Neue Studie:Wenn Polizisten sich gegen Tritte und Schläge wehren müssen

Lesezeit: 3 min

  • Polizisten in Bayern werden viel häufiger als früher attackiert.
  • Die Täter sind laut einer Studie meist junge, betrunkene Männer. Ein Grund ist das veränderte Ausgehverhalten.
  • Sollen nun die Öffnungszeiten für Bars und Kneipen wieder verkürzt werden?

Von Andreas Glas, München

Sie werden beleidigt, bespuckt und getreten: Die Gewalt gegen Polizisten hat in Bayern deutlich zugenommen. Das geht aus einer Langzeitstudie hervor, die das Landeskriminalamt (LKA) am Dienstag veröffentlicht hat. Demnach hat sich die Zahl der Angriffe seit der Wiedervereinigung mehr als verdoppelt.

Seit dem Jahr 2009, heißt es in der Studie, stagniere die Gewalt "auf einem deutlich erhöhten Niveau". Auffällig ist, dass Polizisten immer öfter nachts angegriffen werden und die Täter häufig unter Alkoholeinfluss stehen. Nun fordert das LKA, die vielerorts gelockerten Sperrzeiten für Gaststätten und Diskotheken wieder zu verlängern.

Die Studie fügt sich in das noch unveröffentlichte "Landeslagebild 2014", das Innenminister Joachim Herrmann demnächst vorstellen wird. Darin beklagt Herrmann, dass jeder dritte Polizist mindestens einmal im Jahr beleidigt oder verletzt werde. Insgesamt wurden im Jahr 2014 etwa 14 000 Polizisten verbal oder körperlich angegriffen, 1800 wurden verletzt.

Wie die Attacken ablaufen

Es sei "besorgniserregend, wie brutal die Angriffe zum Teil sind", sagt ein Sprecher des Innenministeriums über die Statistik des vergangenen Jahres.

Die LKA-Langzeitstudie war vom Innenministerium in Auftrag gegeben worden, um mehr über Ursachen und Hintergründe der Gewalttaten zu erfahren - und habe "das Bauchgefühl der Polizei bestätigt", dass Beamte vor allem in den frühen Morgenstunden und besonders oft von jungen, betrunkenen Männern angegriffen werden, sagt der Sprecher des Innenministeriums.

Ein Trend, der sich laut LKA-Studie vom Jahr 2003 an verschärft hat. Damals war das Gaststättenrecht geändert und die Sperrzeit auf nur noch eine "Putzstunde" zwischen fünf und sechs Uhr morgens reduziert worden. Seither haben sich die nächtlichen Gewalttaten unter Alkoholeinfluss in etwa verdoppelt. Bei drei von vier Tätern lag der Blutwert bei mehr als einem Promille.

Die LKA-Studie zeigt außerdem, dass die Zahl der versuchten Tötungsdelikte an Polizisten in den vergangenen 30 Jahren in etwa gleich geblieben ist. Tatsächlich getötet wurde seit dem Jahr 2000 ein einziger Beamter - nach einer Verfolgungsjagd erschossen im Herbst 2011 zwei bewaffnete Motorradfahrer einen 41-jährigen Streifenpolizisten in Augsburg.

Maßgeblich verändert hat sich seit Ende der Achtzigerjahre die Altersstruktur derjenigen, die Polizisten mit Gewalt drohen oder angreifen. Während sich die Täter früher auf alle Altersgruppen verteilten, sind sie heute überwiegend unter 30 Jahre alt. Jeder vierte Täter ist heute ein Jugendlicher, im Jahr 2000 war noch jeder zehnte zwischen 14 und 20 Jahre alt.

Die Ursache liege "am veränderten Ausgehverhalten" der Jugendlichen, die immer häufiger "über den Durst hinaus trinken und Ärger verursachen", sagt der Sprecher des Innenministeriums. Er sagt auch, dass den Angriffen auf Polizisten oft Streits und Schlägereien zwischen Jugendlichen vorausgingen. Wenn die Polizei dann eintreffe, um zu schlichten, gerate sie selbst ins Visier der Gewalttäter.

Dass die breite Bevölkerung gewaltbereiter ist als früher, glaubt das LKA trotzdem nicht. Etwa zwei Drittel der Angreifer seien der Polizei in der Regel bereits bekannt oder wegen Körperverletzung vorbestraft. Wenn ein Mensch bereits zu Gewalt neige und dann noch betrunken sei oder unter Drogen stehe, sei es für die Polizisten besonders gefährlich, heißt es in der LKA-Studie. Die Behörde schlägt deshalb vor, zu einer landesweiten Sperrzeitregelung zurückzukehren.

Wie das Innenministerium reagiert

"Längere Öffnungszeiten in der Gastronomie zur Nachtzeit bedeuten auch eine Verlängerung des Zeitraums, in dem es besonders häufig zu alkoholassoziierten Gewaltstraftaten kommt", heißt es in der Studie, derzufolge jeder achte Übergriff in Gaststätten, Diskotheken und auf Volksfesten stattfindet.

Das Innenministerium äußert sich vorsichtiger, es will die Sperrzeiten offenbar nicht antasten - und stattdessen auf Abschreckung setzen. Die Behörde möchte, dass Angriffe auf Polizisten in Zukunft mit einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf statt wie bisher drei Jahren geahndet werden. Außerdem soll es eine Mindeststrafe geben: drei Monate Haft.

Dass sich Herrmann mit dieser Forderung durchsetzt, ist allerdings unwahrscheinlich. Bereits Ende Juni hatten die Innenminister der Union auf der Ministerkonferenz in Mainz dafür geworben, Gewalttaten gegen Polizisten härter zu bestrafen - und scheiterten an den Ministern der SPD-geführten Länder, die dagegen stimmten.

© SZ vom 19.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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