Parteitag:SPD will zurück zur sozialen Gerechtigkeit

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Die Sozialdemokraten wollen sich künftig verständlicher ausdrücken - und beschließen deshalb auf ihrem Parteitag einen nur sechs Seiten langen Leitantrag.

Von Katja Auer, Amberg

Die bayerischen Sozialdemokraten wollen sich künftig verständlicher ausdrücken und so ihr Profil als Partei der sozialen Gerechtigkeit schärfen. Diesen Vorsatz hat die SPD bei einem Parteitag im oberpfälzischen Amberg am Samstag gefasst, wahrlich nicht zum ersten Mal, aber jetzt müsse man "die Idee des sozialen Zusammenhalts so formulieren, dass es jeder versteht", sagte Generalsekretärin Natascha Kohnen.

Als Grundlage dafür beschlossen die etwa 300 Delegierten einen Leitantrag mit den zentralen Themen Wohnen, Familie, Arbeit und Integration. "Ja, es lässt sich etwas tun gegen steigende Mieten, schlechte Arbeitsbedingungen, überforderte Familien, schlechte Bedingungen für Behinderte sowie gegen Ausgrenzung und Hass", heißt es in dem Papier. "Wir müssen es nur wirklich wollen. Wir müssen uns gegen diejenigen durchsetzen, die es anders wollen."

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Die SPD will sich so deutlich von anderen Parteien abgrenzen. Momentan kommt sie in Umfragen über 17 Prozent nicht hinaus, bis zur Landtagswahl 2018 soll sich das ändern.

Formuliert ist das Papier in leichter Sprache und es umfasst nur sechs Seiten. Kohnen nennt es "eine sozialdemokratische Erzählung", die sie in den nächsten Jahrzehnten fortschreiben will. Konkret fordert die SPD eine Familienarbeitszeit von 30 Stunden pro Woche, kostenlose Bildung und Betreuung von klein auf und bezahlbaren Wohnraum überall in Bayern.

Es gab auch Kritik an dem Leitantrag. Der als Parteirevolutionär bekannt gewordene Walter Adam etwa, der im vergangenen Jahr gegen Florian Pronold als Landesvorsitzender kandidiert und ihn empfindlich viele Stimmen gekostet hatte, kritisierte, dass das Papier vor allem Allgemeinplätze enthalte. DGB-Chef Matthias Jena wünschte sich, "dass meine Partei mit einem durchgerechneten Rentenkonzept auf den Markt kommt", und das nicht der CSU überlasse, die gerade an einem solchen arbeitet. Ebenso argumentierte Thomas Beyer, der Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt. "Ein Parteitag im Jahr 2016, der nichts zur Rente sagt, geht genau an dem vorbei: die Leute zu erreichen", sagte er.

"Wir sind noch nicht durchgedrungen"

Klare Position bezogen die Delegierten gegen das geplante Freihandelsabkommen Ceta zwischen der Europäischen Union und Kanada. Das lehnt die Bayern-SPD ab, es seien zu viele rote Linie überschritten. Die Landtagsfraktion hatte sich schon vor Monaten gegen Ceta gestellt.

Es ging um grundsätzliche Fragen in Amberg. Momentan gelinge es den Populisten in ganz Europa besser, zu den Menschen durchzudringen, sagte Parteichef Pronold. Es sei die Aufgabe der Sozialdemokratie gegen Nationalismus und Rassismus Partei zu ergreifen. Deutlich. Und Ideen und Antworten so zu kommunizieren, dass sie von den Leuten verstanden würden.

"Wir sind noch nicht durchgedrungen", sagte Pronold, es müsse mehr über die eigenen Ideen gesprochen werden. Er kritisierte das geplante Integrationsgesetz der CSU, "diesem billigen rechtspopulistischen Gesetzgebungsversuch" müsse man etwas entgegensetzen. "Wir sind ein Vielvölkerstaat", sagte Fraktionschef Markus Rinderspacher. Man werde sich von Seehofer, Scheuer oder Söder nicht vorschreiben lassen, "ob wir am Abend Sirtaki oder Flamenco tanzen oder Schuhplatteln, ob wir Schäuferla und Schweinebraten oder Gyros oder Döner essen, ob wir fränkisch, schwäbisch oder türkisch reden."

Es reiche aber nicht, sich nur zur Weltoffenheit zu bekennen, sagte Pronold, "wir müssen über die Probleme der Menschen reden und ihnen Lösungen anbieten." So steige etwa die Angst vor immer höheren Mieten. "Auf keinem Gebiet hat die Staatsregierung so versagt wie beim Thema bezahlbarer Wohnraum", sagte Pronold. Es sei ein Skandal, dass die Stadt Hamburg jedes Jahr mehr Sozialwohnungen fertigstelle als der gesamte Freistaat. In ihrem Leitantrag fordert die SPD eine staatliche Wohnungsbaugesellschaft.

Dass die SPD tatsächlich wieder als die Partei der sozialen Gerechtigkeit wahrgenommen werden will, zeigt sich in der Wortwahl. So sprach Pronold von einer notwendigen "Umverteilung", um die Kluft zwischen Arm und Reich nicht größer werden zu lassen. "Da müssen die, die ein wirklich gutes Leben haben, solidarisch einstehen für die, die mehr Chancen brauchen", sagte Pronold.

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Das gehe über die Steuerpolitik. Mehrere Delegierte sprachen sich für eine Vermögenssteuer und eine Reform der Erbschaftssteuer aus. Außerdem müsse der Spitzensteuersatz angehoben werden, forderte etwa die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann.

AWO-Chef Beyer sieht darin eine beinahe existenzielle Frage: "Nur ein klares Stehen für eine neue Steuerpolitik nimmt uns unsere elende Glaubwürdigkeitskrise bei den Menschen." Eine Vermögenssteuer bringe eine zweistellige Milliardensumme "und zwar von den Richtigen", sagte Beyer. "Warum in aller Welt machen wir das nicht?"

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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