Landgericht Schweinfurt:„Vollkommener Wahnsinn“ Opfer sagt im Dämonenprozess aus

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Blick auf die Justitia über dem Eingang eines Landgerichts. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild)

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Schweinfurt (dpa/lby) - Im Prozess um mutmaßliche Vergewaltigung und Gewalt in einer größeren Lebensgemeinschaft in Unterfranken hat am Montag ein Opfer als Zeugin ausgesagt. Die 30-jährige Medizinstudentin sprach vor dem Landgericht in Schweinfurt davon, dass der Angeklagte, der als Führer der Gemeinschaft gilt, ihr im Frühjahr 2023 auf verschiedene Weise Gewalt zugefügt hätte - unter anderem durch Vergewaltigung, Würgen, Beißen und Schlagen. Sie hätte zeitweise Todesangst gehabt.

Als Motivation dafür, ihre Erlebnisse zu schildern, nannte sie, dass auch andere Mitglieder vergewaltigt worden seien. „Wenn er darin nicht gestoppt wird, dann wird er damit weitermachen“, sagte die junge Frau.

Die Zeugin erzählte über mehrere Stunden teils merkbar aufgeregt von den Strukturen in der Gemeinschaft und der wahrgenommenen Persönlichkeit des Angeklagten, mit dem sie zeitweise in einer Liebesbeziehung und sogar verlobt war. Demnach unterstellte der 42-jährige Angeklagte Mitgliedern seiner Lebensgemeinschaft, von Dämonen besessen zu sein, die ausgetrieben werden müssten. Eingesetzte Methoden waren den Aussagen zufolge Schlafentzug, Drogen und psychische Manipulation.

Die 30-Jährige sprach mehrfach von „vollkommenem Wahnsinn“ und bezeichnete die Gemeinschaft als Kult. „Wir waren alle wie in einem Wahn. Manche sind es immer noch“, sagte die Zeugin.

Die Verteidiger des Angeklagten versuchten, die Aussagen der Zeugin unter anderem dahin gehend zu relativieren, dass sie von sich aus zu härterem Sexphantasien oder gar zu sogenannten Vergewaltigungsphantasien neige und sich selbst manipulativ, gewalttätig und wankelmütig verhalten haben soll. Teils wurde ihr unterstellt, ein Bedrohungsszenario darzustellen, dass es so nicht gebe. Die Zeugin hatte Angst geäußert, dass sie und andere Aussteiger aus der Gemeinschaft inklusive Kindern von Noch-Mitgliedern der Gemeinschaft bedroht werden könnten.

Wie an den bisherigen Verhandlungstagen waren so viele Mitglieder der Gemeinschaft zum Gericht gekommen, dass nicht alle Platz im Sitzungssaal fanden. In der Wohngemeinschaft leben nach deren Angaben ein bis zwei Dutzend Menschen. Anliegen sei, Menschen auf ihrem Weg der Heilung und des Wachstums zu unterstützen und zu begleiten sowie eine Kultur zu schaffen, die auf Liebe ausgerichtet ist.

Im Umfeld der Gemeinschaft soll es bereits zu mehreren Todesfällen gekommen sein, unter anderem durch Suizid und Drogen. Mehrere Personen sind bereits aus der Gemeinschaft ausgestiegen. Laut der Zeugin hätten vor ihr bereits mehrere andere Aussteigerinnen versucht, zusammen mit der Staatsanwaltschaft eine Anklage wegen Gewalt in der Gemeinschaft zu formulieren, was aber bisher gescheitert sei.

Der Angeklagte ist wegen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Ein Urteil wird erst für Ende Juni erwartet.

© dpa-infocom, dpa:240325-99-458956/3

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