Prozess in Nürnberg:Rechtsanwalt soll auf Autos gefeuert haben

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  • Ein Rechtsanwalt steht in Nürnberg vor Gericht, weil er aus seinem Wohnungsfenster auf Autos geschossen haben soll.
  • Der Jurist hat die Schüsse eingeräumt, bestreitet aber eine Tötungsabsicht.
  • Der Mann soll schon seit etlichen Jahren seine Affinität zu Schusswaffen privat ausgelebt haben.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Am Ende war es ein Spaziergänger, der die Ermittler auf die richtige Spur brachte. Wochenlang hatten Fahnder im Herbst 2014 nach einem Heckenschützen gesucht, der im Nürnberger Stadtteil Röthenbach offenbar wahllos auf Fahrzeuge ballerte, die auf der Südwesttangente unterwegs waren. Die Tangente ist eine Art Nürnberger Stadtautobahn, der Schock der Autofahrer war entsprechend groß. Bis ein Spaziergänger dort Schüsse hörte und seine Schilderung die Ermittler zu einem Reihenhaus in der Nähe der Tangente führte.

Festgenommen wurde ein festangestellter Rechtsanwalt, der die Schüsse mit einem Druckluftgewehr den Ermittlern gegenüber inzwischen eingeräumt hat, eine Tötungsabsicht aber bestreitet. An diesem Mittwoch muss er sich vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht Nürnberg unter anderem wegen versuchten Mordes in drei Fällen verantworten.

Nichtsahnende Autofahrer im Visier

Das erste Opfer des mutmaßlichen Heckenschützen war laut Anklage eine Frau, die am 4. November 2014 einen Auffahrunfall auf der Tangente verursacht und ihren Wagen danach am Fahrbandrand abgestellt hatte. In der Abenddämmerung soll der heute 50-Jährige zwei Bleigeschosse auf den Renault der Fahrerin abgefeuert haben, eines schlug in der Tür der Beifahrerseite ein, das andere am Fensterrahmen der hinteren Tür. Während der Anwalt aus dem Fenster des Ankleidezimmers seiner Wohnung geballert haben soll, stand die Frau etwa hundert Meter weit entfernt an ihrem Fahrzeug in der Dämmerung. Der Anwalt habe es, so die Anklage, billigend in Kauf genommen, mit den Schüssen Menschen zu treffen und tödlich zu verletzen.

Sechs Tage später feuerte der Mann der Staatsanwaltschaft zufolge gegen 20.35 Uhr auf den Golf eines Nürnberger Fahrlehrers, der mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 in Richtung Hafen unterwegs war. Das Geschoss aus Blei traf den Wagen ungefähr 20 Zentimeter unterhalb der Fensterscheibe, drang aber glücklicherweise nicht ins Innere des Autos ein. Der Anwalt habe in Kauf genommen, dass der getroffene Wagen von der Fahrbahn abkommen und der Fahrer dabei tödlich verunglücken hätte können, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Wohl auch seiner berufsbedingten Routine als Fahrlehrer habe es der Mann zu verdanken, dass er die Kontrolle über seinen Wagen nicht verloren und am Ende eines Beschleunigungsstreifens habe anhalten können. Kurz nachdem die Polizei die Einschussstelle, vier Zentimeter breit, fast acht Zentimeter tief, in der Beifahrertür des Wagens entdeckt hatte, meldete sich der Spaziergänger. Er hatte verdächtige Geräusche gehört.

Warum der Anwalt aus seiner Wohnung geschossen hat, wird eine zentrale Frage des Prozesses sein. Die Anklage geht davon aus, dass ihm die Schießübungen in seinem etwa zehn Meter langen Hausflur keine ausreichende Befriedigung mehr verschafft hätten. Der bei einem Nürnberger Versicherungsunternehmen beschäftigte Jurist soll demnach schon seit etlichen Jahren seine Affinität zu Schusswaffen privat ausgelebt haben; dies auch in der erst im Juni 2014 angemieteten Wohnung an der Südwesttangente, während seine Lebensgefährtin in der Wohnung war.

Waffen aus der Wohnung geschafft

Zunächst ballerte er mit Waffen, für die es keine Genehmigung braucht, auf einen selbst hergestellten Schussfang im Flur. Später habe er sich via Internet schwerere Waffen beschafft, für die er keine Genehmigung besaß, und damit auf Ziele außerhalb der Wohnung geballert. Der Anwalt soll die Waffe dazu auf einen Kleiderständer aufgelegt und insgesamt mindestens 60 Geschosse aus dem Fenster des Ankleidezimmers abgegeben haben. Zunächst habe er die Waffe offenbar eingeschossen und dabei auf einen Kilometermarkierungsstein am Rhein-Main-Donau-Kanal gezielt. Nachdem die Polizei nach dem Schützen fahndete, soll er vom Balkon der Wohnung aus in die andere Richtung geballert haben, auf Verkehrsschilder und ein parkendes Auto. Als der Fahndungsdruck stieg, soll der Anwalt mehrere Waffen aus seiner Wohnung geschafft und zu einer Freundin seiner Partnerin gebracht haben.

Der Anwalt des Angeklagten, Harald Straßner, betont, sein Mandant habe lediglich zugegeben, Schüsse abgegeben zu haben. Ob die Treffer an den beiden Autos vom Angeklagten stammten, sei dagegen offen. Eine Tötungsabsicht bestreite sein Mandant vehement. Der 50-Jährige, über den ein psychiatrisches Gutachten erstellt worden ist, habe weder Probleme in der Arbeit noch private Schwierigkeiten gehabt. Für den Prozess am Schwurgericht sind zehn Verhandlungstage anberaumt, das Urteil soll voraussichtlich Mitte Oktober gesprochen werden.

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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