Bayerische Wirtschaftsgeschichte:"Mit Gottes Segen betheiliget"

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Das älteste bekannte bayerische Wertpapier. Es handelt sich dabei um einen Anteilschein für die einstige Carl-Theodor-Zeche in Penzberg vom 30. September 1797. (Foto: Bayerisches Wirtschaftsarchiv)

Das Bayerische Wirtschaftsarchiv bewahrt das älteste Wertpapier Bayerns auf. Der Anteilschein für die einstige Carl-Theodor-Zeche in Penzberg vom 30. September 1797 lässt tief in die Frühzeit der Industrialisierung blicken.

Von Hans Kratzer, München

Damit hatte Eva Moser, die Leiterin des Bayerischen Wirtschaftsarchivs in München, partout nicht gerechnet. Dass sie nämlich jetzt ein Wertpapier in Empfang nehmen durfte, das noch älter ist als jenes Papier aus Hof, das bislang als die älteste bayerische Aktie gegolten hat. Bei dem überraschend aufgetauchten Dokument handelt sich um einen Anteilschein für die einstige Carl-Theodor-Zeche in Penzberg vom 30. September 1797. Entdeckt hat diese Preziose Uto Baader, Seniorchef der Baader Wertpapierbank und Aufsichtsratsvorsitzender der Bayerischen Börse.

Schon vor zwei Jahren hatte Baader dem Wirtschaftsarchiv seine Sammlung von gut 4500 historischen Wertpapieren ausschließlich bayerischer Herkunft treuhänderisch anvertraut. Es handelt sich um eine der bedeutendsten Sammlungen dieser Art in Deutschland. Nun reichte er dieses besondere Stück nach, das einen tiefen Blick in die bayerische Wirtschaftsgeschichte eröffnet. "Ich bin ganz begeistert, nun auch dieses einmalige Dokument in Obhut nehmen zu dürfen", sagt Eva Moser.

Die Geschichte, die hinter diesem 225 Jahre alten Bergwerks-Anteilschein steckt, lässt sich mit wenigen Worten so erzählen: Im Auftrag des Kurfürsten erkundete seinerzeit der bayerische Berg- und Münzrat Matthias von Flurl das bayerische Gebirge, um nach Bodenschätzen zu suchen. Im Jahre 1792 notierte er: "Jenseits der Loysach treffen sich im Benediktbairischen mehrere Flötze von Steinkohlen an." Vier Jahre später öffnete die Steinkohlenzeche in Penzberg, die Flurl unterstellt war. Ihr Anteilschein ist mit zwei Bergknappen in zeitgenössischer Tracht und den hoffnungsfrohen Formeln "Mit Gott" und "Glück auf" geziert, und er trägt die Unterschrift Flurls. Dem Vorhaben war aber nur ein kurzer Erfolg beschieden. Wegen der hohen Transportkosten erwies sich die Zeche als unrentabel und stellte den Betrieb ein.

Ehren-Diplom der "Oberbayrischen Actiengesellschaft für Kohlenbergbau", das 1904 an ein verdientes Mitglied vergeben wurde. (Foto: Bayerisches Wirtschaftsarchiv)

In dem Papier verpflichtet sich der Anteilseigner Böhm, "nicht nur die von Zeit zu Zeit noch erforderlichen Zubussen bergordnungsmäßig zu entrichten; sondern auch selbst durch thätige Mitwirkung zur gemeinsamen Benutzung dieses Brennmaterials beyzutragen". Dafür werde er "auch aller seiner Zeit mit Gottes Segen zu erwartenden Ausbeuten nach Maßgabe der ihm zugeschriebenen Kuxen betheiliget". Unter einem Kux versteht man einen Anteil am Bergwerk.

Aktie der "Oberbayerischen Aktiengesellschaft für Kohlenbergbau" aus dem Jahr 1942. (Foto: Bayerisches Wirtschaftsarchiv)

Mit Beginn der Industrialisierung gewann der Energieträger Kohle im rohstoffarmen Bayern enorm an Bedeutung. Unter der Bankiersfamilie von Eichthal wurde die Grube in Penzberg wiederbelebt. Dazu kam der Anschluss an das Eisenbahnnetz. 1869 wurde das Penzberger Unternehmen mit der konkurrierenden Miesbacher Steinkohlengewerkschaft fusioniert. 1870 erfolgte die Umwandlung in die "Oberbayrische Actiengesellschaft für Kohlenbergbau". Von da an lief die Kohleförderung in Penzberg nahezu 100 Jahre lang, bis die Bergleute 1966 im Zug der deutschen Bergbaukrise zu ihrer letzten Schicht einfuhren.

Bislang galt Hof als Ort des ältesten bayerischen Wertpapiers. Ende 1799 hatten dort elf Männer die bis heute bestehende "Bürger-Ressource-Gesellschaft" gegründet. Wenig später wurde ein eigenes Vereinsgebäude errichtet, das 1804 über die Ausgabe von 300 Aktien finanziert wurde. 1845 wurde das Grundstück wegen der Planung einer Eisenbahntrasse an die Stadt verkauft. Die Entschädigung von 30 000 Gulden verwendete man zum Bau eines neuen Gebäudes, das bis heute ein Fixpunkt im gesellschaftlichen Leben Hofs ist.

Die wohl früheste Aktiengesellschaft in Bayern entstand einst in Neustadt an der Aisch. Als die Garnisonsstadt im 19. Jahrhundert ausgebaut werden sollte, fehlte es überall an Geld. Um die Garnison und die Kaufkraft der Soldaten in Neustadt zu halten, formierte sich 1834 eine von Bürgern getragene Stallbaugesellschaft. Sie trug wesentlich dazu bei, den Bau neuer Stallungen für die Dienstpferde des Militärs zu finanzieren. Den 72 Gründungsaktionären wurde strengstens untersagt, ihre Papiere an auswärtige Interessenten abzutreten - das Kapital und die damit verbundene Entscheidungshoheit sollten auf jeden Fall in Neustadt konzentriert bleiben. Dies und noch vieles mehr zu historischen Aktien ist einem 2019 erschienenen Katalog des Bayerischen Wirtschaftsarchivs zu entnehmen ("Bayerische Werte. Wirtschaftsgeschichte im Spiegel historischer Aktien und Anleihen").

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