Schulpolitik:Geschlossen für den offenen Ganztag

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Ein qualitativ hochwertiges, kostenloses Mittagessen für alle Kinder wünschen sich die Grünen. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Das Kultusministerium und die Landtags-CSU halten das Pilotprojekt an Grundschulen für geglückt, die Opposition sieht noch weiteren Verbesserungsbedarf

Von Anna Günther, München

Ein Ende des Durcheinanders sollte das Pilotprojekt bringen, die Qualität der Nachmittagsbetreuung verbessern und dabei die Flexibilität für Eltern erhalten. Im Bildungsausschuss des Landtags hat das Kultusministerium nun Bilanz zum offenen Ganztag an Grundschulen gezogen. Es war eine sehr positive Bilanz, zumindest aus Sicht des Ministeriums und der CSU. Das Pilotprojekt war im März 2015 mit großem Brimborium verkündet worden, ein "sensationeller" Durchbruch sei gelungen, endlich arbeiteten Kultusministerium, Sozialministerium und Kommunen zusammen. Die Leiter von 300 Grundschulen haben dann im Herbst 2015 die Organisation der Ganztagsbetreuung übernommen. Zuvor lag die Verantwortung für den Nachmittag bei freien Trägern wie etwa der Nachbarschaftshilfe.

Zum Herbst 2016 führten 1000 weitere Grund- und Förderschulen den offenen Ganztag ein, weitere sollen folgen. 160 Millionen Euro werden ausgegeben, um ein Versprechen Horst Seehofers aus seiner Regierungserklärung 2013 umzusetzen: Bis 2018 werde jedes Kind bis 14 Jahren einen Ganztagsplatz bekommen können. Ziel der Offensive ist, das Niveau der Betreuung zu verbessern. Denn die meisten der 2300 Grundschulen im Freistaat haben ihre Nachmittagsbetreuung bisher individuell organisiert. Die Abholzeiten schwanken zwischen 14 und 16 Uhr. An manchen Schulen spielen die Kleinen nach dem Mittagessen, an anderen machen sie Hausaufgaben und werden pädagogisch betreut. Ein striktes Konzept wie für den gebundenen Ganztag, das Unterricht bis zum Nachmittag vorsieht, gab es bisher nicht. Mit der neuen Struktur des offenen Ganztags kümmern sich im Idealfall Erzieher oder Sozialpädagogen um die Schüler.

An den Schulen komme die neue Struktur sehr gut an, sagte Michael Rißmann, der im Ministerium für den Ausbau zuständig ist. Die Koordinatoren in den Bezirken berichteten, dass deutlich mehr Kinder aus sozial schwachen Familien nachmittags in der Schule ihre Hausaufgaben machten und sich verbesserten. Früher konnten sich einige Familien die Betreuung nicht leisten, nun übernimmt der Freistaat die Kosten. Durch einheitliche Planung könne außerdem Stoff in den Nachmittag gelegt und das Tagespensum entzerrt werden. Eine Herausforderung ist außer dem Mangel an Erziehern und Sozialpädagogen auch die Balance zwischen den unterschiedlichen Wünschen der Eltern. Die einen brauchen frühe Anmeldefristen, um mit dem Arbeitgeber planen zu können, andere favorisieren späte, weil die Trainingspläne der Sportvereine oft erst im Herbst feststehen. Manchen ist hohe Qualität am wichtigsten, anderen eine flexible Abholzeit. Aber um mit den Kindern pädagogisch zu arbeiten und diese nicht nur zu bespaßen, brauchen die Schulen Planungssicherheit und stabile Gruppen.

Die Opposition fand bei allem Lob aber auch einige Kritikpunkte. Das größte Problem berufstätiger Eltern sei nach wie vor nicht gelöst, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Simone Strohmayr. Denn die Betreuung im offenen Ganztag endet spätestens um 16 Uhr. Eltern, die ihre Kinder erst um 18 Uhr abholen können und auch in den Ferien Betreuung brauchen, sind weiter auf einen Hort angewiesen. Acht Grundschulen testen derzeit eine Kombination aus beiden Modellen. Seehofer hatte allerdings im Frühjahr 2015 von 100 Grundschulen im Kombimodell gesprochen. Diese Zahl wird auch mit den 20 weiteren Modellprojekten nicht erreicht, die gebundenen Ganztagsunterricht mit der verlängerten Betreuung kombinieren. "Das ist für ein reiches Land beschämend schwach", sagte Strohmayr.

Ein Problem ist, dass dabei mit den beiden Betreuungsmodellen auch zwei Fördermodelle miteinander kombiniert werden müssen. Der Nachmittag im Rahmen der Ganztagsbetreuung wird als Schulzeit aus dem Kultusetat bezahlt. Die Betreuung nach 16 Uhr und in den Ferien fällt in die Zuständigkeit der Kooperationspartner, die über das Sozialministerium abrechnen. "Der Staat muss deutlich mehr Geld in die Hand nehmen, damit mehr Partner die Betreuung der Grundschüler vor und nach der Schule und in den Ferien übernehmen", sagte Strohmayr. Ihr Parteifreund Martin Güll, der den Bildungsausschuss leitet, wies auf den Organisationsaufwand für Schulleiter hin und forderte Ausgleichsstunden sowie zusätzliches Verwaltungspersonal.

Die Grünen beschäftigte das Nebeneinander von Hort und Ganztag: Thomas Gehring erkundigte sich, ob Hort und offener Ganztag überhaupt parallel laufen können oder sich Konkurrenz machen. Seine Kollegin Gisela Sengl blickte in die Zukunft und auf die Kosten: "Soll der gebundene Ganztag das Ziel sein? Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf Dauer alle Angebote nebeneinander laufen können. Das wird sehr teuer", sagte sie. Die Eltern steuerten das Angebot mit ihren Wünschen, entgegnete Rißmann, und die Kommunen müssten Konkurrenz mit Planung vermeiden.

Der Oberste Rechnungshof hatte vor einem Jahr das Durcheinander der Angebote und das Fehlen von Qualitätsstandards teils scharf kritisiert. Der Verwaltungsaufwand sei zu hoch und es gebe zu wenig Kontrollen. Seine Stichproben stammten jedoch aus der Zeit vor dem Pilotprojekt. Es gebe mittlerweile einen Qualitätsrahmen für den offenen Ganztag, sagte Rißmann, aber man wollte den Schulen nicht gleichzeitig das neue Modell und neue Standards zumuten.

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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