Palmsonntag:Wo in Bayern noch immer Palmbuschen gebunden werden

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Palmbuschen finden ihren Bestimmungsort oft im Herrgottswinkel der Wohnstube, weil sich die Menschen davon Segen erhoffen. Sie schmücken aber auch christliche Symbole, so wie dieses Wegkreuz mit vergoldeter Marienfigur an der Sempt im Moosburger Ortsteil Aich. (Foto: Johannes Simon)

Von prunkvoll bis schlicht: Rund um Ostern findet man vielerorts kunstvoll gestaltete Sträuße. Dabei gibt es je nach Region markante Unterschiede.

Von Melissa Dennebaum

Weihboim, Palmboschen, Palmbesen, Palmstecken, Palmbuscherl - für die Palmbuschen, die traditionell vor Palmsonntag gebunden und am Palmsonntag vor der Messe gesegnet werden, gibt es viele Namen. Und sie sehen in jeder Region ganz unterschiedlich aus, sagt Markus Hilpert, Privatdozent für Humangeographie und Transformationsforschung an der Universität Augsburg. In Oberbayern seien die Palmbuschen oft etwas prunkvoller, mit geflochtenen Schäften aus Weidenruten oder dicht gereihten Weidenkätzchen. In Südbayern sei zum Beispiel Eschenlohe dafür bekannt, sehr lange Haselnussstecken zu haben, bis zu zehn Meter hoch, auf die der Palmbuschen komme. An der Größe konnte man früher den sozialen Status des Trägers ablesen, sagt Hilpert. Je größer, desto wohlhabender. Im schwäbischen Raum seien Palmbuschen kleiner und weniger aufwendig.

Nicht nur das Aussehen, auch die verwendeten Pflanzen können von Region zu Region unterschiedlich sein. Im schwäbischen Raum werde viel Buchsbaum genommen, dort stecke in manchen Gegenden außer Buchs nur ein Weidenkätzchen-Zweig im Buschen, sagt Hilpert. Wacholder, als alte Heilpflanze, werde zum Beispiel in der fränkischen Alb benutzt. Generell wurden und werden meist Pflanzen in den Buschen gebunden, die in der Region wachsen und in der Volksheilkunde als Heilpflanzen bekannt waren, wie Johanneskraut, Eibe, Birke oder Stechpalme. Teilweise habe auch die Pflanzenmystik eine Rolle gespielt, so sollten zum Beispiel sieben Arten von Pflanzen im Palmbuschen sein - als heilige Zahl.

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Mit der Zeit seien immer mehr florale Elemente hinzugekommen. Heute werden Palmbuschen unter anderem mit bunten Eiern, Bändern, Kreuzen, Fähnchen, Nüssen, Brezen und Äpfeln verziert. Gelb und Weiß als Farben der katholischen Kirche tauchen öfter auf, allerdings ist Hilpert kein historischer Hintergrund bekannt. Heutzutage werde in manchen Regionen nicht mehr so streng darauf geachtet, ob ein Palmbuschen traditionell gebunden ist - stattdessen gelte vor allem bei Kindern das Motto: Schön ist, was gefällt.

Rund um die Palmbuschen gebe es viele Bräuche, erzählt der Experte. Dabei gehe es fast immer um den Schutz oder Segen fürs Haus und die Landwirtschaft. So habe man im Werdenfelser Land lange Haselnussstecken beim ersten Viehaustrieb benutzt, weil man sich Segen für das Vieh auf der Alm erhoffte. Auch habe man in manchen Regionen Palmbuschen an die Tür des Stalls genagelt oder die Weidekätzchen unters Futter gemischt, um das Vieh zu segnen. Andere steckten die Palmbuschen in den Acker - in der Hoffnung auf reiche Frucht. Bei Unwetter habe man Teile des Palmbuschens als Wettersegen verbrannt. Für den Segen des Hauses habe man kleinere Palmbuschen oft im Schlafzimmer, Wohnzimmer oder unterm Dachfirst aufgehängt. Viele stecken ihre geweihten Palmbuschen im Herrgottswinkel hinters Kreuz.

Weil die Buschen geweiht sind, dürfen sie nicht weggeworfen werden

In Ostbayern und der Oberpfalz habe man an Palmsonntag versucht, den Buschen übers Haus zu werfen, damit der Segen des geweihten Buschen fürs ganze Haus gelte. Weil die Buschen geweiht sind, dürfen sie nicht weggeworfen werden. Stattdessen verbrenne man sie und hebe die Asche für Aschermittwoch auf.

Bei manchen Bräuchen seien die Grenzen zum Aberglauben fließend, sagt Markus Hilpert. So habe man Kindern bei Ohrenschmerzen Palmkätzchen ins Ohr gesteckt oder einem frischgebackenen Ehepaar den Palmbuschen für Kindersegen ins Bett gelegt.

Wie vielfältig die Tradition ist, zeigen folgende fünf Beispiele aus Bayern:

Boschen aus Buxheim

Ein Palmboschen, angefertigt von Rita Waibel aus Buxheim. (Foto: privat)

Aus Palmkätzchen und immergrünen Pflanzen wie Buchs, Eibe und Wacholder bindet Rita Waibel in Buxheim, Landkreis Unterallgäu, das Gerüst ihrer künstlerischen Palmboschen. Der Buchs soll, so glaube man, das Böse abhalten und symbolisiere immerwährendes Leben, sagt sie. Den 40 Zentimeter langen Boschen verziert sie mit 16 Eiern, die sie auf dünne, biegsame Haselnuss-Zweige auffädelt. Ihre Eier bestickt sie mit christlichen Symbolen oder umhüllt sie mit feinen Wachsschnüren, auf die sie Goldborten und Blumen aus Perlen, Draht und Glitzersteinen klebt. Die Eier stehen für die Auferstehung und das neue Leben. Etwa eine Stunde brauche sie, um eins zu verzieren, sagt Waibel, die seit 35 Jahren ihre Palmboschen bindet. Auf sie steckt sie noch ein kleines Kreuz und bindet ein paar Seidenbänder um den Stab.

