Informationstechnologie:Datenschützer: Bayern soll Test von Polizei-Software stoppen

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In einer grafischen Darstellung werden auf einem Monitor die Einsatzorte einer Kreditkarte (Nummer verfremdet) angezeigt. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Mit einer neuen Analyse-Software will Bayern schwere Verbrechen bekämpfen. Das nötige Gesetz fehlt noch - aber das umstrittene Programm wird schon mit echten Daten getestet. Kommt jetzt der Stopp vor dem eigentlichen Start?

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München (dpa/lby) - Bayerns Datenschutzbeauftragter hat das Landeskriminalamt (LKA) aufgefordert, den Test der umstrittenen Polizei-Software VeRA mit echten Daten von Menschen zu stoppen. Die Polizei dürfe „nicht im Vorgriff auf eine möglicherweise kommende (oder auch nicht kommende!) gesetzliche Verarbeitungsbefugnis beginnen, eine Anwendung mithilfe von personenbezogenen Daten zu testen“, forderte Thomas Petri am Freitag in München. Er habe er das LKA aufgefordert, den Testbetrieb zu stoppen. Dieser Forderung muss das LKA aber nicht nachkommen. Zuvor hatte der Bayerische Rundfunk berichtet.

Das bayerische Innenministerium teilte am Freitag mit, man prüfe Petris Schreiben. Danach werde über das weitere Vorgehen entschieden. Obwohl die für den Einsatz der Software geplante Änderung des Polizeiaufgabengesetzes noch aussteht, sei der Test mit echten Daten in Ordnung. Die Ergebnisse würden nicht für polizeiliche Zwecke genutzt, sondern nur zur internen technischen Prüfung der Anwendung.

„In dieser Testphase werden keine quellübergreifenden Recherchen und Analysen vorgenommen“, sagte ein Ministeriumssprecher. Es gehe vielmehr darum, ob die Übermittlung von Daten aus verschiedenen Polizei-Quellen an des neue Programm funktioniere. Diese Tests mit Daten von echten Menschen seien „für einen zukünftigen zuverlässigen Betrieb unabdingbar“.

Der Entwurf für die geplante Gesetzesänderung sei in den letzten Abstimmungen, müsse aber noch mit den Freien Wählern abgesprochen werden, hieß es Mitte Januar aus dem CSU-geführten Innenministerium. Bis dahin reiche das bayerische Datenschutzgesetz als Rechtsgrundlage für den Test aus.

Scharfe Kritik aus der Opposition

Scharfe Kritik kam auch aus den Reihen der Opposition im Landtag. „An diesem Fall sieht man, wie wenig Bürgerrechte wert sind, wenn die CSU regiert“, sagte Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Schulze am Freitag. Es gehe um einen „alarmierenden Datenschutzskandal“. Für die umfassende polizeiliche Analyse persönlicher Daten brauche es eine eigene Gesetzesgrundlage. „Alles andere ist verboten“, sagte Schultze.

Der SPD-Abgeordnete Horst Arnold forderte einen Stopp des Testbetriebs. „Spätestens jetzt muss dem LKA endgültig klar sein, dass es auch der eigenen Sache nichts nützt, durch abenteuerliche juristische Hilfskonstruktionen und Ausreden, Datenschutzrecht zu bagatellisieren“, sagte der rechtspolitische Sprecher SPD-Fraktion im Landtag. Dass es für den Test bisher keine Rechtsgrundlage gebe, sei ein „klares politisches Versagen der Staatsregierung“.

Hersteller des Programms umstritten

Die Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform (VeRA) soll den bayerischen Ermittlern helfen, bei schweren Verbrechen verschiedene Datentöpfe der Polizei gleichzeitig auszulesen und Verknüpfungen herzustellen. In Hessen und Nordrhein-Westfalen sind ähnliche Programme der US-Firma Palantir schon im Einsatz.

Das Bundesinnenministerium hatte eine Verwendung in Bundesbehörden im Sommer ebenso wie andere Länder abgelehnt - trotz entsprechender Kaufoption. Kritiker werfen Palantir eine zu große Nähe zu US-Geheimdiensten vor und befürchten, dass sensible Daten abgezweigt werden könnten. Eine Überprüfung des Quellcodes der Software für das bayerische LKA blieb aber unauffällig.

LKA: Datenschützer wusste schon seit März von Tests

Über den darauf folgenden Testbetrieb mit echten Daten in Bayern war Petri nach Angaben des bayerischen Innenministeriums schon zu Beginn im März 2023 „in einem persönlichen Gespräch“ informiert worden. Ein LKA-Sprecher betonte im November, die Behörde habe Petri damals auch angeboten, eine datenschutzrechtliche Dokumentation zu übermitteln. Petri habe diese aber erst am 24. November angefordert.

Petri sagte damals auf Nachfrage, er wolle „nicht völlig ausschließen, dass der LKA-Präsident in einem persönlichen Gespräch mit mir den vom LKA geplanten Testbetrieb erwähnt hat“. Aussagekräftige Unterlagen hätten ihm aber nicht vorgelegen. Vom konkreten Testbetrieb mit „Echtdaten“ habe er erst im November vom BR erfahren und eine Prüfung eingeleitet.

© dpa-infocom, dpa:240126-99-762435/3

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