Prozess:Irrfahrt eines Rolls-Royce

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Das Oldtimer-Modell eines Rolls-Royce ist beim renommierten Auktionshaus Christie's versteigert worden. Aber wer war tatsächlich der Anbieter? Foto: SZ-Grafik (Foto: SZ-Grafik)

Verfahren um Modellauto bringt wegen fehlendem Zeugen noch keine Klarheit

Von Dietrich Mittler, München

Gerichtsverfahren gewinnen in der Regel durch das an Würze, was während der Verhandlung passiert - anders am Mittwochmorgen im Landgericht München I. Im Zivilverfahren Roland S. gegen seinen früheren Arzt Hubert Haderthauer fällt eher auf, was alles nicht passiert. Es fängt damit an, dass Haderthauers Ingolstädter Anwalt Michael R. zu Beginn der Sitzung fehlt. "Sie wissen auch nicht, was mit der Beklagtenseite los ist?", fragt der Vorsitzende Richter Frank Tholl. "Ist vermutlich krank", tönt es von der Klägerbank. In Tholls Augen ist zu lesen: Wie sollen wir dann heute klären, was aus dem wertvollen Modell eines Rolls-Royce, Baujahr 1904, geworden ist? Darum streiten der psychisch kranke Straftäter Roland S. und sein früherer Forensikarzt vor Gericht.

Im selben Augenblick geht die Tür auf, Anwalt R. stürmt herein und huscht mit behänder Routine in seine Anwaltsrobe. Der Mann wirkt so kein bisschen leidend oder gar krank: kein Arzt, der ihn begleitet, kein Stock, auf den sich Michael R. stützen müsste - nichts. Und das wiederum versetzt den Anwalt von Roland S. sowie etliche Gerichtsbesucher ins Staunen: Beim Auftakt des Strafprozesses gegen den derzeit vom Dienst suspendierten Ingolstädter Landgerichtsarzt Hubert Haderthauer wegen Betrugs und Steuerhinterziehung hätte Michael R. ebenfalls erscheinen sollen, als Mitangeklagter. Tat er aber nicht, Begründung: Er sei so schwer am Herzen erkrankt, dass jede Stressbelastung "lebensbedrohlich" sein könnte. Die eigens vorher angefragten Rettungskräfte konnten wieder gehen.

Das wertvolle Oldtimer-Modell war vom Straftäter Roland S. im Gefängnis gebaut worden

Dramen dieser Art bleiben am Mittwoch aus - und es passiert auch sonst weiter nichts. Der Zeuge, der Klarheit hätte geben können, was mit dem Miniaturfahrzeug passiert ist, kommt nicht. Es handelt sich dabei um den in Großbritannien lebenden Eigentümer der Firma "World Collector", die für betuchte Sammler wertvolle Stücke ausfindig macht. Und dazu gehörte der von Roland S. hergestellte Rolls-Royce allemal. Der ist nicht nur ein Einzelstück, sondern auch hergestellt in makelloser Perfektion. Jedes Detail, seien es die echten Ledersitze, sei es die Motorhaube oder die gülden glänzende Handbremse, alles gleicht dem Original - nur eben im Maßstab eins zu acht.

"Ist der Zeuge da?", fragt Richter Tholl, und schiebt stoisch nach: "Wenn nicht, dann geht es jetzt ganz schnell." Er schlägt vor, im April wieder zusammen zu kommen. Dem Zeugen werde eine weitere Ladung zugeschickt, dieses Mal aber eine, bei der sichergestellt ist, dass er sie auch bekommt. Dann ist die Verhandlung nach gut 20 Minuten schon wieder vorbei. Anwalt Michael R. verlässt den Saal ebenso flink, wie er gekommen ist - rasch genug, um Journalistenfragen zu entkommen, wie es denn nun um sein eigenes Strafverfahren und seine Gesundheit steht.

Roland S. dürfte der Aufschub wenig ausmachen. Er saß bereits seit Jahrzehnten in den Bezirkskrankenhäusern Ansbach und Straubing hinter Gittern, weil er drei Menschen getötet hat. Seine Perspektive demnächst entlassen zu werden, ist eher gering. Roland S. hat im Rahmen der Arbeitstherapie in der Forensik viele Modellautos konstruiert, die Hubert Haderthauer wiederum bis 2008 über die Firma "Sapor Modelltechnik" in alle Welt verkauft hat. Mit dem Rolls-Royce aber hätte das - zumindest aus Sicht von Roland S. - nie passieren dürfen. Dies war sein allererstes Modell, das er nach der ersten Tat während der Haftzeit in Freiburg gebaut hatte.

Dieses Modell hat S. dann seinem damaligen Arzt zur Sicherheit überlassen, wie es 1989 festgehalten wurde. Roland S. habe das als "Kaufvertrag" deklarierte Schreiben nur deshalb unterschrieben, um das drohende Scheitern des Modellbau-Projektes zu verhindern. Denn sonst hätte er, wie viele seiner Mitpatienten, Tüten kleben müssen. Dabei setzte Roland S. auf Hubert Haderthauer, der das für den Modellbau notwendige Kapital beschaffen sollte. Haderthauer wiederum betont, diese Darstellung sei falsch. Kaufvertrag sei Kaufvertrag, das Auto gehöre ihm. Ermittlungen der Staatsanwalt München II ergaben erst kürzlich, wo der Rolls-Royce zunächst landete: in England. Aber für wie viel Geld genau? Auch Richter Tholl hätte das gerne gewusst. "Ich habe schon gehofft, dass wir heute ein Stückchen weiter kommen würden", sagt er.

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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