Prozess:Haft auf Bewährung für Landtags-Politiker Pohl

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Vor Gericht zog es Bernhard Pohl zunächst vor, sich nicht zu äußern. Er überließ das seinem Anwalt. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Abgeordneter wird wegen Trunkenheit am Steuer zu sechs Monaten Haft verurteilt. Es ist die vierte Verurteilung des Anwalts. Freie-Wähler-Chef Aiwanger hofft trotzdem, dass er sich wieder in die Fraktion einbringt

Von Daniela Kuhr, München

Gerade mal eine halbe Stunde hat Richter Gerd Schmitz für diesen Strafprozess anberaumt. Wenn es nach dem erfahrenen Juristen mit dem weißen Haarkranz und der unauffälligen Brille geht, soll alles schnell und unspektakulär ablaufen. Doch der Plan geht nicht auf. Schon 30 Minuten, bevor das Verfahren losgeht, sind die 36 Plätze im Zuschauerraum fast vollständig besetzt. Dabei geht es um eine Trunkenheitsfahrt - was für Amtsrichter eigentlich Routine ist. Doch in diesem Fall muss sich nicht irgendwer vor Gericht verantworten, sondern Bernhard Pohl, ein Abgeordneter, der seit 2008 für die Freien Wähler im Landtag sitzt und der gerade deshalb eine besondere Vorbildfunktion hat. Die er aber, wie der Staatsanwalt später in seinem Schlussplädoyer ausführen wird, leider schwer verletzt habe.

Fast könnte man sagen, Pohl habe Pech gehabt. Aus der Anklage geht hervor, dass er am 22. Juli nach dem Sommerempfang des Landtags auf Schloss Schleißheim den letzten Shuttle-Bus verpasst hatte, der ihn zurück nach München bringen sollte. Deshalb entschloss er sich, entgegen seinem ursprünglichen Vorsatz, sich doch selbst hinters Steuer zu setzen. Auf der Prinzregentenstraße geriet er prompt in eine Verkehrskontrolle. Als die Beamten ihm bedeuteten auszusteigen, musste er sich an der Autotür festhalten, weil er so stark schwankte. Auch danach verhinderte er nur "mit einem Ausfallschritt", dass er das Gleichgewicht verlor. Die Blutprobe ergab, dass er mit 1,29 Promille unterwegs war. Ab 1,1 Promille gilt man als "absolut fahruntüchtig" - womit es sich nicht mehr um eine Ordnungswidrigkeit handelt, sondern um eine Straftat.

Trotzdem hätte die Sache für Pohl noch glimpflich ausgehen können. Normalerweise bekommt man in so einem Fall einen Strafbefehl und gut ist. Doch bei Pohl ist nur wenig normal. Bereits drei Eintragungen standen zu dem Zeitpunkt in seinem Strafregister. So war er 2006 in einen Unfall verwickelt, bei dem ein Mann starb. Pohl wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. 2011 hatte er versucht, sich bei einem Bußgeldverfahren aus der Affäre zu ziehen, indem er behauptete, ein anderer sei gefahren. Pohl wurde wegen falscher Verdächtigung verurteilt. Und 2013 schließlich wurde er wegen Nötigung und versuchter Nötigung verurteilt. Was man bei all dem wissen muss: Der 51-Jährige hochgewachsene Mann ist nicht nur Abgeordneter, sondern auch Rechtsanwalt.

Am Donnerstag vor Gericht zieht Pohl es zunächst vor, sich nicht selbst zu äußern. Stattdessen überlässt er seinem Anwalt, mitzuteilen, dass er den Sachverhalt, wie er in der Anklage stehe, "ohne Wenn und Aber" einräume, sagt Robert Chasklowicz. "Richtig, Herr Pohl?" Er blickt seinen Mandanten an. "Ja", sagt Pohl kurz. Dann schildert Chasklowicz, wie sehr der Abgeordnete den Vorfall bedauere und was er nicht alles seither getan habe, um das zu zeigen. So habe Pohl kurz nach der Fahrt, als das Ergebnis der Blutprobe noch gar nicht vorlag, von sich aus für drei Jahre auf seine Fahrerlaubnis verzichtet. "Ich mache den Beruf seit 30 Jahren", sagt der Anwalt. "Das habe ich noch nicht erlebt." Zudem mache Pohl seit September bei einem Diplompsychologen eine "Verkehrstherapie", damit es "zu einem derartigen oder ähnlichen Vorfall mit Zuverlässigkeit nicht mehr kommen kann". Bei diesen Worten nickt Pohl unmerklich. Und schließlich erwähnt der Anwalt noch den "außergewöhnlichen medialen Rummel", unter dem sein Mandant in den vergangenen Monaten zu leiden hatte. Im Allgäu, wo Pohl herkommt, sei der Fall fast täglich in der Presse und im Radio gewesen. Ob Staatsanwalt und Richter sich davon beeindrucken lassen, geben sie nicht zu erkennen. Beide sitzen reglos da und hören zu. Als Chasklowicz fertig ist, fragt der Richter den Angeklagten, ob er noch etwas sagen wolle. Pohl erhebt sich, holt tief Luft und beginnt: "Ich würde viel darum geben, das Geschehene ungeschehen zu machen", sagt er mit anfangs nicht ganz fester Stimme. "Es ist ein einmaliges, schlimmes Erlebnis, für das ich verantwortlich war." Doch er habe nicht Pech gehabt, sondern viel Glück, dass es in der Nacht nicht zu einem schlimmeren Vorfall gekommen sei. "Es hätte ja auch was passieren können."

So ein Vorfall werde sich nie mehr wiederholen, sagt Pohl und setzt sich. Der Richter blickt ihn kurz an und beginnt, sich Notizen zu machen. Zwei, drei lange Minuten herrscht Schweigen im Saal - bis sich Schmitz erhebt und "im Namen des Volkes" folgendes Urteil verkündet: Pohl wird zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt werden. Zudem muss er 15 000 Euro zahlen. Für die kommenden zwei Jahre darf ihm die Fahrerlaubnis nicht wieder erteilt werden. Bei dem Urteil habe er einerseits das Geständnis von Pohl berücksichtigt, andererseits die "nicht unerheblichen Voreintragungen im Bundeszentralregister".

Draußen vor dem Gerichtssaal wird Pohl gefragt, was das Urteil für seine politische Arbeit bedeute. "Herr Pohl möchte sich dazu nicht äußern", sagt Chasklowicz schnell. Bis zum Bekanntwerden seiner Trunkenheitsfahrt war Pohl Fraktionsvize der Freien Wähler und Vorsitzender des FW-Bezirks Schwaben. Inzwischen lässt er diese Ämter ruhen. Zumindest Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger scheint Pohl nichts nachzutragen. Er sei ja Haushalts- und Finanzpolitiker, sagt Aiwanger auf Anfrage. "Ich wünsche mir, dass er sich da jetzt in der Fraktion wieder einbringt." Ob Pohl auch wieder Fraktionsvize werde, bezweifelt Aiwanger indes. Das werde sich im Februar zeigen, wenn die nächsten Wahlen anstünden, sagt er nur.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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