Mordprozess:Gutachter attestiert Neuschwanstein-Angreifer pädophiles Interesse

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Der wegen Mordes angeklagte US-Amerikaner wird in den Gerichtssaal geführt. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Grundlage der Analyse sind kinderpornografische Bilder sowie Videochats des Angeklagten mit erwachsenen Frauen. Ein Gespräch mit dem Facharzt hatte er vorzeitig abgebrochen.

Von Florian Fuchs, Kempten

In Saal 169 des Landgerichts Kempten steht ein großer Fernseher. Auch am dritten Prozesstag um den mutmaßlichen Mord nahe Schloss Neuschwanstein zeigt das Gericht auf dem Bildschirm und für die Zuschauer an die Wand projizierte Bilder und Videos vom Tatort. Dann allerdings lässt der Vorsitzende Richter Christoph Schwiebacher die Bilder für das Publikum abschalten, aus Gründen der Pietät, wie er sagt. Die Videos, die der Angeklagte von der Tat gemacht hat, sollen nur die Prozessbeteiligten sehen. Prozessbeobachter hören es rascheln, sie hören Keuchen, einen Kampf. Richter Schwiebacher sieht auf den Bildschirm, dann mustert er länger den Angeklagten: Troy B. ist in sich zusammengesunken - zum Bildschirm blickt er kein einziges Mal.

Mord, Vergewaltigung, versuchter Mord und Besitz von Darstellungen sexueller Gewalt gegen Kinder, das sind die Vorwürfe, für die sich der Angeklagte verantworten muss. Die 21 Jahre alte Eva L. soll er erwürgt und eine Klippe hinuntergestoßen haben. Ihre 22 Jahre alte Freundin Kelsey C. wollte ihr helfen, also schubste er laut Anklage auch sie den Abhang hinunter. Ein Gutachter spricht in seinem psychiatrischen Gutachten am Mittwoch von einer Tat, die wohl spontan und sexuell motiviert war. Der Facharzt attestiert dem Angeklagten ein pädophiles und voyeuristisches Interesse.

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Grundlage für diese Beurteilung sind die kinderpornografischen Bilder sowie Videochats des Angeklagten mit erwachsenen Frauen. Der Gutachter war im vergangenen August in der Justizvollzugsanstalt, um persönlich mit Troy B. zu reden. Nach 15 Minuten brach der Angeklagte das Gespräch allerdings ab und verweigerte eine Untersuchung. Das Gutachten ist deshalb rein aus den Akten erstellt und unterstellt Troy B. ein großes Interesse an Frauen asiatischer Abstammung - und an zierlichen Frauen. Die getötete Eva L. war 1,62 Meter groß und 52 Kilogramm schwer. Der Gutachter schließt all dies unter anderem aus der Vorliebe des Angeklagten für Computerspiele und - teils pornografische - Filme aus Asien. Der Mann trägt auch ein Tattoo, das auf ein asiatisches Computerspiel verweist.

Die beiden US-Touristinnen, die er angriff, sind asiatischer Abstammung. Sie waren auf Europareise und wollten am Tag nach der Tat heimfliegen. Der Vorsitzende Richter lässt am Mittwoch das Protokoll der Notrufe verlesen. Als Kelsey C. unten am Abhang neben ihrer bewusstlosen Freundin sitzt und mit einem Ersthelfer telefoniert, verwickelt der Mann sie nach einer gewissen Zeit in ein Gespräch. Sie kann ihrer keuchenden und röchelnden Freundin nicht helfen, sie schafft es nicht, sie umzudrehen, sie hat Angst, dass der Täter noch einmal kommt und sie weiter abstürzt. Sie wartet auf einen Hubschrauber der Bergwacht.

Der Ersthelfer will die 22-Jährige beruhigen, also lässt er sie erzählen: Dass sie Computer-Ingenieurwesen studiert hat, dass sie - genau wie ihre Freundin - zu Hause in den USA schon eine Stelle als Softwareingenieurin gefunden hat. Sie sagt, dass sie an diesem Tag auf Wanderwegen unterwegs gewesen seien, aber noch nicht im Schloss Neuschwanstein selbst. Sie hätten sich das für später aufgespart. Dann aber sagt Kelsey C. am Telefon: "Ich glaube nicht, dass das noch passiert."

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