Prozess wird fortgesetzt:Doppelmord von Höfen: "Fünfzig Mal" gegen den Kopf getreten

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  • Drei Männer sollen aus Geldgier eine Witwe in Höfen im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen überfallen haben. Veronika F. überlebte die brutale Attacke, ihre beiden Hausgäste starben.
  • Seit Ende Juni wird Robert P., 44, dessen Neffe Michal N., 25, und Jakub G., 34, vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II der Prozess gemacht, an diesem Montag wird er fortgesetzt.
  • Die Staatsanwaltschaft legt den Männern unter anderem Mord aus Habgier und Heimtücke zur Last.
  • Mit auf der Anklagebank sitzt zudem Malgorzata L., die Schwester von Robert P. Sie muss sich wegen versuchten Mordes und besonders schweren Raubes verantworten.

Von Andreas Salch, Höfen

An das, was ihr widerfahren ist, kann sie sich nicht mehr erinnern. Veronika F. ( Name geändert) wurde Opfer eines brutalen Raubüberfalls. Einer der Täter soll ihr so lange gegen den Kopf getreten haben, bis sie das Bewusstsein verlor. Das war in der Nacht des 22. Februar 2017, als drei Männer in das Anwesen der 77-Jährigen in Höfen eindrangen, einem Ortsteil der Gemeinde Königsdorf im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen.

Veronika F. hatte gerade zwei Bekannte zu Besuch. Die drei Senioren wurden von den Tätern, von denen zwei mit Totenkopfmasken vermummt waren, im Schlaf überrascht. Die Männer sollen den 81 Jahre alten Johannes S. und die 76-jährige Inge B. auf unvorstellbar brutale Weise ermordet haben. Dass Veronika F. überlebte, grenzt an ein Wunder.

Ein Nachbar der 77-jährigen Witwe, der ahnte, dass etwas nicht stimme im Einfamilienhaus nebenan, alarmierte drei Tage nach der Tat die Polizei. Als Beamte die Haustüre öffneten, bot sich ihnen ein Bild des Schreckens. Der Leiter der Sonderkommission, die die Polizei zur Aufklärung der Morde einsetzte, sprach in einer ersten Reaktion von einem "Gewaltexzess".

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:Die Schreckensnacht von Höfen

Aus Geldgier sollen drei Männer und eine Frau bei einem Überfall zwei Rentner getötet und eine Witwe schwer verletzt haben. Vor dem Landgericht München wird deutlich, mit welcher Brutalität sie vorgingen.

Aus dem Gericht von Andreas Salch

Bei den mutmaßlichen Tätern handelt es sich um drei Männer aus Polen: Robert P., 44, dessen Neffe Michal N., 25 und Jakub G., 34. Seit Ende Juni wird ihnen vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II der Prozess gemacht, an diesem Montag wird er fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft legt ihnen unter anderem Mord aus Habgier und Heimtücke zur Last. Mit auf der Anklagebank sitzt zudem Malgorzata L., die Schwester von Robert P. Sie muss sich wegen versuchten Mordes und besonders schweren Raubes verantworten. Die 50-Jährige soll ihrem Bruder und ihrem Sohn Michal N. den Vorschlag gemacht haben, die Witwe auszurauben.

Malgorzata L. kannte sich aus in dem Haus in Höfen. Im Spätsommer 2016 war sie bei Veronika L. als Pflegekraft angestellt und versorgte deren inzwischen gestorbenen Mann. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Pflegerin bemerkt hatte, dass das Ehepaar Wertgegenstände in seinem Anwesen aufbewahrte. Den Ermittlungen zufolge erbeuteten die Angeklagten einen 500-Gramm- und einen 50-Gramm-Barren Gold, Schmuck, Münzen sowie mindestens 60 000 Euro Bargeld.

Ursprünglich hatte die Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitzenden Richter Thomas Bott für den Prozess 17 Verhandlungstage vorgesehen. Am Donnerstag dieser Woche hätte das Urteil verkündet werden sollen. Doch bereits Anfang August plante die Kammer weitere Termine bis Ende September ein. Nach derzeitigem Stand ist noch völlig offen, ob weitere hinzukommen werden. Denn die Beweisaufnahme gestaltet sich wie ein Puzzlespiel aus Hunderten Spuren und Ermittlungsergebnissen, das die Richter zusammensetzten müssen.

Bislang hat einer der mutmaßlichen Täter ein Geständnis abgelegt: Jakub G. genannt "Kuba". Bevor er und die beiden Mitangeklagten in das Anwesen eingestiegen seien, hätten sie Speed konsumiert - Amphetamine also. Robert P., so sagte Jakub G. aus , soll zu ihm und Michal N. gesagt haben: "Das wird uns Kraft geben und wir werden mehr aufgeputscht sein." Bei den brutalen Übergriffen gegen die Senioren habe er sich zurückgehalten, behauptete G. In der Untersuchungshaft soll er gegenüber einem Mithäftling jedoch eingeräumt haben, er habe "fünfzig Mal" gegen den Kopf des 81-jährigen Johannes S. getreten. Die Polizei fand dessen Leiche im Keller des Hauses. Sie lag neben Veronika F.

Angeklagter schrieb Witwe: Er stehe als Organspender bereit

Die Verteidiger von Robert P., Rechtsanwalt Benjamin Ruhlmann und sein Kollege Hans Schröder, glauben Jakub G. allerdings nicht. Die untergeordnete Rolle, die der 34-Jährige vorgibt, bei der Tat gespielt zu haben, passt ihrer Ansicht nach nicht in das Gesamtbild der Ermittlungen. Vor der Sommerpause hatten die beiden Anwälte angekündigt, erst im Verlauf des Verfahrens eine Erklärung für ihren Mandaten abzugeben, ebenso die Verteidiger von Michal N. und Malgorzata L.

Veronika F. leidet bis heute an den Folgen ihrer schweren Verletzungen. Das Gericht ersparte es ihr, den Angeklagten bei ihrer Aussage ins Gesicht sehen zu müssen. Sie wurde per Videoschaltung vernommen. Dabei wirkte sie gefasst. Äußerlich zumindest. Robert P. hatte der Witwe im Mai einen Brief aus der Untersuchungshaft geschrieben. Veronika F. entrüstete sich bei ihrer Vernehmung darüber und nannte das Schreiben ein "starkes Stück". Falls sie einmal ein Organ brauche, "stehe ich zur Verfügung", hatte Robert P. ihr darin versichert.

Darüberhinaus bat er die 77-Jährige um Verzeihung und nannte das, was ihr und ihren Bekannten widerfahren ist, eine "Tragödie". In der Haft, so P., habe er sein Leben verflucht und Suizid begehen wollen. Doch ihm habe die Kraft gefehlt. Sein Brief an die Witwe endet mit den Worten: "Möge Gott Sie segnen."

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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