Landesgartenschau:Ein Ort zum Verlieben

Lesezeit: 4 min

Exotische Blumenmeere gibt es hier nicht. Vielmehr setzt die Landesgartenschau in Freyung auf Natürlichkeit und Artenvielfalt. (Foto: Freyung2023gGmbH)

Die 34. Landesgartenschau in Freyung ist die höchstgelegene, die es je gegeben hat. Die außergewöhnliche Lage zieht viele Besucher an - und bringt viele Besonderheiten mit sich.

Von Sophie Burkhart, Freyung

Gemächlich schlängelt sich der Shuttlebus durch die 7000-Seelen-Stadt Freyung, die in den letzten Monaten weit mehr als 100 000 Besucher willkommen heißen durfte. Immer wieder steigen Leute zu, sie wollen auf den Geyersberg, zur Landesgartenschau - auf 800 Höhenmetern die höchstgelegene, die es jemals gab. Als der Bus den Berg erklommen hat, zeigt sich der Vorteil dieser außergewöhnlichen Lage: der Ausblick auf den Bayerischen Wald.

In der Luft hängt ein würziger, aromatischer Geruch. "Das ist der Majoran", klärt Bärbel Benkenstein-Matschiner, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, auf. Sie führt durch die Ausstellung. Unter der Woche, vor allem vormittags, sind hier hauptsächlich Senioren unterwegs. Der meiste Betrieb herrsche am Wochenende oder bei den Abendveranstaltungen, berichtet Benkenstein-Matschiner. "Wir sind mit der bisherigen Resonanz sehr zufrieden", betont sie. Unter dem Motto "Wald. Weite. Wunderbar." empfängt Freyung noch bis zum 3. Oktober seine Gäste bei der 34. Landesgartenschau.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Die Anlage schmiegt sich an den Berg, es gibt sowohl versteckte Winkel als auch weite Aussichtsplattformen. Doch Blütenmeer und exotische Pflanzen sucht man auf den elf Hektar Gelände vergebens. Das hat einen Grund: "Früher waren die Landesgartenschauen überwiegend Blumenschauen. Das ist nicht mehr zeitgemäß", erklärt Bärbel Benkenstein-Matschiner. Hier in Freyung setze man auf Natürlichkeit und das Thema Artenvielfalt.

Und das sei gar nicht so einfach, denn die Höhenlage bringe klimatische Schwierigkeiten mit sich. "Der Winter hat hier oben länger gedauert. Hinzu kommen die kalten Nachttemperaturen. Also, wir sind hier zeitlich ungefähr vier Wochen später dran als in Passau", sagt Benkenstein-Matschiner und zeigt auf den blühenden Lavendel, der in ihrem eigenen Garten bereits vertrocknet sei. Auch die Erdbeeren sind noch nicht reif, obwohl sich stellenweise schon eine rote Spitze zeigt. Es wurden viele Nutzpflanzen kultiviert. So kommen die Besucher doppelt in den Genuss - beim Betrachten und beim Verkosten.

Im jetzigen Sommerflor dominieren sanfte Rot- und Orangetöne. Keine grellen Farben, alles gemäßigt. Elf Blumenschauen gibt es, die sich alle 14 Tage abwechseln. Die aktuelle Schau heißt "WALDBaden" - ein Wortspiel, denn in großen Becken treiben zarte Blüten auf der Wasseroberfläche. Eine 65-Jährige Besucherin bestaunt eine Wanne und fotografiert eifrig. Sie kommt aus der Nähe und besitzt eine Dauerkarte. "Mir gefallen die Dekorationen einfach gut. Auch die Stadt selbst ist sehenswert mit den ganzen Blumen vor den Geschäften und der liebevollen Gestaltung."

Den Ortsteil Geyersberg hat Freyung für Jahrzehnte fit gemacht

Genau das erhofft sich die Stadt natürlich - Zulauf im Ort selbst. Bürgermeister Olaf Heinrich (CSU) bestätigt, dass der Fremdenverkehr zugenommen hat. "Wir merken das hier enorm", freut sich der Bürgermeister. Viel wichtiger aber sei ihm der Zusammenhalt in der Stadt, der durch die Konzentration auf das Riesenprojekt entstanden sei. Mehr als 80 Prozent der geschaffenen Anlagen sollen bleiben; Heinrich nennt sie "Magneten für die Zukunft". Somit habe man einen kompletten Ortsteil für die nächsten Jahrzehnte fitgemacht, wie der Bürgermeister sagt. Das sei auch das eigentliche Ziel: die Wiederbelebung des Geyersbergs.

