Mainburg:Dr. Fummel kehrt zurück

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Manchmal spielte Alois Brummer in seinen Filmen selber mit. Hier ist er in einer Szene aus "Dr. Fummel und seine Gespielinnen" zu sehen. (Foto: Stadtarchiv Mainburg)

Alois Brummer drehte in den 1970er Jahren besonders dümmlich-frivole Sex-Streifen. Seine Heimatstadt schämte sich seiner. Nun widmet Mainburg dem "Sex-Brummer" eine Ausstellung.

Von Hans Kratzer, Mainburg

Auf den Kinoplakaten der frühen Bundesrepublik prangten kreuzbrave Titel wie "Das Schweigen im Walde" oder "Der Förster vom Silberwald". Die Zeiten waren prüde, Erotik und Sexualität ein Tabu. Als sich die Gesellschaft Mitte der 60er Jahre eine deutlich liberalere Haltung aneignete, brach auch im Kino ein heißes Zeitalter an.

Schmalzfilme und Heimatkitsch wurden verdrängt von derben Streifen à la "Graf Porno bläst zum Zapfenstreich" oder "Dr. Fummel und seine Gespielinnen". Es begann die Ära des deutschen Sexfilms, der zu den schrillsten Phänomenen der Nachkriegszeit zählt.

Binnen weniger Jahre ist das Geschäft mit diesem Kulturgut förmlich explodiert. Mehr als die Hälfte der 1970 angelaufenen bundesdeutschen Spielfilme drehten sich um Sex und Nackedeis. Einer der größten Förderer des Genres stammte mitten aus dem katholischen Bayern. Ausgerechnet der Spediteur und Hopfenbauer Alois Brummer aus Mainburg - benannt nach St. Aloisius, dem Patron der Keuschheit - entpuppte sich als Visionär des Sexfilmgeschäfts.

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Er gründete eine Filmfirma und produzierte von 1968 an selber einen Haufen Sexfilme. Dabei setzte er nicht auf den damals üblichen Pseudo-Aufklärungsstil (Schulmädchen-Report), sondern produzierte lieber dümmlich-frivole, am Heimatfilm orientierte Sexstreifen. Brummer sagte selbst, das Publikum verlange "volkstümlichen, naiven Sex".

Brummer hatte stets den Profit im Blick. "Geistreich sind's nicht, meine Filme", sagte er selber, aber geistreiche Filme sind auch kein Geschäft." Tatsächlich lockten seine Filme ein Millionenpublikum in die Kinos. Von den Gewinnen kaufte er sich ein Haus in Pasing, das er komplett als Studio einrichten ließ. Hier produzierte er die meisten seiner Filme unter schlichtesten Bedingungen, für Außenaufnahmen fuhr er hinaus in eine Kiesgrube.

In seiner Heimatstadt Mainburg wurde Brummers Erfolg schamhaft verfolgt. Moral und Sittlichkeit wurden damals noch stark nach außen getragen. Neugierig aber war man doch. Brummers Filme schaute sich das lokale Publikum lieber unerkannt in Landshut oder in München an. Später sagten viele Mainburger: "Ja, die Brummer-Filme, die hamm wir alle gesehen!"

Als der Sex-Brummer, wie er in der Branche genannt wurde, 1970 einen Dokumentarfilm über seine Heimat drehen wollte, stieß er auf Widerstand. Die Stadtväter befürchteten, Szenen aus Mainburg könnten in einen von Brummers Sexfilmen einfließen. "Für so etwas geben sich die Mainburger nicht her. Wir wollen auf keinen Fall, dass bei uns ein Sexfilm gedreht wird", argumentierte der Bürgermeister.

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Mittlerweile hat sich die Einstellung der Mainburger zu Brummer geändert. Zumindest schämen sie sich nicht mehr für ihn. Ganz im Gegenteil: In diesem Jahr wäre Brummer 90 Jahre alt geworden, und aus diesem Anlass widmet ihm das Stadtmuseum Mainburg sogar eine Ausstellung, die sowohl sein Schaffen als auch den gesellschaftlichen Wandel, den er selber forciert hat, in den Fokus stellt. Brummer ist 1984 im Alter von 57 Jahren gestorben.

So krachert seine Filme auch waren, so zurückgezogen agierte Brummer im Privatleben. In der Ausstellung ist ein Film zu sehen, der ihm so nahe kommt wie keine andere Quelle. Der Regisseur Hans Jürgen Syberberg hatte Brummer und sein Team 1969 sechs Tage lang mit der Kamera begleitet und aus dem Material einen Dokumentarfilm (Sex-Business - Made in Pasing) geschnitten.

Brummer fühlte sich von diesem aus heutiger Sicht gelungenen Porträt bloßgestellt und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Er verzichtete sogar auf eine Auszeichnung. In einem Kuhstall in Oberaudorf fing Syberberg dabei einen einmaligen Vorgang ein. Die Bäuerin hatte von Brummer 100 Mark Miete für den Stall erhalten, aber als sie merkte, dass eine Nacktszene gedreht werden sollte, verjagte sie das Filmteam vom Hof, Mist hinterher werfend und "Saubande dreckate" rufend.

"Besser als in diesem Film kann man Brummer nicht erleben", sagt Brigitte Huber, die sich seit Langem mit dem Leben des Produzenten beschäftigt und die Ausstellung in Mainburg kuratiert.

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Die Schau arbeitet das Phänomen Brummer fein heraus, weil sie nicht nur seinen Aufstieg zu einem der erfolgreichsten deutschen Filmproduzenten nachzeichnet, sondern auch die gesellschaftlichen Veränderungen mithilfe von Originalplakaten, Fotos und Zeitungsausschnitten anschaulich illustriert.

"Auch wenn die Filme aus heutiger Sicht als harmlos-biederer Sex-Klamauk gelten müssen, verschoben sie seinerzeit Tabugrenzen und leisteten damit einen nicht unwesentlichen Beitrag zur sexuellen Befreiung der späten 1960er/1970er- Jahre", bilanziert Huber das Schaffen Brummers, der auch noch den Niedergang seines Genres erlebt hat.

Dabei hatte die Filmbranche von ihm profitiert: 1970 lockten Brummers Produktionen zusätzliche 200 000 Besucher in die vom Kinosterben bedrohten Filmtheater. Da von jeder verkauften Karte ein Betrag an die Filmförderanstalt abgeführt wurde, trugen seine Filme nicht unwesentlich zur Förderung von Nachwuchsregisseuren wie Schlöndorff, Herzog und Fassbinder bei.

Zu Beginn der 1980er-Jahre kam der Gaudi-Sexfilm dann aus der Mode. Die mittlerweile freigegebene Pornografie eroberte den Markt. Alois Brummer reiste um die ganze Welt, um einschlägige Filme für seinen Verleih einzukaufen. Mit seinen eigenen Porno-Produktionen erlitt er dagegen gründlich Schiffbruch.

Zwei erotische Monumentalfilme fanden keinen Anklang bei den Zuschauern und brachten ihm große Verluste ein. Nach der Einführung des Privatfernsehens im Jahr 1984 erlebten wenigstens Brummers alte Filme ein Revival.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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