Prozess von Ansbach:Täter plante Facharbeit über Amokläufe

Lesezeit: 2 min

Bevor Georg R. seine Bluttat verübte, wollte er sich theoretisch damit auseinandersetzen - doch seine Lehrer lehnten dies ab. Auch der Direktor war informiert.

Hans Holzhaider

Überraschendes Ergebnis der Beweisaufnahme im Prozess um den Amoklauf am Ansbacher Carolinum-Gymnasium: Der Angeklagte Georg R., 19, hat schon vor seiner Tat deutlich zu erkennen gegeben, dass er sich intensiv mit Amokläufen beschäftigt. Ein Lehrer des Carolinums sagte am Dienstag aus, er sei von einer Kollegin angesprochen worden, weil Georg R. eine Facharbeit über Amokläufe schreiben wollte.

Der angeklagte Georg R. bei seiner Verhandlung im mittelfränkischen Ansbach. (Foto: Foto: ddp)

Er sei mit der Kollegin übereingekommen, dass Amokläufe kein geeignetes Thema für eine Facharbeit seien; der Wunsch des Schülers sei abgelehnt worden. Man habe aber auch den Schulleiter von dem Vorgang informiert. Georg R. hatte am 17. September 2009 mit einer Axt, vier Messern und fünf Molotowcocktails bewaffnet Schüler und Lehrer angegriffen und dabei unter anderem eine 15-jährige Schülerin lebensbedrohlich am Kopf verletzt.

Der Prozess gegen Georg R. vor dem Landgericht Ansbach findet nach wie vor unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit statt; Ilonka Mehl, eine Sprecherin des Oberlandesgerichts Nürnberg, unterrichtet die Presse vom Fortgang der Verhandlung. Über den genauen Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte sein Interesse an Amokläufen zu erkennen gab, machte der Zeuge offenbar keine Angaben.

Auch die Lehrerin, die Georg R. zu diesem Zeitpunkt im Fach Deutsch unterrichtete und bei der er das Facharbeitsthema anmeldete, wurde bisher nicht als Zeugin geladen. Der Zeuge ist Oberstufenkoordinator am Carolinum; Klassen mit jeweils eigenem Klassenlehrer gibt es in der Kollegstufe nicht mehr.

Der Zeuge berichtete, er habe Georg R. in der 10. Klasse selbst in Deutsch unterrichtet; schon damals habe Georg R. "sich selbst separiert und sein eigenes Ich gepflegt". Er sei deshalb überrascht gewesen, dass Georg R. sich für die Fahrt seines Leistungskurses nach Rom angemeldet habe. Diese Fahrt hätte an dem Tag beginnen sollen, an dem Georg R. seinen Amoklauf unternahm; in seiner Vernehmung hatte er erklärt, er habe diesen Tag bewusst gewählt, weil er auf keinen Fall an dieser Fahrt habe teilnehmen wollen.

Mehrere Schüler und Lehrer berichteten von ihren Eindrücken vom Tag des Amoklaufs und von den Folgen, unter denen sie zum Teil bis heute zu leiden haben. Die 15-jährige Mareike G. aus der 10 b erinnert sich, dass die Tür des Klassenzimmers aufgerissen wurde und jemand etwas ins Zimmer warf, dass das T-Shirt eines Mitschülers brannte und dass sie aus dem Zimmer lief. Dann setzt ihre Erinnerung erst wieder im Krankenhaus ein.

Georg R. hatte mit der Axt auf ihren Kopf eingeschlagen; Mareikes Mutter berichtete von der unerträglichen Wartezeit, nachdem die Ärzte ihr gesagt hatten, es sehe nicht gut für das Mädchen aus.

Die Schülerin leidet bis heute unter schweren Kopfschmerzen. Eine Lehrerin, die von Georg R. mit einem Molotowcocktail angegriffen wurde, hat noch immer mit Herzklopfen und Schwindelanfällen zu kämpfen; sie sei schreckhaft und nervös, wenn sie jemanden sehe, der dem Angeklagten ähnelt.

© SZ vom 28.4.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: