Freilich, der Sepp hätte auch Schorsch heißen können oder Loisl oder Hias. Aber auf keinen Fall Knut oder Kai oder Uwe. So hieß halt damals kein Bergbauer, der das Holz mit dem Schlitten aus dem Bayerwald ins Tal gefahren hat. "Den Sepp, den kennt ein jeder, den kennt auch der Urlauber aus Berlin", sagt Franz Bindl, der sich den Sepp ausgedacht hat. Der Sepp ist eine lebensgroße Figur, aus Polyester und bunt angemalt, er sitzt vorne auf den Gondeln der Achterbahn, die mit ihren hochgebogenen Kufen aussehen wie Hornschlitten, die eine Fuhre Holz hinter sich herziehen.
Allzu leicht wollte Franz Bindl es den Urlaubern aus Berlin dann aber doch nicht machen. Also hat der Inhaber des Rodel- und Freizeitparks in Sankt Englmar (Landkreis Straubing-Bogen) dem Sepp noch ein Adjektiv verpasst. "Da voglwuide Sepp" heißt die längste Achterbahn Bayerns, die am 13. Mai in Betrieb gehen wird. "Voglwuid kennt der Berliner natürlich nicht, aber das kann er ja lernen", findet Bindl und grinst. Dann steigt er eine Metalltreppe hinauf, die neben den Schienen der Bahn entlang führt. Er selbst sei "kein Achterbahnfahrer", sagt Bindl, "ich habe da ein bisschen Schiss".
Gute Frage:Woher kommt das Kribbeln im Bauch?
Wenn man schaukelt oder in der Achterbahn fährt, fühlt sich das im Magen manchmal ganz komisch an: Es kribbelt und kitzelt und manchmal wird einem sogar ein bisschen schlecht. Dafür gibt es eine gute Erklärung.
Kein Wunder also, dass "da voglwuide Sepp" gar nicht so wild ist, wie sein Name verspricht. Mit höchstens 60 Stundenkilometern geht es durch Kreisel, lang gezogene Kurven und Schluchten, die eigens in den Boden gegraben wurden, um eine Schlittenfahrt durch die Hügel und die Täler des Bayerischen Walds zu simulieren. Zum Vergleich: Die schnellsten Achterbahnen der Welt schaffen mehr als 200 Stundenkilometer. Aber "das hätte nicht zu uns gepasst", sagt Franz Bindl, "da haben wir hier nicht das Publikum dafür".
Die Faszination für die Achterbahn
Das Publikum, das in Bindls Freizeitpark kommt, kam bisher wegen der Rodelbahnen und der Wasserrutsche, wegen des Abenteuerspielplatzes oder der Minigolf-Anlage. Das Konzept funktioniere gut, sagt Franz Bindl, deswegen habe man eine Achterbahn gebaut, "in der die ganze Familie sitzen kann", selbst Vierjährige dürfen mitfahren mit diesem Monstrum. 1000 Kubikmeter Beton wurden insgesamt verbaut, dazu 200 Tonnen Stahl, aber die wichtigste Zahl ist natürlich eine andere: 755 Meter. Länger ist keine Achterbahn im Freistaat.
Dabei hat alles klein angefangen. Mit einer einzigen Sommerrodelbahn, die Franz Bindl im Jahr 1998 mit drei Freunden bauen ließ, dazu eine Gaststätte und einen Kinderspielplatz. Das Konzept ging auf, mit der Zeit kamen weitere Bahnen dazu, ein Streichelzoo, eine Erlebnisrutsche und einiges mehr. Bis sich die vier Freunde nicht mehr einig waren, wie es weitergehen soll auf dem Egidi-Buckel, so heißt das hügelige Gelände, auf dem die Anlage steht. Seine Partner wollten nicht mehr wachsen, während Franz Bindl von seiner eigenen Achterbahn träumte. Also hat er allein weitergemacht. "Das war keine leichte Entscheidung", sagt Bindl.
Warum träumt einer, der selbst Schiss vor dem Achterbahnfahren hat, von seiner eigenen Bahn? Die Faszination, sagt Bindl, komme aus der Zeit, als er als Mechaniker für einen Deggendorfer Karussellbauer gearbeitet hat. Die Präzision, mit der eine Achterbahn entstehe, "das hat mich nicht losgelassen", sagt Bindl, ein kleiner Mann mit kräftigen, zerfurchten Händen, mit Dreck unter den Fingernägeln, weil er selbst mit anpackt, um seinen Traum zu verwirklichen.
Wenn der TÜV kommt, muss der Chef wohl probefahren
Er steht jetzt hoch oben auf der Metalltreppe, die an der Achterbahn entlang führt, am ersten Anstieg der Gondeln. Von hier aus kann man gut sehen, wie die Bahn in den Hang hinein gebaut wurde, wie ihre Schienen kreuz und quer über die Rodelbahnen und die Wasserrutsche führen, die sich unter der Bahn hindurch schlängeln. Wer rodelt, kann sehen, wie über ihm die Achterbahn fährt, und wer Achterbahn fährt, der sieht, wie unten die Leute rodeln. Das sei schon Absicht, sagt Bindl, "ich will, dass die Leute Hunger kriegen" und nach der einen gleich die nächste Attraktion ausprobieren. Natürlich will er das, denn der Erlebnispark kostet keinen Eintritt, hier zahlt man pro Fahrt, und zwar 2,50 Euro, egal ob für's Rodeln oder für die zweiminütige Achterbahnfahrt.
Es wird jetzt ein Zaun um die Achterbahn gebaut, am Kassenhäuschen muss noch gezimmert werden, aber die Bahn als solche ist fertig. Die ersten Probefahrten hat "da voglwuide Sepp" schon hinter sich, an Bord waren aber keine Menschen, nur Gewichte, noch läuft nicht alles rund. In ein paar Tagen soll das anders sein, dann kommt der TÜV, dann wird Franz Bindl seinen Schiss überwinden - und das erste Mal in seine eigene Achterbahn steigen.