Politischer Gillamoos:Beliebt wie ein Hagelsturm im Sommer

Auf dem Gillamoos-Volksfest bekommt Bundesverkehrsminister Dobrindt seine Maut-Pläne von politischen Gegnern um die Ohren gehauen. Auch Ministerpräsident Seehofer muss ordentlich einstecken.

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Antreten zum Frotzeln: Der Gillamoos in Abensberg zählt zu den größten und ältesten Volksfesten Niederbayerns. Am fünften und letzten Tag bekommen traditionell die Politiker das Wort, um sich auf den Bierzeltbühnen einen verbalen Schlagabtausch zu liefern. Für die CSU spricht diesmal Alexander Dobrindt, worum es dem Bundesverkehrsminister an diesem Montag geht, ist klar: die heftig umstrittene Pkw-Maut. Auch bei der politischen Konkurrenz drehen sich die Reden um das Maut-Gezerre: Die SPD schickt Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel ins Bierzelt, nebenan bei den Grünen spricht Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter und bei den Freien Wählern der Vorsitzende Hubert Aiwanger.

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Auf Bundesverkehrsminister Dobrindt richtet sich die geballte Aufmerksamkeit der Journalisten, die Rede wird sogar im Fernsehen übertragen. Seine Aufgabe auf dem Gillamoos ist keine leichte: Er soll seine Pläne zur Maut verteidigen. Das macht er bereits beim Eintreffen im Hofbräu-Zelt: "Ich habe nichts an meinem Plan zu ändern." Auf der Bühne erzählt Dobrindt, er habe festgestellt, dass es eine große gesellschaftliche Debatte über die Finanzierung von Infrastruktur gebe, "weil unser Wohlstand davon abhängt". Weiter beklagt der Verkehrsminister: "Wir investieren zu wenig in unsere Infrastruktur und müssen uns stärker engagieren. Wir leben von der Mobilität." Auf die Querschüsse aus Bundesfinanz- und -innenministerium geht er nicht ein. Vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat mit seiner Warnung, die Maut könne ein Minus-Geschäft werden, für Ärger gesorgt und CSU-Chef Horst Seehofer verärgert.

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Insgesamt verteidigt Dobrindt sein Maut-Konzept als fair, gerecht und sinnvoll. Europarechtliche Bedenken wies er zurück. "Ich will überhaupt niemanden diskriminieren. Aber ich will endlich dafür sorgen, dass die Benachteiligung der deutschen Autofahrer aufhört", sagt er mit Blick auf die Maut-Pflicht in vielen europäischen Nachbarstaaten. Mehr Geld für die Straßen sei auch nötig, um den Wohlstand in Deutschland zu erhalten: "Infrastrukturpolitik ist halt auch Wohlstandspolitik." Dann spricht Dobrindt zwar weiter über Straßen, um die Maut geht es aber nicht mehr: es geht um die so genannte Scharia-Polizei, die auf deutschen Straßen nichts zu suchen habe. "Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, dass es in Nordrhein-Westfalen stattfindet. Ich weiß, dass es in Bayern nicht stattfindet." Dobrindt ist kein begnadeter Bierzeltredner, liest seinen Text von einem Zettel ab. In die Geschichte des Gillamoos dürfte er trotzdem eingehen: mit der wahrscheinlich kürzesten Rede, die ein Politiker hier jemals gehalten hat: Nach etwa 30 Minuten ist Dobrindt am Ende.

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Zu zünftiger Blasmusik ziehen der bayerische Landesvorsitzende der SPD, Florian Pronold, und Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Parteivize auf Bundesebene, in das Jungbräuzelt ein. Pronold winkt in die Menge. Die ist recht überschaubar: Nur gut die Hälfte des Zeltes ist besetzt. Pronold nutzt seinen Auftritt für scharfe Attacken auf Dobrindt und die CSU: "Der Bundesverkehrsminister kommt mir vor wie ein politischer Geisterfahrer." Wenn die Maut so komme wie geplant, "sind wir wieder im Mittelalter mit Eintrittsgebühren an den Grenzen". Eine Maut auf Modellautos bringe wohl mehr ein als eine Pkw-Maut, wie sie derzeit geplant sei, wettert Pronold mit Blick auf die Modellbau-Affäre der inzwischen zurückgetretenen Staatskanzleichefin Christine Haderthauer. "Horst Seehofer ist nicht in der Lage, in diesem Sauhaufen der CSU für Ordnung zu sorgen", sagte Pronold.

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Auch SPD-Partevize Schäfer-Gümbel haut genüsslich auf die CSU und deren Maut-Pläne ein. "15 von 16 Bundesländern wollen die Maut so sehr wie einen Hagelsturm im Sommer." Dem Bundesverkehrsminister stellt er ein schlechtes Zeugnis aus: "Die Hausaufgaben müssen erledigt werden. Wir erwarten, dass Dobrindt einen Vorschlag auf den Tisch legt, der dem Koalitionsvertrag entspricht. Aber es ist nichts, wirklich gar nichts geliefert worden." Und Horst Seehofer? Den bezeichnet der Mann aus Hessen als "das Rumpelstilzchen aus München", das in der Hauptstadt nicht überall gut ankomme. "Ein Kollege aus der CDU sagte mir in Berlin: Koalitionspartner kann man aussuchen, Schwestern leider nicht."

