Ortsverbände in Franken brechen weg:Ade, Freie Wähler

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"Der Aiwanger bläst sich unheimlich auf": Seit die Freien Wähler beschlossen haben, bei der Bundestagswahl 2013 antreten zu wollen, kehren in Franken Ortsverbände der Partei den Rücken. Sie wollen sich lieber mit Kommunalpolitik befassen - und nicht mit der Euro-Krise.

Olaf Przybilla, Coburg

Für den Kindergarten im fränkischen Dörfles-Esbach ist der Schritt der örtlichen Freien Wähler (FW) eine erfreuliche Sache. Der Ortsverband hat beschlossen, sich komplett aufzulösen. Nutznießer der Auflösung ist der örtliche Kindergarten, dem das gesamte Vereinsvermögen zufallen soll. Über eine "schöne vierstellige Summe" könne der sich freuen, sagt Volker Weigand, der sich im FW-Ortsverein bislang als Vorstandsmitglied und Schriftführer eingebracht hat.

Vermutet "interne Querelen" hinter den Austritten: Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler. (Foto: dapd)

Keine schlechten Gefühle wegen des demnächst verloren gehenden Vereinsvermögens? Gar nicht, sagt Weigand, "auf kommunaler Ebene etwas in Bewegung bringen, etwa für den Kindergarten, das war immer unsere Sache". Ob das auch noch Sache der Freien Wähler in Bayern ist, das bezweifelt der ehemalige FW-Ortsverband von Dörfles-Esbach.

Dörfles-Esbach liegt im Landkreis Coburg, eine mittelgroße Gemeinde. Wäre es die einzige, die den Freien Wählern Probleme macht, wäre das überschaubar. Dem aber ist nicht so: Spätestens seit die Freien Wähler im Juni in Geiselwind beschlossen haben, bei der Bundestagswahl 2013 antreten zu wollen, bricht ihnen in Franken ein Verband nach dem anderen weg. Gleich ganz auflösen, wie in Dörfles-Esbach, will sich bislang keiner.

Aus dem Landesverband ausgetreten aber sind sie im oberfränkischen Marktzeuln und Marktleugast, im unterfränkischen Leidersbach und Heigenbrücken und in der unterfränkischen Stadt Erlenbach am Main. Seit dieser Woche hat sich erstmals auch der FW-Verband einer größeren Stadt in Bayern entschieden, aus dem Landesverband auszusteigen. Bei der Hauptversammlung der Freien Wähler in Coburg gab es genau eine Enthaltung. Alle anderen Teilnehmer stimmten für den Austritt - und dafür, künftig unter anderem Namen politisch agieren zu wollen.

"Unter aller Kanone"

Wer sich umtut bei den abtrünnigen Verbänden, hört immer dieselben Argumente. Hätte sein Stadtverband den Wählern die Euro-Krise erklären wollen, "dann wären wir gleich Partei geworden", sagt der Coburger FW-Chef Jürgen Heeb. Das aber habe man ganz bewusst nicht getan: "Wir wollten hier nie eine Partei sein." Heeb berichtet, dass es in Coburg harsche Kritik an Hubert Aiwanger gegeben habe, dem Chef der Freien Wähler in Bayern. "Was Aiwanger vom Stapel lässt, ist unter aller Kanone", habe ein Coburger FW-Stadtrat in der Versammlung angemerkt.

Heeb könne die Kritik sehr gut nachvollziehen: "Der Aiwanger bläst sich unheimlich auf", sagt er. Man bekomme den Eindruck, "dass da persönliche Zielsetzungen eines Mannes sehr im Vordergrund stehen". In der Gemeinde Marktzeuln, ebenfalls in Oberfranken, haben sie ihren Austritt aus dem Landesverband so begründet: "Da wird inzwischen eine Ein-Mann-Show abgezogen."

Aiwanger sagt, er reagiere "sehr sensibel" auf die Austritte in Franken, zumal es sich in Coburg nicht um einen kleineren Stadtverband handelt. Geht aber im Gespräch mit der SZ in die Offensive: "Diese Herrschaften in Coburg waren nie auf einer unserer Informationsveranstaltungen." Auf Basis falscher Informationen sei da der Austritt aus dem Landesverband betrieben worden, man habe den Vereinsmitgliedern fälschlicherweise suggeriert, sie müssten in eine Partei eintreten. Hintergrund seien offenbar interne Querelen des Verbandes, "von denen ich aber zuvor noch nie etwas gehört habe", sagt Aiwanger.

Der unterfränkische Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Fahn wiederum wusste von der unguten Stimmung im Ortsverband von Erlenbach, was aber nicht verwunderlich ist: Denn es ist sein Ortsverein, der da den Landesverband verlassen hat. "Ein bisschen blöd" sei das schon, sagt Fahn, immerhin sei er - Bezirksgruppenvorsitzender der Freien Wähler in Unterfranken - nun politisch erstmal heimatlos. Fahn will versuchen, einen neuen FW-Verband in Erlenbach zu gründen. Für den dortigen Stadtrat Michael Pfeffer gibt es dagegen kein Zurück: "Wir können und wollen uns nicht mehr mit der Richtung der Freien Wähler identifizieren", sagt er.

Warum diese Austritte in Franken? FW-Generalsekretär Michael Piazolo erklärt es so: "Franken ist ein altes Stammland der Freien Wähler", dort säßen "zum Teil noch sehr traditionelle Ortsverbände", die größten Wert auf ihre Verwurzelung in der Kommunalpolitik legten. In den neueren Ortsverbänden in der Oberpfalz oder Niederbayern dagegen seien Austritte nicht zu verzeichnen. Und in Oberbayern legten die Freien Wähler sogar noch zu, seit November 2011 sind elf Verbände beigetreten. "Insgesamt bin ich erstaunt, wie wenig Austritte zu beklagen sind", sagt Piazolo.

© SZ vom 15.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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