Mückenplage nach Hochwasser:Ein Hauen und Stechen

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Erst das Hochwasser, dann Temperaturen von mehr als 30 Grad: Stechmücken haben derzeit optimale Brutbedingungen. In Teilen Bayerns wird man nun selbst am Tag von den Insekten attackiert. Gastronomen fürchten, dass die Biergärten erneut leer bleiben und eine Olchinger Initiative greift zu umstrittenen Mitteln.

Von Kassian Stroh

In Freising oder am Wörthsee, wo große Flächen überschwemmt waren, wird man selbst am Tag von Stechmücken attackiert. (Foto: dpa)

Anton Geier hat es auch am eigenen Leib schon erfahren. Es geht dieser Tage ja auch nicht anders in Haag im Landkreis Freising. Wer dort das Haus verlässt, bekommt es mit den Mücken zu tun; "und wenn man kein Fliegengitter hat, hat man sie im Haus drin", sagt der Bürgermeister.

Vor zwei Wochen wurden hier große Flächen überschwemmt. Der Ort liegt an der Amper, lauter kleine Tümpel seien da entstanden, erzählt Geier, und die meisten könne man noch nicht einmal ausmachen in den Wiesen und Rapsäckern - "ideale Brutstätten für Mücken". Und jetzt kommt die Hitze dazu - "ideale Bruttemperatur", sagt der Bürgermeister.

Alles ideal also für die Stechmücke, und alles andere als ideal für die Haager, die bereits beginnen, ihre Aufenthalte auf Balkon oder Terrasse mit Duftkerzen, Anti-Mücken-Cremes und, ja sogar, Ventilatoren erträglich zu machen. Der Bürgermeister prophezeit ihnen nichts Gutes: "Das wird sich die nächsten Tage noch verschärfen."

Drei Jahre liegt die bislang letzte große Mückenplage im Großraum zurück. Noch ist es zu früh zu sagen, wie schlimm es heuer wird. Zumal das lokal immer auch sehr unterschiedlich ist. Im Münchner Stadtgebiet zum Beispiel ist noch nicht viel zu spüren. Doch wer sich in diesen Tagen in jenen Gebieten umschaut, die vom Hochwasser betroffen waren, dem schwant Schlimmes. Denn die Mücken lieben feuchte Biotope, Pfützen und Tümpel, wohin sie ihre Eier ablegen.

Grob gesagt gilt die Regel: Je mehr Regen und Wasser und je wärmer die Luft, desto mehr Tiere schlüpfen. Gemeinhin entwickeln sich Mückenlarven in knapp zwei Wochen von der Ablage bis zum fertigen Insekt. Und, tja, zwei Wochen ist das Hochwasser nun her. Es kann losgehen.

Griff zur Giftspritze

In Freising zum Beispiel lässt es sich am Fürstendamm in normalen Zeiten ganz wunderbar wandeln, zwischen den Armen des Stadtbachs Moosach, die Anfang Juni jedoch kurzzeitig zu Strömen geworden sind. Jetzt ist das ein einziges Hauen und Stechen dort. Und längst ist auch die Alltagserfahrung außer Kraft gesetzt, dass Mücken nur in der Dämmerung angreifen. Glaubwürdige Augen- und Hautzeugen aus der Kreisstadt berichten von Stichen am helllichten Tag, gar morgens früh um sechs beim Lüften im Haus.

Im Nachbarort Marzling, durch den die Moosach ebenfalls fließt und in der Nähe gleich die Isar, klagt Bürgermeister Dieter Werner: "Die eine Plage zieht die andere nach sich" - er meint damit den Regen und die Insekten. Die Marzlinger kennen das, aber in diesem Jahr könnte es schlimm werden. "In den Auwäldern ist es Wahnsinn, was sich da an Brut ausbreitet", sagt Werner. Er selbst hat auch schon so einiges ausprobiert, in seinem Garten hat er angepflanzt, was als Mückenvertreiber empfohlen wird: Geranien, Eukalyptus - doch wirklich wirksam, sagt er, seien nur Fliegengitter an Türen, Fenstern und sogar ums Bett herum.

In der Tat, es hilft nicht viel. Der übliche Tipp, die Regentonne im Garten stets geschlossen zu halten, die ebenfalls ein gutes Brutgebiet abgibt, bringt den Bewohner wenig weiter, wenn in der Nähe ganze Wiesengebiete unter Wasser standen. In Olching zum Beispiel hat die örtliche Anti-Schnaken-Initiative am vergangenen Wochenende zur Giftspritze gegriffen. Im dortigen Amper-Auwald wird regelmäßig das (nicht unumstrittene) Insektizid BTI eingesetzt, was einer speziellen Genehmigung bedarf.

Das Eiweiß zerstört den Darm der Mückenlarven, woran sie zugrunde gehen, bevor sie zu Mücken werden können. Doch wie erfolgreich die Olchinger rund um die Anti-Mücken-Aktivistin Heidi Crusius damit waren, wird sich erst weisen, wenn sie in ein paar Tagen die besprühten Tümpel inspizieren werden.

Biergarten trotz Mückenplage

Mögen sie auch noch so lästig sein, für eine spezielle Gattung Mensch können die Mücken sogar bedrohlich werden, ökonomisch zumindest. Und das sind die Wirte, die mit großen Außenbereichen und Biergärten zumindest. Die beklagen nicht nur, dass ihnen das Wetter das diesjährige Freiluftgeschäft völlig vermiest hat; sie fürchten jetzt auch, dass die Mücken ihnen an den kommenden schönen Sommerabenden die Gäste vertreiben. "Heuer kann man's sowieso knicken", sagt eine Gastronomin. Nur sprechen die Wirte nicht gerne öffentlich über die Mücken - damit die Gäste nicht gleich ganz wegbleiben.

Eine, die es trotzdem tut, ist Maria Bernhard vom Wirtshaus Raabe am See, am Wörthsee, um genau zu sein. Der war aber auch nicht vom Hochwasser betroffen. Trotzdem hat Bernhard in den vergangenen Tagen gemerkt, dass die Mücken allmählich kommen.

"Wir halten's dunkel am Abend, stellen Windlichter mit Duftöl auf", berichtet sie von ihrer Seeterrasse. "Man muss sich vorher eincremen oder einsprühen, dann geht's schon." Immerhin: Am Dienstagabend habe sie sehr genau beobachtet, dass die Leute nicht, wie sonst in Mücken-Hochjahren, "schlagartig um halb neun" aufgestanden seien, sagt Bernhard. Die Hoffnung schwirrt zuletzt.

© SZ vom 20.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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