Polizei:Abschied von der Modesünde

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Die Uniformen in Grün-Beige sind ein Auslaufmodell, von Ende 2016 an tragen Bayerns Polizisten Blau. 33 000 Gesetzeshüter müssen neu eingekleidet werden

Von Anna Günther, München

Bayerns Polizisten haben sich entschieden: Grün und Beige sind auch im Freistaat Geschichte. Sie werden von Ende 2016 an Blau tragen. Acht Monate lang probierten 500 Beamte die Uniformen aus Österreich und Baden-Württemberg aus. Sie füllten Fragebögen zu Qualität und Komfort aus, bewerteten Alltagstauglichkeit und Optik. Am Mittwoch präsentierte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Innenausschuss des Landtags das Ergebnis der Abstimmung. 84 Prozent der 27 500 bayerischen Polizeibeamten hatten mitgemacht, zwei Drittel von ihnen wählten die blaue Uniform. Auch mehr als die Hälfte der Justizbeamten entschied sich für Blau. Somit müssen 33 000 Gesetzeshüter neu eingekleidet werden.

Blau an sich werden nicht nur Mode-affine als großen und überfälligen Fortschritt empfinden. Anders als grün-beige schmeichelt die Farbe dem Teint und der Figur. Bedauerlich ist allerdings, dass die Dienstkleidung der italienischen Carabinieri nicht mehr zur Debatte stand, gilt diese doch als eine der attraktivsten Uniformen Europas. Deren Coolness-Faktor wurde nicht zuletzt mit dem James-Bond-Film "Ein Quantum Trost" (2008) in die Welt getragen. Die bayerischen Polizisten hatten im vergangenen Jahr sogar die Wahl, das Innenministerium stellte die Bekleidung aller anderen Bundesländer und die der Nachbarländer vor. Österreich war der Favorit, dann folgte etwas abgeschlagen die Uniform der Baden-Württemberger. Entsprechend gingen die beiden in die Probephase, die österreichische Version überzeugte.

Barbara Mungenast entwarf 2004 die Dienstkleidung der österreichischen Polizei und soll nun auch das bayerische Modell designen. Die Kollektion der südlichen Nachbarn ist die Grundlage für Bayern. Aber an den Details muss noch gefeilt werden. Die Änderungen betreffen Kleinigkeiten wie den Schnitt von Hosentaschen, die Farbe des Ripsbandes am Hosenbein oder den Kragen. "Es geht aber auch um entscheidende Aspekte wie einen verbesserten Zugriff zu wichtigen Einsatzmitteln am Gürtel", sagte Innenminister Herrmann. Farbe sei weniger wichtig als Funktionalität.

Um sich von den Österreichern abzusetzen, sollen Mungenast und die mit dem Projekt betraute Arbeitsgruppe "Neue Dienstkleidung der Bayerischen Polizei" noch an der "Bajuwarisierung" von Schriftzügen, Schulterklappen oder Hoheitszeichen feilen. Was genau verändert und bestellt wird, muss sich noch zeigen. Denn erst in wenigen Tagen endet die Versuchsphase der 500 Probanden. Bis alle Fragebögen zu den Kleidungsstücken ausgewertet sind, werden Wochen vergehen.

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(Foto: dpa)

Während Polizisten in ganz Deutschland inzwischen in blau unterwegs sind, hielten die Beamten im Freistaat lange an ihren Uniformen in "Förster-Grün" fest. Seit den Siebzigerjahren tragen sie grün-beige. 56,9 Prozent der Befragten sprachen sich in einer Umfrage der Gewerkschaft der Polizei (GdP) vergangenes Jahr für die jetzige Uniformfarbe aus. Kritik gab es dagegen am Schnitt der alten Uniformn - der sei antiquiert und der Stoff zu fest.

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(Foto: N/A)

Seit August 2014 testeten die bayerischen Polizisten eine neue Uniformkollektion. Im Vorfeld fand eine aufwändige Vorauswahl statt: Die bayerischen Polizisten durften aus dem Uniformsortiment aller deutschen Bundesländer, der Bundespolizei und der Staaten Österreich, Italien und Schweiz wählen. Die meisten der befragten Beamten sprachen sich für das österreichische Modell aus (im Bild).

