiert.

In Hessen kommen Bodycams bereits seit 2013 zum Einsatz. Die Angriffe auf Beamte sollen seitdem spürbar zurückgegangen sein, offenbar wirken die Kameras auf einen Teil der Täter abschreckend. Einen ähnlichen Effekt erhofft man sich im Innenministerium und bei der Polizei nun auch in Bayern. Anders als in Frankfurt werden die Kameras in München, Rosenheim und Augsburg aber nicht durchgehend laufen. Die Polizisten dürfen sie nur mit gekennzeichneten Westen zum Streifendienst tragen; die Geräte dürfen sie erst einschalten, wenn die Situation zu eskalieren droht. Zuvor sie müssen sie ihr Gegenüber darauf hinweisen, dass sie ihn gleich aufnehmen werden.

Datenschützer indes sehen den Einsatz von Bodycams mit gemischten Gefühlen. Jeder Mensch besitzt ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung - ihn einfach so zu filmen, vielleicht sogar ohne gerechtfertigten Anlass, kann dieses Recht schwer verletzen. Und dann ist da noch die Frage, was später mit den Aufnahmen passiert, zum Beispiel, ob sie wieder restlos gelöscht werden. Als das bayerische Kameraprojekt vor einem Jahr im Innenausschuss des Landtags erstmals näher präzisiert wurde, meldete der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri Bedenken an. Mit ironischem Unterton sagte er, das Thema Bodycams werde "ein steter Quell der Freude" sein.

Bei der Vorstellung der Bodycams im Münchner Polizeipräsidium ist Herrmann spürbar darum bemüht, solche Bedenken von Anfang an auszuräumen. Der Landesbeauftragte für Datenschutz sei in das Projekt eingebunden, sagt er, außerdem werde es von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege wissenschaftlich begleitet: "Es ist beispielsweise vorgesehen, die teilnehmenden Beamten zu ihren Eindrücken zu befragen."

Außerdem sollen die Beamten, die filmen, keinen Zugriff auf ihre Filme haben. "Wir haben uns für eine klare Rollentrennung entschieden", sagt Polizeidirektor Andreas Schaumaier, der Leiter der Projektgruppe. Alle Aufnahmen der Kameras würden automatisch nach drei Wochen gelöscht. Nur die Passagen, die eine mutmaßliche Straftat zeigten, würden zuvor auf eine DVD gebrannt und der Staatsanwaltschaft übergeben.

Die Bedenken von Datenschützern stoßen bei der Deutsche Polizeigewerkschaft auf Unverständnis. "Jeder Polizeieinsatz wird inzwischen mit Handykameras aufgezeichnet", sagt der Landesvorsitzende Hermann Benker. Aus vielen dieser Clips würden vor der Veröffentlichung Sequenzen herausgeschnitten und so Zusammenhänge verfälscht. "Mittels Bodycams kann die Polizei dagegen halten und für objektive Aufklärung sorgen."

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Selbst die SPD-Opposition stellt sich hinter Herrmann. Die steigenden Angriffe auf Polizisten "sind alarmierend und können so nicht weiter hingenommen werden", sagt Peter Paul Gantzer, der sicherheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Es brauche dringend Maßnahmen, um die Gewalt gegen die Polizei zu reduzieren. "Die Bodycams können eine dieser Maßnahmen sein."

Das Pilotprojekt dient auch einem anderen, ganz einfachen Zweck: Die Polizei will herausfinden, was eine Bodycam im Einsatz können muss. Drei Modelle stehen derzeit zur Auswahl, die Beamten testen jedes vier Monate lang. Danach wird entschieden, welches Modell den Zuschlag erhält und ob es flächendeckend eingesetzt wird. Vorerst gehen die Polizisten also nur mit gemieteten Kameras auf Streife.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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