Miesbach: mit Kreuzbogen oder Osterlamm

So wie es im Landkreis Miesbach Tradition ist, binden die Frauen vom Frauenbund Schliersee nicht nur Palmbuschen, sondern auch Kreuze und Kreise aus Palmkätzchen. (Foto: privat)

Im Landkreis Miesbach binden Annemarie Huber und die Frauen des Frauenbunds Schliersee ihre Palmbuschen aus Weidenkätzchen, Buchs und Ilex. Die grünen Pflanzen stehen für das Leben und die Hoffnung, erzählt sie. Über manche Sträuße binden sie sogenannte Blutruten, Zweige vom Hartriegel-Strauch, zu einem Bogen zusammen und verzieren sie mit gelben und weißen Seidenbändern. Der Kreuzbogen symbolisiere das Kreuz Christi, sagt Huber. Mal basteln die Frauen kleine Sträuße, zum Beispiel fürs Auto, diese seien nur fünf Zentimeter groß. Andere, etwa für die Kirche, seien 30 Zentimeter lang. Außer Palmbuschen basteln sie auch kleine Kreuze oder Kreise, die sie mit rotem Samt, Goldborten und Weidenkätzchen verzieren. In die Mitte kommen winzige, geweihte Medaillons mit Heiligenbildern oder das Osterlamm.

Die Farbe der Rose: Pyrbaum

Sehr farbenfroh ist der Palmbuschen, den die Frauen des Christlichen Frauentreffs in Pyrbaum gebastelt haben. (Foto: privat)

Sehr bunte Palmbuschen bindet Marga Baumann mit den Frauen des Christlichen Frauen Treffs in Pyrbaum. Um dünne Holzstangen wickeln sie Krepppapier zu kleinen Rosen - die Farben Lila, Gelb und Rot seien sehr beliebt, etwas Rosa nehme sie auch, und manche Leute wollen Blau, erzählt Baumann. Damit die Rose oben schön bauschig wird, knicken sie das Krepppapier etwas um. Zur Rose stecken sie Zweige von Thuja, Buchs und Weidenkätzchen hinzu und umwickeln den Stiel mit Krepppapier, entweder in Grün oder in der Farbe der Rose. Mehr als 100 "Buscher" basteln die Frauen vor Palmsonntag, sagt Baumann, die seit über 20 Jahren die Palmbuschen bindet. Während ihre Buschen höchstens 25 Zentimeter lang sind, basteln die Kommunionkinder größere, die sie an einen meterlangen Stab stecken und mit Bändern verzieren.

Schlichte Buschen aus Prittriching

Ein Palmbuschen, den ein Kommunionkind aus Prittriching mit seiner Mutter gebastelt hat. (Foto: privat)

In Prittriching bindet der Zweigverein vom Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) ganz schlichte Palmbuschen. Nur aus Buchsbaum und Weidenkätzchen, erzählt Mitglied Christine Weber, die seit 14 Jahren Palmbuschen bastelt. Um den Stiel kommt noch eine Schleife aus dünnem, lila Band. Lila, das sei die Farbe der Fastenzeit vor Ostern. Und Buchs, damit im Frühling etwas Grünes dabei ist. Etwa 250 bis 300 Buschen, zehn bis 20 Zentimeter groß, bastelt der Frauenbund vor Palmsonntag und gibt diese vor der Messe gegen eine Spende an die Kirchenbesucher ab. Eigene, größere Palmbuschen binden dagegen die Kommunionkinder mit ihren Müttern, erzählt Weber. Auch aus Buchs und Weidenkätzchen, aber mit gelben und lila Bänden in den Zweigen, einem Kreuz auf dem Palmbüschel und einem langen Stecken.

Waidhofen: Die Fünf steht für Gnade

Abwechslungsreich und aufwendig gestaltet sind die Palmbuschen, welche die Frauen vom KDFB Waidhofen gebastelt haben. (Foto: privat)

Gleich vier verschiedene Sorten Palmbuschen basteln Juliana Waldinger und die Frauen vom KDFB Waidhofen für Palmsonntag. In ihren Kreuzen, Blüten, Kronen und "normalen" Buschen sind Weidenkätzchen und Buchs immer dabei. Letzterer erinnere an das ewige Leben, immer grün, sagt Waldinger. Auch sind die Farben Rot und Gelb in ihren Palmbuschen wichtig - Gelb als Kirchenfarbe und Rot als Farbe des Leidens und der Auferstehung. Ihre Blüten formen sie aus Floristenkrepp und schließen sie mit fünf oder sieben Blättern ab. Die Zahl Fünf stehe dabei für Gnade, sagt Waldinger. Unter die Blüten kleben sie drei Reihen Weidenkätzchen als Symbol der Dreifaltigkeit. Etwa 20 bis 30 Stück basteln sie von jeder Sorte, nur von den Kreuzen weniger, weil die weniger nachgefragt werden und sehr aufwendig seien, erzählt sie.

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