Prozess um Augsburger Polizistenmord:Tochter legt Geständnis ab

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Sie soll ihrem Vater jahrelang erlaubt haben, in ihrem Keller Kisten mit Handgranaten und fast 40.000 Euro zu lagern. Vom Inhalt will die 32-Jährige aber nichts gewusst haben - anfangs zumindest. In Augsburg hat der Prozess gegen die Tochter des mutmaßlichen Polizistenmörders Raimund M. begonnen.

Als sie ihre Aussage macht, ist die Tochter des mutmaßlichen Polizistenmörders Raimund M. streckenweise den Tränen nahe. Sieben Monate nach dem Augsburger Polizistenmord hat die Frau am Montag vor dem Augsburger Amtsgericht eingeräumt, jahrelang Kisten ihres Vaters mit Waffen und Geld im Keller deponiert zu haben. Von dem brisanten Inhalt habe sie allerdings erst erfahren, als sie nach dessen Festnahme in die Kisten geschaut habe.

Sind unter anderem wegen unerlaubten Besitzes von Kriegswaffen, Geldwäsche und Hehlerei angeklagt: Michael G. (links) und Nadja M., die Tochter des mutmaßlichen Augsburger Polizistenmörders. (Foto: dapd)

Damals sei sie geschockt gewesen. "Was ist mein Vater - Entschuldigung - für ein Vollidiot, dass er seiner Tochter so etwas in den Keller stellt", sagte die 32-Jährige. Die Polizei verständigte sie aber nicht, stattdessen versteckte sie das Geld in ihrer Küche. "Ich hatte Angst, dass ich belastet werde mit dem Zeug", erklärte sie. Zudem wollte sie ihren Vater nicht belasten.

Die Laborassistentin räumte zudem ein, für Raimund M. zweimal auf ihrer Arbeit Spray gestohlen zu haben, mit dem DNA entfernt werden könne. Sie habe geglaubt, er brauche das Mittel nur zu Reinigung, erklärte sie. Auf ihren Vater sei sie vorher immer stolz gewesen. Sie habe ihn nie in Verdacht gehabt. Bei seiner Verhaftung sei eine Welt für sie zusammengebrochen.

Der Mann ist einer von zwei Tatverdächtigen im Fall des Augsburger Polizistenmordes von Ende Oktober 2011. Der zweite Verdächtige ist der Onkel der Angeklagten. Er saß bereits einmal wegen Mordes an einem Polizisten für mehr als 19 Jahre im Gefängnis. Zu ihrem Onkel habe sie wenig Kontakt gehabt, erklärte die Frau nun.

Die Staatsanwaltschaft wirft der 32-Jährigen Verstöße gegen das Waffengesetz, Geldwäsche, Hehlerei und Begünstigung vor. Jahrelang soll sie ihrem Vater erlaubt haben, in ihrem Keller zwei Metallkisten mit drei Kalaschnikow-Sturmgewehren, drei Pistolen, zwei Revolvern und neun Handgranaten und mehr als 38.000 Euro zu lagern. Das Geld soll aus einem bewaffneten Raubüberfall auf ein Werttransportunternehmen in Augsburg im Jahr 2004 stammen.

"Ich hasse Waffen und Gewalt"

Angeklagt ist auch der ehemalige Lebensgefährte der Frau, sein Anwalt rechnet jedoch mit einem Freispruch. Laut Staatsanwaltschaft wusste der Mann jedoch von den Sachen, in einer der Kisten wurde eine DNA-Spur von ihm gefunden - wie auch von der Ehefrau des vermutlichen Polizistenmörders. Sie ist allerdings nicht angeklagt, sondern verfolgt den Prozess sichtlich angespannt im Zuhörerraum.

Der 31-Jährige bestreitet derweil vor Gericht, den Inhalt der Kisten gekannt zu haben. Nadja M. bestätigte das. Der Mann erklärte, er wisse nicht, wie seine Spuren dorthin kommen. "Ich hasse Waffen und Gewalt, das gibt es bei mir nicht", sagte er.

"Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der so zerstört war wie Nadja in dem Moment als sie von der Verhaftung erfahren hat", erklärte er zudem vor Gericht über seine Ex-Freundin. Als die zierliche Frau das hört, bricht sie in Tränen aus. Sie wirkt sichtlich angespannt und alles andere als abgezockt.

"Gestraft genug mit diesem Vater"

Ist Nadja M. also das Opfer ihres Vaters, der ihren Keller ohne ihr Wissen als Depot für illegale Waffen und gestohlenes Geld benutzte? Oder ist sie eine Mitwisserin, die von der jahrelangen kriminellen Karriere ihres Vaters wusste? Die Staatsanwaltschaft geht von Letzterem aus.

Auch der Vorsitzende Richter wollte der Angeklagten nicht recht glauben. Ihre Aussage ließ zumindest Fragen offen - etwa, ob sie wirklich geglaubt hat, dass ihr Vater das DNA-Spray nur zu Reinigung brauche. Sie habe es für ihn gestohlen, "ohne sich dabei etwas zu denken", sagte sie. "Ab wann denken sie sich eigentlich was?", fragte der Richter verdutzt. Davon, wie das Gericht die Glaubwürdigkeit von Nadja M. bewertet, wird das Urteil abhängen. Ihr Anwalt geht von einer Bewährungsstrafe aus.

Unter den Zuhörern saß an diesem Montag auch Walter Rubach, der Rechtsbeistand der Witwe des getöteten Polizisten. "Die Angeklagte ist schon gestraft genug mit diesem Vater", sagte Rubach. "Er hat bis jetzt keinen Finger gekrümmt zugunsten seiner Tochter oder seiner Frau", berichtete er. "Meine Tochter im Gefängnis schmoren zu lassen, wäre das letzte, was ich machen würde."

Der Prozess gegen die beiden Hauptverdächtigen - die Brüder Raimund M. und Rudi R. - beginnt voraussichtlich im Herbst. Die Ermittlungen gegen die beiden sind noch nicht abgeschlossen. Die in Untersuchungshaft sitzenden Männer sollen in der Nacht zum 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald den 41-jährigen Polizisten Mathias Vieth nach einer Verfolgungsjagd erschossen haben.

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