Reine Diplomatie:"Wir kennen andere Kulturen"

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Der Botschafter Saudi-Arabiens Awwad S. Alawwad stattete Bayern einen dreitägigen Besuch ab. (Foto: Doris Spiekermann-Klaas)

Der neue Botschafter von Saudi-Arabien besucht Bayern und zeigt sich offen wie keiner vor ihm

Von L. Schnell, München

Awwad S. Alawwad nimmt die Cola-Flasche vor sich in die Hand, hält sie hoch, dreht sie ein wenig und blickt verwundert. So groß, das kommt ihm komisch vor. Er staunt schon über die Größe einer Limo-Flasche, wie muss es ihm erst gehen, wenn er durch die Straßen von München läuft?

Alawwad ist der neue Botschafter von Saudi-Arabien. Erst sechs Monate ist er in Deutschland, für seinen ersten Besuch im Land hat er sich Bayern ausgesucht. Drei Tage war er da. Äußerlich fällt er nicht auf. Kein Scheichgewand, blauer Anzug, eine feine, goldene Brille, kein Turban, kein Bart. Und trotzdem muss ihm vieles recht seltsam vorkommen in diesem Bayern. Bei ihm zu Hause durften Frauen lange nicht Auto fahren, gehen nur verhüllt aus dem Haus. Dagegen München im Hochsommer: Nur spärlich bekleidet rekelt sich Alt und Jung in der Sonne, erfrischen sich Damen mit offenem Haar und großen Sonnenbrillen an einem Sprizz. Feiern die Menschen gar drei Tage lang auf dem Odeonsplatz ihr Nationalgetränk, das Bier. In Saudi-Arabien aber ist Alkohol verboten. Wie verarbeitet er diesen Kulturschock?

Alawwad muss lachen. Er hat in den USA und Großbritannien studiert. "Wir sind kein geschlossenes Land, wir kennen andere Kulturen", sagt er. Bier und barbusige Frauen? Na, und. Jeder so wie er mag. Ihn interessiert an Bayern etwas ganz anders. Alawwad ist ein Mann der Wirtschaft. Bevor er zum Botschafter ernannt wurde, beriet er den Kronprinzen von Saudi-Arabien in wirtschaftlichen Fragen. Er kam nach Bayern wegen dessen wirtschaftlicher Stärke. "Bayern ist ein strategischer Partner für uns", sagt Alawwad. Siemens etwa machte schon Geschäfte mit Saudi-Arabien, da gab es das heutige Deutschland noch gar nicht, vor 80 Jahren. In knapp drei Tagen traf Alawwad mehr als 30 Wirtschaftsvertreter: Siemens, BMW, Linde, aber auch viele kleine und mittlere Unternehmen. Mit Wirtschaftsministerin Ilse Aigner vereinbarte er das Ziel, die wirtschaftliche Kooperation zwischen Bayern und Saudi-Arabien um 20 Prozent zu steigern. Gesundheitswesen, erneuerbare Energien, daran ist Alawwad interessiert. Nicht an Panzern?

Alawwad hat die Frage erwartet. Panzer und Öl, das hat man bis jetzt mit seinem Land verbunden. Er will das ändern. Zum ersten Mal seit Langem redet ein saudischer Botschaft überhaupt. Panzer also. Nein, daran sei Saudi-Arabien nicht mehr interessiert. Deutsche Lieferungen würden weniger als ein Prozent der Waffenlieferungen ausmachen. Darauf scheint man leicht verzichten zu können, vor allem weil Rüstungsexporte hier auch auf große Proteste stoßen. Etwa von Claudia Roth, der Vizepräsidentin des Bundestags. Deren Kritik an Saudi-Arabien ist umfassend: Das fängt mit der Todesstrafe an und hört mit den Flüchtlingen auf. Warum nimmt Saudi-Arabien kaum welche auf, obwohl Syrien gleich um die Ecke ist? Saudi-Arabien habe mehr als zwei Millionen Syrer aufgenommen, entgegnet Alawwad auf solche Vorwürfe. Sie würden nur nicht in die Flüchtlingsdefinition der Vereinten Nationen passen.

Das erzählte er auch Roth jüngst bei einem Treffen mit ihr. Sie will sich das selbst anschauen. Seit Jahren versucht sie nach Saudi-Arabien zu reisen, fünf Versuche, immer eine Absage. Alawwad aber sagte, im Herbst sei sie willkommen. Nicht alle Antworten gefallen Roth so wie diese. Als sie Alawwad auf die Todesstrafe ansprach, habe der geantwortet, Saudi-Arabien richte nicht nur Schiiten, sondern auch Sunniten hin. Aber immerhin antwortet er. "Er will die Beziehungen öffnen, das ist gut", sagt Roth.

Auch die bayerisch-saudischen Beziehungen sind nun um einen Besuch reicher. Von seiner Reise nimmt Alawwad ein paar Kunstbücher aus München mit. Die Kunst könne Menschen zusammenbringen, sagt er. So sind Diplomaten eben. Sie betonen lieber Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Ob er alle Facetten der Liberalitas Bavarica gutheißt? Wohl eher nicht. Trotzdem: So viel Offenheit wie er hat bis jetzt noch kein saudischer Botschafter gezeigt.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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