Personalnot in Krankenhäusern:Grippe streckt Ärzte nieder

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Die Grippe grassiert in Bayern - auch unter Klinikärzten und Pflegepersonal. (Foto: dpa)
  • Ärzte und Pfleger an bayerischen Kliniken sind immer stärker von der Influenza betroffen.
  • An einigen Krankenhäusern mussten bereits wichtige Operationen verschoben werden.
  • Nur etwa 30 Prozent der Mediziner in Krankenhäusern sind selbst gegen die Grippe geimpft.

Von Dietrich Mittler, München

Die Grippewelle bringt Bayerns Kliniken in Bedrängnis. Nicht allein, dass in nahezu allen Häusern Patienten sowohl mit grippalen Infekten als auch mit ernsthaften Influenza-Symptomen in die Notaufnahmen drängen. Ärzte und Pflegekräfte erkranken ebenfalls. "Die Grippewelle trifft auch das medizinische Personal", bestätigt die Ärztegewerkschaft Marburger Bund.

In vielen Häusern hat das mitunter Auswirkungen auf die Patientenversorgung. Bei einem Krebspatienten des Klinikums Traunstein etwa musste kurzfristig die Operation verschoben werden. "Tut uns leid, die zuständige Station ist von der Grippe befallen", bekam der Patient nach Angaben seines Sohnes mitgeteilt. Am Donnerstag kam aber die erlösende Nachricht: Die zunächst für den 18. Februar geplante Operation kann bereits am 23. stattfinden - und nicht erst Ende des Monats. Der zuständige Arzt sei wieder genesen.

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Auch etliche andere Kliniken berichten von krankheitsbedingten Personallücken. "Diese Ausfälle spüren wir schon. Die Belastung ist maximal", sagt Christoph Reiners, der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Würzburg. Auch Augsburg macht da keine Ausnahme: "Genauso, wie unsere Patienten von der Influenza betroffen sind, erkranken auch unsere Mitarbeiter daran", sagt Markus Wehler, der Chefarzt der Zentralen Notaufnahme.

Strenge Hygienevorschriften

Es ist nicht allein die hohe Zahl an Patienten, die derzeit die Häuser an ihre Belastungsgrenze bringt. Müssen Influenza-Patienten stationär behandelt werden, so tritt ein weiteres Problem auf: "Es gibt Kapazitätsmängel aufgrund von Hygienemaßnahmen", sagt Siegfried Hasenbein, der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. Im Klartext heißt das: "Wir kommen in Situationen, in denen wir Patienten mit Influenza oder anderen zunächst unbekannten Infektionen isolieren müssen. Da machen wir also in einem Zwei- oder Dreibettzimmer Betten kaputt, weil wir da niemanden dazulegen können", sagt Günter Niklewski, der Ärztliche Direktor des Klinikums Nürnberg.

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"Wir haben jeden Tag Konferenzen mit den Oberärzten aller Abteilungen und Fachdisziplinen, um zu klären, ob wir unter Umständen chirurgische Betten auch für internistische Patienten nutzen können", sagt Niklewski. Auch viele kleinere Häuser kommen derzeit um Notlösungen nicht herum. In einem Fall musste gar die Frau eines Oberarztes zunächst mit einem Bett im Gang vorliebnehmen, bevor sie schließlich in einer der Abteilungen unterkam. Schuld an solchen Notlösungen ist nicht allein die Grippewelle, hinzu kommen die vielen saisonbedingten Vorkommnisse wie etwa Ski- oder Glätteunfälle.

Doch die Influenza-Fälle dominieren das Geschehen. "Man muss nach den Erfahrungen der letzten typischen Grippe-Saison damit rechnen, dass die Influenza noch circa drei Wochen bei uns bleibt und dann abflaut", sagt ein Sprecher des Klinikums Traunstein. Im Hause sei derzeit zwar mehr Personal erkrankt als im übrigen Zeitraum, für Traunstein gelte aber die Aussage: "Unsere maßgeblichen Operateure sind gegen Influenza geimpft." Das ist durchaus nicht die Regel, wie eine Sprecherin des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit durchblicken lässt. Die Impfquote der Ärzte liege beim medizinischen Personal bei etwa 30 Prozent, und damit ist sie nicht höher als bei der erwachsenen Allgemeinbevölkerung. "Interessant ist, dass die Impfquote nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bei niedergelassenen Ärzten höher ist als bei Krankenhausärzten", sagt die Sprecherin. Seit 2011 hat sich demnach nicht viel geändert. Damals warnte der bayerische Impfspezialist Nikolaus Frühwein: "Ich möchte nicht wissen, wie das wird, wenn wir mal eine richtige Grippe-Epidemie wie zuletzt 1967 bekommen."

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Allerdings, so gibt der Sprecher des Klinikums Traunstein zu bedenken: "Vor einem Teil der aktuell zirkulierenden Viren kann der Impfstoff nicht ausreichend schützen." Gesundheitsministerin Melanie Huml rät dennoch zu einer Impfung. Der Krankheitsverlauf sei dann in der Regel leichter. Die Zahl der gemeldeten Influenzafälle in Bayern sei dieses Jahr seit dem 6. Januar kontinuierlich angestiegen. Seit Jahresbeginn seien landesweit 2709 Fälle registriert. Die neuesten Zahlen werden an diesem Freitag veröffentlicht. Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom Dienstag sind in Bayern bislang elf Personen eindeutig nachweisbar an Influenza verstorben, acht davon waren in hohem Alter. In der vergangenen Grippe-Saison, die allerdings wesentlich schwächer verlief, gab es lediglich drei Influenza-Todesfälle.

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© SZ vom 20.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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