Prozess in Regensburg:Anti-Nazi-Verein darf Preisgeld behalten

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Der Regensburger Verein "Keine Bedienung für Nazis" darf das Geld aus verschiedenen Ehrungen behalten. Die Klage eines ehemaligen Mitstreiters wurde abgewiesen. Fraglich ist jedoch, ob damit der Konflikt zwischen den früheren Partnern beendet ist.

Von Wolfgang Wittl, Regensburg

Im Vergleich zur ersten Verhandlung ist der Saal E 02 im Regensburger Landgericht diesmal ziemlich leer. Keine Anwälte, kein Kläger, nur der Beklagte Ludwig Simek ist am Mittwoch gekommen. Minuten später ist klar, dass sich sein Besuch gelohnt hat: Das Gericht gibt ihm in allen Punkten recht, die Klage gegen Simek wird abgewiesen, die Verfahrenskosten werden seinem früheren Mitstreiter Sion Israel auferlegt. Das bedeutet: Der bundesweit beachtete Verein "Keine Bedienung für Nazis" (KBfN) darf das Geld behalten, das er - damals noch als lose Vereinigung - bei verschiedenen Ehrungen verliehen bekommen hat. Ob damit nun Ruhe einkehrt, ist eine andere Frage.

Denn die knapp 12 000 Euro, über die das Gericht entschieden hat, waren nur der offizielle Teil dieser Verhandlung: Insgeheim ging es um verletzte Eitelkeiten, um Machtansprüche, um Deutungshoheit.

Streit unter den ehemaligen Partnern

Die Partner von einst sind längst zu Gegnern geworden - mit ungleich verteilter Anhängerschaft: auf der einen Seite Sion Israel und eine schwer definierbare Gruppe neuer Begleiter, auf der anderen im Grunde all diejenigen, die das Projekt von Anfang an unterstützten, nachdem sich im Juni 2010 jener Vorfall ereignet hatte: Ein Barkeeper des Cafés, das Israels Frau gehört, hatte sich schützend vor eine dunkelhäutige Frau und deren Kind gestellt, die von Neonazis attackiert wurden. Zwei Wochen später wurde er dafür selbst verprügelt, Teile des Cafés zerstört. Als Reaktion darauf gründet sich die Initiative "Keine Bedienung für Nazis", in der Wirte öffentlich Flagge zeigen gegen rechte Hohlköpfe.

"Keine Bedienung für Nazis"
:Lutherpreis für Anti-Nazi-Initiative

Das Geheimnis ist gelüftet, die Luther-Städte sind sich einig: Mit dem Preis "Das unerschrockene Wort" 2013 soll ein Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt werden. Er geht nach Regensburg.

Zu den führenden Figuren des Bündnisses zählen bald Helga Hanusa von der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus und der politisch engagierte Simek. Die Regensburger Initiative findet in ganz Deutschland Nachahmer, wird vor der regierungskritischen russischen Band Pussy Riot mit dem 10 000 Euro dotierten Lutherpreis ausgezeichnet, erhält von der bayerischen SPD den Josef-Felder-Preis für Zivilcourage und weitere 1500 Euro.

Streit um Verteilung des Preisgeldes

Kurz darauf kommt es zum Zerwürfnis. Um die Arbeit besser vorantreiben zu können, entschließen sich Simek, Hanusa und viele andere Unterstützer im Herbst 2013 nach mehrheitlichem Beschluss, aus der Initiative einen Verein zu machen. Das Preisgeld wird als Kapital überführt. Israel wirft den anderen fortan Profilierungssucht vor, erhebt mitunter schwer nachvollziehbare Vorwürfe, gründet eine Initiative gleichen Namens. Im Verein zeigt man sich irritiert, nicht zum ersten Mal. Schon vorher soll Israel gefordert haben, das Preisgeld auf einzelne Personen zu verteilen, obwohl er, wie einige behaupten, kaum mitgearbeitet habe.

Er wisse bis heute nicht, was "den Sion geritten" habe, sagt der Vorsitzende Ludwig Simek. Von nun an gibt es KBfN jedenfalls in doppelter Ausfertigung sowie mit nahezu identischen Internetauftritten: als Verein mit der Mehrzahl der ursprünglichen Förderer, zudem als Initiative um Israel und seine Freunde. Als Israel vergebens die Herausgabe des Preisgeldes verlangt, zieht er gegen Simek vor Gericht.

Israels Argument, der Lutherpreis sei an den Barkeeper sowie seine Frau als Inhaberin des Cafés verliehen worden (beide haben ihre Ansprüche an Israel abgetreten), weist Richter Matthias Clausing zurück. Aus der Urkunde gehe klar hervor, dass der Preis und damit das Geld "nicht an Einzelpersonen" gehen sollte. Israel habe aber als Person gegen Simek geklagt, nicht die Initiative gegen den Verein. Ein angebliches Auftragsverhältnis, das Israel zwischen sich und Simek geltend macht, sei laut Gericht "an den Haaren herbeigezogen".

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Weitere rechtliche Schritte noch möglich

Simek nimmt die Entscheidung mit Erleichterung zur Kenntnis. "Wir freuen uns, dass wir uns jetzt mit freiem Blick mit unserer Arbeit beschäftigen können", sagt er. Der Streit habe viel Kraft und Zeit gekostet. Eine Aussöhnung mit Sion Israel könne er sich im Moment nur schwer vorstellen, nicht nur wegen persönlicher Angriffe und einer medialen Kampagne gegen ihn, sondern weil am Verein stets etwas von dieser Geschichte hängen bleiben werde. Sion Israel habe "so viel kaputt gemacht".

Ob juristisch nun alles geklärt sei, könne er angesichts der Hartnäckigkeit Israels nicht beurteilen, sagt Simek noch. Dieser lässt tatsächlich offen, ob er sich weitere rechtliche Schritte vorbehält. Er wolle erst die schriftliche Begründung abwarten und sich mit Freunden seiner Initiative beraten, sagt Israel. Und dass es ihm nie persönlich ums Geld gegangen sei, sonst hätte er die Gruppe bei früheren Treffen kaum gratis im Café seiner Frau bewirtet. Wäre ihm das Preisgeld zugesprochen worden, hätte er es für seine Bürgerinitiative verwendet. Dass diese parallel zum Verein weitermachen werde, darauf könne man sich "hundertprozentig" verlassen.

© SZ vom 13.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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