Nach Anschlägen in Paris:100 zusätzliche Polizeibeamte für Bayern

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Ein Hundeführer der Polizei vor dem Hotel Bayerischer Hof in München. (Foto: dpa)
  • Nach den Anschlägen von Paris sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hundert zusätzliche Stellen für die bayerische Polizei zu, um potenzielle Gewalttäter besser überwachen zu können.
  • Finanzminister Markus Söder will die dafür nötigen fünf Millionen Euro bereitstellen - obwohl die Personalausgaben im Haushalt eigentlich nicht mehr steigen dürfen.

Von Frank Müller, München

Ganz plötzlich wird Innenminister Joachim Herrmann buchstäblich einsilbig. Dabei hat der CSU-Politiker in der Staatskanzlei gerade noch ausführlich erklärt, wie der Freistaat auf die neue islamistische Bedrohung reagieren will. Doch als die Frage auftaucht, ob die Staatsregierung sich den islamfreundlichen Satz der Kanzlerin zu eigen machen oder kommentieren will, hat Herrmann nur ein Wort übrig: "Nein." Herrmann lächelt.

Und an der Nachfrage, ob der Islam denn zu Deutschland gehöre, wie es Angela Merkel gesagt hatte, manövriert sich Herrmann etwas holprig vorbei. "Das ist sicherlich eine Frage individueller Beurteilung", sagt er. "Für mich ist es keine Frage, dass es viele Muslime gibt, die zu Deutschland gehören."

Plötzlich sind manche Dinge ganz einfach

Der Freistaat reagiert auf die Terrormorde von Paris: teils schwergängig, teils leichtfüßig. Als sich das Kabinett am Dienstagvormittag erstmals mit den Attentaten beschäftigt, sind für die Minister manche Dinge auch ganz einfach: Hundert neue Stellen im Polizeibereich soll es geben, um potenzielle Gewalttäter besser überwachen zu können, bevor sie aktiv sind. Hundert Stellen - das ist keine Kleinigkeit, weil Personalausgaben im Haushalt eigentlich nicht mehr ansteigen dürfen.

In anderen Fällen würde Finanzminister Markus Söder im Kabinett auf die Barrikaden steigen, hier ist es aber nicht so. Söder befürwortet die neuen Planstellen ausdrücklich, will die erforderlichen fünf Millionen Euro zügig in den Haushalt einstellen und vorgezogene Besetzungen ermöglichen, wie sie Herrmann vorschweben. Es habe keine finanzpolitischen Debatten im Ministerrat gegeben, konstatiert Herrmann zufrieden. "Diese Stellen werden so zusätzlich geschaffen", sagt er und fügt ein weiteres Mal kurz angebunden hinzu: "Punkt. Aus."

Etwa 50 gefährliche Islamisten in Bayern

So leicht war der Kampf um neues Personal für Herrmann noch nie. Regierungschef Horst Seehofer hat sogar von sich aus das Signal dazu gegeben, als er am Rande seines Neujahrsempfangs in der Residenz am vergangenen Freitag länger mit dem Innenminister sprach.

Bereits zum 1. März könnten die ersten Terrorfahnder anfangen. Sie sollen im Landeskriminalamt angesiedelt sein und dabei helfen, die gewaltbereite Szene zu neutralisieren. Die ist zwar klein, Überwachung rund um die Uhr ist dennoch aufwendig. Herrmann spricht nach der Kabinettssitzung von etwa 50 gefährlichen Islamisten in Bayern. 20 sind Rückkehrer aus dem syrischen Bürgerkriegsgebiet, davon wiederum sind fünf in Haft. Insgesamt seien 50 Menschen aus Bayern ins Kampfgebiet nach Syrien ausgereist.

Das Kabinett verständigt sich noch auf weitere Aspekte, sodass insgesamt ein "Fünf-Punkte-Programm" herauskommt: In ihm fordern die Bayern erneut die Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung. Dem stehe auch die Verfassung nicht entgegen, sagt Justizminister Winfried Bausback. Eine befristete Speicherung von Verbindungsdaten sei wichtig, wenn man nach einem Anschlag die Hintermänner ausmachen wolle.

Wie die Polizei auf das Vorhaben reagiert

Deswegen sei es auch "Augenwischerei" darauf zu verweisen, die Taten in Paris seien trotz dort existierender Speicherung nicht verhindert worden. "Es geht darum, weitere Taten zu verhindern", sagt Bausback. "Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass der Bundesjustizminister dies immer noch ablehnt", ergänzt Herrmann. Zudem verlangt das Kabinett, dass Werbung und Finanzierung für Terrorgruppen strafbar werden. Die Rede ist auch von mehr Vorbeugung und mehr Engagement beim Dialog mit Muslimen.

Die Gewerkschaft der Polizei begrüßt die neuen Stellen. "Wir sind froh um jeden Mann, den wir mehr kriegen", sagt Vizechef Peter Schall. Auch wenn die Zahl hundert im bayerischen Sicherheitsapparat "nur ein Tropfen auf den heißen Stein" sei, könne dies etwas bewegen. Schall verweist aber auch auf Personalengpässe bei der Polizei in anderen Bereichen. Bei der Bekämpfung der Einbruchskriminalität herrsche "Land unter", sagt er.

Auch die Landtags-SPD kritisiert, über die Jahre sei die Polizeistärke im Land zurückgegangen. So sei noch im Jahr 1999 rechnerisch ein Polizist auf 382 Einwohner gekommen. 2013 seien es bereits 414 gewesen, kritisiert SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Die Vorratsdatenspeicherung lehnt er ab, ebenso wie die Grünen. Deren Fraktionschefin Margarete Bause sagt zum Auftakt der Grünen-Klausur in Regensburg: "Wir dürfen nach dem Angriff auf unsere Freiheit nicht mit einer Einschränkung unserer Freiheit reagieren."

© SZ vom 14.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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