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Anton Hofreiter nutzt seinen Auftritt auf dem Gillamoos zu einem Rundumschlag. Außen-, Innen-, Friedens-, Flüchtlings-, Finanz- und Umweltpolitik. Der Chef der Grünen-Bundestagsfraktion lässt kaum was aus. Ein Leitmotiv hat er bei all dem aber: die "Sauereien" der politischen Gegner - allen voran natürlich der CSU. Da muss das Maut-Thema selbstverständlich auch auftauchen. "In großer Dummheit hat man sich gesagt: Machen wir eine Ausländer-Maut." Erst nach und nach habe die CSU all die Probleme mit so einer Maut bemerkt und die Pläne immer wieder geändert. Das Ergebnis: "einfach bescheuert". Die Regierung auf Bundesebene kommt allerdings auch nicht besser weg: "Kluge Politik macht nicht nur eine Raute und sagt: Uns geht's gut."

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Wenige Meter weiter spricht der von ihm kritisierte Dobrindt - und geht zum Gegenangriff auf Hofreiter über: "Er spuckt jetzt schon Gift und Galle." Im Bundestag falle der Grüne als schlechter Redner auf. "Was der bei seinen Reden im Bundestag abliefert, da verwelkt sogar die Hanfpflanze vom Cem Özdemir." Dobrindt kritisierte den Hofreiter-Vorschlag für eine streckenbezogene Maut, die Pendler und Familien über Gebühr belasten würde. Auf dem Bild ist übrigens das Geschenk zu sehen, das Alexander Dobrindt auf dem Gillamoos von seinen Parteifreunden bekommen hat: ein eigens angefertigtes Pickerl. Der niederbayerische CSU-Landtagsabgeordnete Martin Neumeyer hat sie in einer Auflage von 1500 Stück drucken lassen. Den deutschen Autofahrer kostet die Vignette: nix. Die Sonderedition wurde nach Dobrindts Rede im Hofbräu-Zelt auf dem Gillamoos verteilt, ist aber nur fünf Tage gültig - und zwar auf dem nächsten Gillamoos-Volksfest im Jahr 2015.

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Vor genau einer Woche ist Christine Haderthauer wegen der so genannten Modellbau-Affäre als bayerische Staatskanzleichefin zurückgetreten - vor hämischen Sprüchen ihrer politischen Gegner schützt sie das nicht. Thorsten Schäfer-Gümbel zerpflückt die Aussage Haderthauers, wonach die Firma ein "von Idealismus getragenes Engagement finanzieller Art" gewesen sei. "Ich hab selten dümmere Sätze gehört als den. Und wenn RTL endlich eine Chart-Show macht, die die dümmsten Sätze in der Politik auflistet, dann ist die CSU immer volle Kanne vorne mit dabei." Und weiter: "Horst Seehofer spricht von einem Sommertheater: Das ist eine Verkehrung der Tatsachen. Denn die Besetzung stammt aus der CSU. Die Inszenierung kommt von Christine Haderthauer. Regie übernimmt die Staatskanzlei. Und Horst Seehofer hat den Vorhang zugemacht."

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Bei den Freien Wählern (FW) spricht Hubert Aiwanger, "der Mann fürs Grobe", wie ihn seine Vorrednerin, die FW-Europaabgeordnete Ulrike Müller, nennt. Seehofer wirft der FW-Chef ein "politisches Schleudertrauma" vor, fordert ein Ende des "Seehofer-Kasperltheaters" in Bayern und attackiert die AfD als "Lobbyisten der Großindustrie". Die geplante Pkw-Maut lehne seine Partei vehement ab. "Die Maut wird sich als Bumerang für Bayern erweisen, weil sie der mittelständischen Wirtschaft in den Grenzregionen schadet", sagt Aiwanger. Die Menschen wollten keine Mauthäuschen und Schlagbäume in Europa, zudem rentiere sich die Maut nicht. "Europa hat andere Aufgaben, als sich mit solchen Kleinigkeiten gegenseitig die Augen auszukratzen." Sein Urteil über die bayerische Staatsregierung fällt vernichtend aus: "Wir stellen nur noch eine Flaschenmannschaft, die sich lieber mit Modelleisenbahnen und Modellautos beschäftigt." Auch vom Rest der Partei hält Aiwanger offenbar nichts: "Die CSU hat in Bayern schon mehr Schaden angerichtet als der Borkenkäfer im Bayerischen Wald: Und dort herrscht Kahlfraß."

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Ihm gelingt es jedes Jahr, der Polit-Prominenz die Schau zu stehlen: Die Auftritte des Kabarettisten Wolfgang Krebs sind mit am besten besucht. Diesmal haut Krebs seine Sprüche als Edmund Stoiber raus. Auf die Grünen hat es "Edi" besonders abgesehen: "Früher hatten sie Steinewerfer wie Joschka Fischer - und womit wirft dieser Hofreiter? Mit Blütenstaub! Da kriegt man ja Sehnsucht nach Claudia Roth." Und für Hofreiter geht das Gefoppe noch weiter: "Der schaut aus wie eine Grüne, die man vor 30 Jahren eingefroren hat." Der falsche Stoiber vermag seine Beliebtheit auf dem Gillamoos ganz gut einzuschätzen: "Wer spricht denn in den anderen Zelten: Das sind doch nur abgehalfterte B- und C-Promis, die nicht einmal für das Dschungelcamp taugen. Ich bin doch das letzte politische Schwergewicht hier."

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(Foto: Süddeutsche.de)

Seehofers Kampf um die Maut. Eine Farce? Horst Seehofer sieht sich um sein großes Wahlkampfprojekt betrogen. Der Vorsitzende der CSU kämpft lautstark gegen die Koalitionspartner aus CDU und SPD für die Umsetzung der Dobrindt-Pläne zur Maut. Dabei scheint die Debatte mittlerweile zur Farce verkommen zu sein. Wie ist Ihre Meinung? Diskutieren Sie mit uns.

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