Rund 27 Millionen Euro kosten Bau und Organisation. Der städtische Anteil beläuft sich auf 13 Millionen Euro, der Rest stammt aus Fördertöpfen. Besonders stolz ist Olaf Heinrich auf eines: "Die Stadt hat eigens für die Landesgartenschau 65 Einheimische eingestellt, die sich beispielsweise um den Ticketverkauf kümmern. Das sind Leute, die sich mit der Gartenschau identifizieren und sich im Ort auskennen - in dieser Form einmalig." Seinen Lieblingsplatz auf dem Gelände verrät er auch: die Waldgärten.

Bärbel Benkenstein-Matschiner lotst dorthin, vorbei an der sogenannten "Kletterwolke". Wem der Geyersberg noch nicht hoch genug ist, der kann an den Holzpfählen des Klettergerüsts weiter gen Himmel aufsteigen. Hier kraxeln vor allem die jüngeren Besucher. Oberhalb gibt es noch eine Kletterwand und einen Bewegungsparcours mit Balancierbalken. Benkenstein-Matschiner führt vor, wie es geht. Die Luft hier in den Waldgärten ist frisch und liegt kühl auf der Haut. An heißen Sommertagen ein Ort der Erholung. Man hat hier einen bereits bestehenden Wald in die Landesgartenschau integriert; auch das passt zum Konzept der Nachhaltigkeit.

Im Juni sind einige Blumen verdorrt

Die Trockenheit im Juni war allerdings ein großes Problem. "Natürlich sind da Blumen verdorrt. Manche haben wir gezielt stehen lassen, wie etwa die Lauchblumen, damit die Knollen im Boden wieder genügend Saft produzieren können", erklärt sie. Auch das sei nachhaltig. Zurzeit blühen die Sonnenhüte, überwiegend in Pink und Weiß. Wer in den nächsten zwei Wochen kommt, kann mit viel Glück noch die Rosen bewundern, die bereits zum zweiten Mal erblühen. Die Insekten freut's - überall schwirren Bienen und Hummeln herum und bestäuben die artenreiche Pflanzenwelt.

Hier am Dreiländereck kommen auch viele Besucher aus Tschechien und Österreich. Die tschechischen und österreichischen Partnerstädte Vimperk und Seewalchen am Attersee sind mit eigenen Gartenanlagen vertreten. Dort flaniert ein älteres Ehepaar. "Es ist gut, dass nicht alles auf München zentriert ist und die Landesgartenschau auch mal in einem anderen Eck von Bayern stattfindet", sagt die Frau und lobt vor allem die informativen Erklärtafeln. Der Gesteinsgarten mit den Granitblöcken, die kristallinen Formen, die auf die Glaskunst in der Region anspielen - ein Versuch, die Identität des Bayerischen Waldes abzubilden. Sogar heiraten kann man auf der Landesgartenschau. Benkenstein-Matschiners Tochter zum Beispiel hat hier oben Ja gesagt. Und verlieben? Kann man sich hier sicherlich auch - zumindest in den Bayerischen Wald.

Die Landesgartenschau in Freyung läuft noch bis zum 3. Oktober. Einlass ist täglich von 9 bis 19 Uhr, die Kasse ist bis 18 Uhr besetzt. Eine Tageskarte für Erwachsene kostet 16 Euro, für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist der Eintritt in Begleitung ihrer Eltern frei. Von Passau aus fährt unter der Woche die Buslinie 100 nach Freyung, an den Wochenenden und Feiertagen fährt die Ilztalbahn. Mit dem Auto erreicht man Freyung über die A3, Ausfahrt Aicha vorm Wald. Auf dem Geyersberg gibt es keine Parkplätze. Ein Shuttlebus verkehrt täglich von 9 bis 19 Uhr viertelstündlich vom Busbahnhof in Freyung zum Gelände. Die Landesgartenschau ist überwiegend barrierefrei, es gibt auch einen Seniorenshuttle. Fünf Gastronomiebetriebe bieten Speisen und Getränke an. Workshops und Mitmachstationen sind im Preis enthalten. Dienstag- und Donnerstagabend finden im Ort Konzerte statt. Mehr Informationen unter www.lgs2023.de .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSZ-Serie: Anders leben
:Nachts auf der Suche nach dem Nichts

Rudolf von Waldenfels war gläubig, bis zum Tag einer Krebs-Diagnose. Seither setzt er sich seinen Urängsten aus: in der Dunkelheit, im Wald, an möglichst gottverlassenen Orten.

Von Olaf Przybilla

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: