Nazi-Symbolik:Umgang mit Reichskriegsflagge

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Söder kündigte ein Verbot an, bislang gibt es aber nur Handlungsanweisungen an die Polizei

Von Johann Osel, München

Flagge zeigen durch ein Flaggenverbot - das war die Ankündigung von Markus Söder beim CSU-Parteitag im September. Es ging um die Reichskriegsflagge, die bei Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen häufiger auffiel und die von "Reichsbürgern" und Extremisten geschwenkt wurde. Er werde anordnen, sagte der Ministerpräsident, die Flagge in Bayern zu verbieten. Mit der zeige man nämlich "klare Ablehnung und auch Distanz zu unserer Demokratie" - "wir lassen unsere freiheitliche Demokratie nicht von Rechtsradikalen kapern". Tenor: zügiges Verbot. Ein halbes Jahr später ist dies nicht geschehen, ein Verbot steht nicht mehr an; dafür gibt es eine Praxisanweisung für Beamte.

Die Polizei reagiere bereits "umgehend auf etwaige Vorfälle", teilte das Innenministerium auf SZ-Anfrage mit - über das Argument der "konkreten Gefahr für die öffentliche Ordnung". Etwa die Münchner Polizei habe auf einer "Querdenken"-Demo eine Person auf dem Hinweg mit Reichskriegsflagge gesichtet. "Aufgrund der hierdurch konkret vorliegenden Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit und Ordnung hat die Polizeiführung eine versammlungsrechtliche Beschränkung erlassen" - diese habe das Zeigen von Reichskriegsflaggen und auch Kaiserreichsfahnen unterbunden. Über ein Schreiben des Ministeriums an alle Polizeiverbände Ende Oktober wurde "für die Problematik sensibilisiert" - dass das öffentliche Verwenden dieser Flaggen "als Symbole der reichsideologischen, extremistischen und ausländerfeindlichen Szene auf eine gegen das friedliche Miteinander gerichtete Provokation oder Einschüchterung abzielt". Führen oder Hissen der Flagge werde also im einzelnen Fall untersagt, so das Ministerium, die Polizei sei dazu "rechtlich wie tatsächlich in der Lage". Daher erscheine ein generelles Verbot, etwa durch Anpassung strafrechtlicher Regelungen, "nicht zusätzlich erforderlich".

Offensichtlich ist die Verbotsfrage komplizierter als angenommen. Beobachter verweisen gerne auf ein Verbot der Reichskriegsflagge im Land Bremen. Laut dortigem Erlass können die Flaggen konfisziert und Bußgelder verhängt werden, er ist nicht nur auf eine Gefahr im öffentlichen Raum auszulegen, sondern auch auf Privatgelände. Gesetzesqualität hat aber auch diese Variante nicht. Laut dpa erarbeitet das Innenministerium der Hansestadt nun einen Mustererlass für alle Innenminister.

"Bayern hätte längst handeln können, seit Monaten", sagt der Abgeordnete Florian Ritter (SPD). Bereits im November habe die Staatsregierung "gekniffen", als ein Verbotsantrag seiner Fraktion im Innenausschuss war. Die Reichskriegsflagge diene "als Ersatzsymbol für die Hakenkreuzflagge", betont Ritter. CSU-Vertreter Alfred Grob hatte im Ausschuss betont, durch die Anordnung an die Sicherheitsbehörden sei das Thema erledigt. Ritter meint zum einstigen Söder-Vorstoß: "Heiße Luft", wie so oft beim Rechtsextremismus laufe nur "eine Ankündigungsmaschine". Ähnlich sieht das Katharina Schulze (Grüne): "Ein typischer Söder: Laut was verkünden - und in der Umsetzung hapert es."

© SZ vom 22.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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