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(Foto: N/A)

Die Uniform der Polizisten aus Baden-Württemberg landete bei der Vorauswahl auf Platz zwei. Die Polizistin auf dem Foto trägt ein baden-württembergisches Modell für den Innendienst. Auf den baden-württembergischen Mützen ist das bayerische Wappen angebracht worden. Dafür musste der Staufenlöwe weichen. Neben der Funktionalität hat auch ein frauenfreundlicher Schnitt bei der Auswahl eine große Rolle gespielt. Beamtinnen klagen oft, dass ihrer Uniform nicht richtig passe.

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(Foto: N/A)

Ist das noch eine Uniform oder schon ein modischer Parka? Auch der schlechte Tragekomfort und die fehlende Atmungsaktivität ihrer Dienstkleidung ist schon seit Jahren für viele bayerische Polizisten in Uniform ein Ärgernis.

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(Foto: N/A)

Um die Frage, ob Bayern weiter eine grün-beige Insel im einheitlich polizeiblauen Europa bleiben soll, ging es bei dem Test nicht. Erst einmal sollen sich die bayerischen Polizisten für den idealen Schnitt entscheiden. 50 000 Euro hatte Innenminister Joachim Herrmann für den großangelegten Trageversuch zur Verfügung gestellt.

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(Foto: N/A)

Bis zum Frühjahr 2015 wurden die Uniformen sowohl bei Sommerhitze als auch bei Eis und Schnee getestet. Nun ist die Entscheidung über die Farbe der bayerischen Polizei gefallen. Ab 2016 sollen die gut 27 000 bayerischen Beamten neu ausgestattet werden - in blau.

Dass es Blau wurde, sei besonders für die geplante Werbekampagne der bayerischen Polizei positiv, sagt Rainer Nachtigall, stellvertretender Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Bayern. Mit der Werbeoffensive sollen Schüler für den Job begeistert werden. Eine Umfrage hatte ergeben, dass Jugendliche Grün-Beige eher als Abtörner empfinden.

Bayern ist das letzte Bundesland, das blaue Uniformen einführt. Die Prioritäten lagen anderswo, heißt es aus dem Ministerium. Seit 1972 blieb das Design nahezu unverändert. Frauen tragen noch immer Männerhosen und Hemden - schmeichelhaft sieht anders aus. Das soll sich jetzt ändern: die Blusen werden tailliert, die Hosen nicht mehr so sackartig. Sogar über Dienströcke für Polizistinnen wird nachgedacht, bisher gibt es die nur für Justizbeamtinnen. "Damals hat man halt nicht gedacht, dass es mal Polizistinnen in Uniformen geben könnte", sagt Ministeriumssprecher Michael Siefener.

Dass Bayern gewartet hat, sieht er qua Amt als Vorteil. So könne der Freistaat von den Erfahrungen der anderen profitieren. Auch finanziell wirke sich das Zögern positiv aus. 33 Millionen Euro dürfte die Einführung der neuen Uniform kosten, hinzu kommt die sukzessive Umlackierung von Autos, Motorrädern und Hubschraubern. Organisiert werden Ausschreibung und Vertrieb der Uniform von einem Unternehmen des Landes Niedersachsen, das sich seit zehn Jahren auch um die Lieferung der Uniformen der Polizei in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern kümmert.

Der bayerische Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft ist über diese Entscheidung eher unglücklich. "Wir hatten gehofft, eine eigene bayerische Produktion aufbauen zu können", sagt der Vize-Vorsitzende Nachtigall. Gerade im Zuge der Behördenverlagerung hätte sich aus Sicht der Gewerkschaft ein Logistikzentrum in der Textilregion Oberfranken angeboten. Als landeseigener Betrieb könnte die Uniform über Steuerabschläge günstiger werden als jetzt. Polizisten bekommen einen Bekleidungszuschuss von 22,50 Euro im Monat, allein die Erstausstattung kostet 1000 Euro. Zwar finanziert der Freistaat diese vor, möglicherweise müssen sich die Beamten jedoch daran beteiligen. "Aber wir werden uns weiter für ein eigenes bayerisches Logistikzentrum einsetzen", sagt Nachtigall, letztlich gehe es ja ums Geld der Kollegen.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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