Marder im Haus:Mein Leben mit Günther

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Marder sehen niedlich aus, halten sich aber nicht an die Hausordnung. (Foto: Carsten Rehder/dpa)

Wie wird man einen Marder auf dem Dachboden los? In diesem Fall scheiterten bis jetzt auch Kammerjäger.

Kolumne von Sebastian Beck

Seit einiger Zeit lebe ich zusammen mit Günther südlich von München in einer Einraumwohnung, die früher mal die Zuschneiderei einer Lederhosenfabrik war. Günther dürfte dort eigentlich nicht sein, weil laut Mietvertrag die Haltung von Haustieren ausgeschlossen ist. Günther aber nutzt geschickt eine Regelungslücke, er wohnt nicht in, sondern über der Wohnung. Früher hieß er noch Marder, Scheißvieh oder Mistkerl. Inzwischen habe ich ihn aber Günther getauft, weil er dann zumindest ein bisschen sympathischer wirkt.

Fast jeden Tag zwischen vier oder fünf Uhr in der Früh hört man ihn von der Arbeit nach Hause kommen. Wahrscheinlich hat er in der Bahnhofstraße gerade wieder drei Kabelbäume durchgebissen und vier Sonderlackierungen ruiniert. Ein Ploing-Ploing auf dem Blechdach kündigt ihn an, dann gibt es ein dumpfes Plumpsgeräusch, wenn er in den Dachboden einsteigt. Genau über dem Bett. Wenn man Glück hat, pennt er gleich ein. Manchmal macht er aber noch einen Mordsradau. Vielleicht, weil er zu viel Kühlmittel getrunken hat oder eine Gummimischung unbekömmlich war. Haut man mit dem Besenstiel gegen die Decke, stellt er sich tot. Aber bloß fünf Minuten.

Als verstädterter Landbewohner ist man ja viel gut zu den Tieren. Vor vielen Jahren wohnte ich auf einem Bauernhof in Wackersberg. In einer Mondnacht wurde ich von seltsamen Geräuschen geweckt: Im leeren Schwimmbecken saß ein Marder fest. In einer kühnen Rettungsaktion baute ich ihm eine Ausstiegsrampe mit meinen Langlaufskiern. Am Morgen war der Marder verschwunden - und mit ihm die Gummidämpfer der Bindungen. Der Bauer fand, das sei eine angemessene Bestrafung für meine Blödheit. So ein Schinderviech müsse man erschlagen, nicht retten.

Insofern hat Günther großes Glück. Zwei Kammerjäger haben sich bereits erfolglos mit ihm abgemüht. Sie versprühten Anti-Günther-Spray und verstopften die Löcher im Dachstuhl. Ohne Erfolg. Er ist wieder da. Ich habe jetzt eine Marder-Lebendfalle für ihn im Baumarkt gekauft. Sie steht seit zwei Wochen im Speicher und wartet auf ihn. Als Köder dienten ein Bio-Ei und ein Stück Bio-Kochschinken. Das Ei ist bis Stand Freitag, acht Uhr, unangetastet geblieben, der Schinken ist aber weg. Es scheint, dass auf diesem Dachboden noch viel mehr an mir vorbeiläuft, als ich gedacht habe.

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