Schulpolitik:Das Comeback der Leistungskurse

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Das Abitur soll wieder anspruchsvoller werden, darüber herrscht große Einigkeit. Über den Weg dorthin soll nächstes Jahr entschieden werden. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Der Philologenverband schlägt Vertiefungsfächer für die gymnasiale Oberstufe vor - nach altbekanntem Vorbild

Von Anna Günther, München

Sechstklässler, die derzeit das Gymnasium in Bayern besuchen, sind in einer besonderen Situation: Sie bilden den ersten G-9-Jahrgang, obwohl sie ihr erstes Jahr am Gymnasium im System des G 8 erlebten. Seit Beginn dieses Schuljahres bilden diese Kinder mit den neuen Fünftklässlern die ersten Schüler im neuen G 9. Wie ihr Abitur aussehen wird, wissen sie dagegen nicht. Die Entscheidung über das Konzept der neuen Oberstufe haben Staatsregierung und Ministerium bisher aufgeschoben. Der frühere Schulminister Ludwig Spaenle (CSU) erklärte 2017, dass Bayern auf neue Regelungen der Kultusministerkonferenz (KMK) warten müsse, dann kam die Landtagswahl. Das Thema lag offiziell auf Eis. Im Hintergrund liefen derweil die Gedankenspiele weiter. Am Wochenende präsentierte nun der Philologenverband bei der Jahreshauptversammlung in Deggendorf als erster ein eigenes Konzept für die G-9-Oberstufe und das Abitur.

Zwei Vertiefungsfächer und mehr Wahlmöglichkeiten fordern die Philologen. Die Vertiefung ist Konsens bei Politikern, Lehrern, Eltern und Schülern. Bei der Umsetzung gehen die Meinungen aber auseinander. Jedes Fach kann laut Philologenkonzept zum Vertiefungsfach (VF) werden. Die im G 8 verpflichtende schriftliche Abiturprüfung in Mathe, Deutsch und einer Fremdsprache wird abgeschafft. Das sei mit mehr Auswahl und doppelter Vertiefung nicht zu machen, sagte Philologenchef Michael Schwägerl. Es soll aber wie im G 8 bei fünf Prüfungen im Abitur bleiben. Jedes VF soll fünf Stunden pro Woche unterrichtet und schriftlich geprüft werden. Eines der beiden VF muss Deutsch, Mathe, eine Fremdsprache oder eine Naturwissenschaft sein. Von den übrigen vier Prüfungen - zwei schriftlich, zwei mündlich - müssen drei mit Mathe, Deutsch, einer Fremdsprache, Naturwissenschaften und Gesellschaftswissenschaften belegt sein. Ein Beispiel: Wenn ein Schüler Deutsch und Geschichte als Vertiefungsfächer wählt, dazu eine Fremdsprache schriftlich und eine Naturwissenschaft mündlich, bliebe beim fünften Prüfungsfach freie Wahl. Damit Schüler nicht deutlich mehr Stunden haben als vorgesehen, soll die wissenschaftliche Arbeit in die Vertiefung wandern. Das frei wählbare W-Seminar fiele weg. Die Parallelen zum alten G-9-Leistungskurs-Konzept sind deutlich: Die Rahmenbedingungen zur Wahl ähneln sich stark, statt vier gibt es nun fünf Prüfungen und davon zwei vertieft. Die Philologen sehen dagegen Unterschiede in Inhalten, fächerübergreifenden Kompetenzen und wissenschaftlichem Arbeiten.

Dass die Gymnasiallehrer ihre Idee publik machten, kam nicht bei allen in der Schulfamilie gut an. Spaenle hatte 2017 nach Jahren des Streits Arbeitsgruppen für ein gemeinsames Konzept eingeführt. Abgesandte von Eltern, Lehrern, Schülern, Direktoren und Ministerium sollen gemeinsam die Konzepte erarbeiten. Erst kürzlich fand das erste Gespräch mit dem neuen Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) statt. "Vertiefung ist wichtig, aber sie muss für alle machbar sein, auch für kleine Schulen", sagte Susanne Arndt, die Vorsitzende des Landeselternverbands Gymnasien. Das sieht sie beim Philologenkonzept offenbar nicht. Zu viel Auswahl bedeutet zu kleine Gruppen und wäre für kleine Schulen kaum finanzierbar. Eigene Ideen wollte Arndt nicht nennen, "wir halten uns an die Verschwiegenheitsabmachung". Die Direktoren sahen das nicht so eng, zumal noch lange nichts beschlossen ist. Walter Baier, der Chef der Direktorenvereinigung (DV), hält die Idee der Gymnasiallehrer für kaum organisierbar. Die DV würden einen Vertiefungskurs favorisieren und am W-Seminar festhalten. Oder zusätzliche vertiefte Kurse anbieten, die nicht im Abitur geprüft werden.

Die ersten G-9-Schüler kommen 2023 in die 11. Klasse, aber Zeit zu trödeln ist nicht. Um ohne Hektik für alle Fächer Lehrpläne mit und ohne Vertiefung zu entwickeln, Schulbücher zu schreiben und zu drucken, muss die Entscheidung über die Oberstufe noch 2019 fallen. Leicht wird die Konsenssuche nicht, denn alle Fächer wollen im Abitur vertreten sein, das Konzept muss den Regeln der KMK entsprechen und soll das Niveau des Abiturs wieder erhöhen. Auch in Bayern war zuletzt immer wieder über Niveauverlust und Noteninflation geklagt worden.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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