Bayerns Umweltminister Söder im Gespräch:"Wir waren nie Kernkraft-Fetischisten"

Die Krise in den japanischen Atomkraftwerken lässt Unionspolitiker umdenken. Bayerns Umweltminister Söder plädiert nun für einen schnelleren Umstieg auf Öko-Energie. Denn: "Japan verändert alles."

M. Szymanski

SZ: Zehntausende Menschen sind auf der Flucht, die Welt blickt mit Angst vor einer nuklearen Katastrophe auf Japan. Was geht Ihnen durch den Kopf?

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Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) plädiert für einen schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien.

(Foto: dpa)

Markus Söder: Die Nachrichten bewegen mich sehr, auch als Familienvater. Wir erleben nicht nur einen Einschnitt für die Menschen in Japan, sondern das ist weltweit ein fundamentales Ereignis. Da kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. Das heißt auch für einen selber, dass man alle Positionen hinterfragen muss.

SZ: In der Atomanlage Fukushima sind die Reaktoren außer Kontrolle geraten. Halten Sie Atomkraft immer noch für beherrschbar?

Söder: Natürlich ist Kernkraft eine andere Technologie als Energie aus Wind oder Sonne. Deshalb ist der Sicherheitsaufwand so groß. Der Vorfall zeigt auch, dass die Vorstellung, alles bis ins Kleinste beherrschen zu können, nicht so leicht umsetzbar ist. Deshalb heißt es jetzt um so mehr Anstrengungen zu unternehmen, die Sicherheit zu maximieren.

SZ: Was bedeutet das konkret?

Söder: Fakt ist: Japan ist nicht mit Deutschland vergleichbar. Bei uns gibt es keine vergleichbaren Erdbeben und Tsunamis. Trotzdem zeigt sich, dass wir bei der Verlängerung der Laufzeiten die Sicherheitsmaßstäbe neu bewerten müssen. Dabei müssen die Erkenntnisse aus Japan einfließen.

SZ: In Bayern sind es weniger Naturkatastrophen als eher Flugzeugabstürze oder Terrorangriffe, die für die Meiler gefährlich werden können. Kann man sich noch sicher sein, dass im Krisenfall hierzulande alle Notsysteme funktionieren?

Söder: Die Kernkraftwerke in Bayern sind sicher. So haben wir zum Beispiel bei den Notstromanlagen ein stärkeres und besseres System als Japan. Ich glaube aber, dass wir - wenn es um mögliche Flugzeugabstürze geht - weltweit einen neuen Standard setzen könnten. Wir müssen prüfen, ob wir nicht mit bautechnischen Maßnahmen an den Kraftwerken eine weitere Verbesserung erreichen könnten. Ziel muss sein, auch für den Fall eines Absturzes eines Verkehrsflugzeugs neben der Luftsicherheit eine noch bessere Sicherheitsarchitektur zu entwickeln.

SZ: Das betrifft unter anderem Altkraftwerke wie Isar I bei Landshut. Es hätte nach den Ausstiegsplänen der früheren rot-grünen Bundesregierung in diesem Jahr abgeschaltet werden sollen. Ist Isar I noch sicher?

Söder: Ja. In Deutschland ist die Frage der Sicherheit nicht vom Alter des Reaktors abhängig. Alle Kraftwerke müssen die gleichen Sicherheitsstandards erfüllen. Bei einer Verlängerung der Laufzeiten, das haben wir klar gesagt, müssen Altanlagen nachgerüstet werden. Die neuen Erkenntnisse, die jetzt aus Japan kommen, müssen da einfließen. Wir werden jetzt mit dem Bund über die neuen Standards reden. Neben Fragen zu weiteren Kühlsystemen für alle Anlagen werden wir vor allem die Probleme bei Flugzeugabstürzen diskutieren.

SZ: Muss man über die Laufzeitverlängerung jetzt noch einmal reden?

Söder: Japan verändert alles. Auch bei mir. Daher ist es ist in Ordnung, wenn man die eigenen Positionen hinterfragt. Die Laufzeitverlängerung ist nur dann vertretbar, wenn Sicherheit absolute Priorität vor Wirtschaftlichkeit hat. Es braucht einfach noch einmal eine grundlegende Debatte über alle möglichen Risiken und Schutzmechanismen dazu.

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