Landesausstellung:Dem Mythos Bayern auf der Spur

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  • Die diesjährige Landesausstellung "Wald, Gebirg und Königstraum - Mythos Bayern" wird am Mittwoch feierlich eröffnet.
  • Bis zum 4. November wird sie in der Benediktinerabteil Ettal täglich für Besucher offen sein.

Von Matthias Köpf

Mit dem "Freistaat" geht es ja schon los: So haben sich die Gelehrten früher die lateinischstämmige "Republik" eingedeutscht. Die Weimarer Republik bestand nominell fast nur aus "Freistaaten", aber wirklich viel draus gemacht haben sich dann allein die Bayern. Bei allem Respekt vor den Sachsen und den Thüringern, die nach der Wende dann auch so frei sein wollten - "der Freistaat" schlechthin liegt ganz im Süden, ausgerufen vom Sozialisten und ersten Ministerpräsidenten Kurt Eisner in den Münchner Neuesten Nachrichten vom 8. November 1918.

Nach der Nazizeit nahmen zunächst auch nur die Bayern die Bezeichnung wieder in ihre Verfassung auf. Und so trägt schon die staatliche Selbstbezeichnung ihren Teil zum "Mythos Bayern" bei. Den definiert Richard Loibl vorsichtig als "die Manifestation eines Sonderstatus, den Bayern sich schon lang einfordert, der Bayern aber auch zugestanden wird".

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Als Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte ist Loibl der oberste Organisator der bayerischen Landesausstellungen und damit eine Art Impresario freistaatlicher Selbstvergewisserung. Das gängige Bayernbild ist für ihn "eine super Marketingstrategie. Wir stehen alle in dieser Tradition". Entstanden sei das alles "genau hier, in der bayerischen Alpenwelt".

Genau hier ist in dem Fall die Benediktinerabtei Ettal, wo die diesjährige Landesausstellung "Wald, Gebirg und Königstraum - Mythos Bayern" am Mittwoch feierlich eröffnet werden wird. Von Donnerstag an wird sie bis zum 4. November täglich für Besucher offen sein und zeigen, wie die Bayern sich selbst und allen anderen ihre Geschichte erzählen. Wald und Gebirg, die dunklen und erhabenen Schauplätze des scheinbar immer schon dagewesenen Bayerntums, gibt es rund um Ettal reichlich, obwohl die Königsträume im Land zwischenzeitlich üppiger in den Himmel wuchsen als die Bäume, weil das Holz als Bau- und Brennstoff dringend gebraucht wurden und aus immer größeren Höhen zu Tal geschafft werden musste.

Längst können die Staatsforsten wieder aus dem Vollen holzen, sie und die staatliche Forstverwaltung, die für die privaten und kommunalen Wälder zuständig ist, haben zur Landesausstellung für den Ettaler Klostergarten einen Pavillon beigesteuert, der auf einer Seite mit einem Plakat vom Kini nebst Neuschwanstein bespannt ist und so fast den Eindruck einer riesenhaften Schneekugel aus dem Souvenirshop macht. Drinnen werden aufwendig animierte Visionen zu sehen sein, wie sie sich Ludwig II. für das nahe Graswangtal ausgemalt hat. Entstanden ist davon nur das Schloss Linderhof, wo der monarchiebefreite Freistaat gerade immer mehr Millionen in die Sanierung der gipsbröckelnden Venusgrotte stecken muss.

Der Beamtenapparat der damals gerade selbst ein bisschen bröckelnden Monarchie machte die Schlösser Ludwigs bald dem Volke zugänglich, auf dass dieses sich ein Bild mache von der ruinösen Verschwendungssucht des nachmaligen Märchenkönigs, der ja auch eigentlich eher ein Mythenkönig gewesen ist.

Doch das Volk machte sich dann eben ein eigenes Bild. Die Menschen aus Bayern und der ganzen Welt können davon kaum genug kriegen, weshalb die Schlösser eine gelegentliche Grottensanierung jedenfalls locker wert sind. Nach Linderhof werden von Ettal bald allerlei Themenwanderungen und Radtouren führen. Auch sonst bemühen sich das Haus der Bayerischen Geschichte, das Kloster, die Staatsforsten und der Landkreis Garmisch-Partenkirchen um ein umfangreiches Rahmenprogramm.

Darin hat der Landkreis freilich auch Punkte wie den 8. Internationalen Geigenbauwettbewerb von 8. Mai bis 2. Juni in Mittenwald untergebracht oder die Einweihung der Floßbühne an der Isar in Wallgau mit der örtlichen Musikkapelle, die mittlerweile 40 Mann stark und aus dem Wallgauer Kultur- und Dorfleben nicht mehr wegzudenken sei.

In den lokalen Museen in Mittenwald, Oberammergau, Murnau, Seehausen, Garmisch-Partenkirchen gibt es verschiedene Ausstellungen unter dem gemeinsamen Titel "Mit künstlerischem Gespür", das Unterammergauer Dorf- und Wetzsteinmuseum widmet sich dem Thema Waldwirtschaft. Die Schule für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen, die Geigenbauschule in Mittenwald und die Holzschnitzerschule in Oberammergau werden sich direkt im Kloster präsentieren.

Beate und Josef Gilgenreiner, zwei ehemalige Schüler des Ettaler Klostergymnasiums, haben aus Anlass der Landesausstellung die "Benediktiner Klassiktage" zusammengestellt. Vom 15. bis 17. Juni wird es in der Basilika, in der Internatskapelle und im Innenhof unter anderem Wagner, Prokofjew, Mozart, Schubert, Historien-Balladen, ein Symposion sowie die Uraufführung eines Alphornstücks geben, das der Filmkomponist Rainer Bartesch geschrieben und auf die Akustik der Klosteranlage abgestimmt hat. Die Klosterbrauereien aus Aldersbach, Baumburg, Scheyern, Weltenburg, Weißenohe und Ettal selbst steuern Sondereditionen von Bieren und Schnäpsen bei und beteiligen sich an einem "Holzfass-Festival" im Oktober.

Als Höhepunkt des Rahmenprogramms sieht der örtliche Landrat Anton Speer aber den historischen Festzug durch Garmisch und Partenkirchen am Pfingstsonntag an. 1200 Mitwirkende zu Fuß und auf 41 Festwagen sollen in historischen Gewändern die Geschichte des Werdenfelser Landes von der Römerzeit bis hin zu Hitlers Winterolympiade von 1936 darstellen, "bis hin zur Neuzeit mit dem Einzug der Touristen in Garmisch-Partenkirchen", wie es in der Ankündigung heißt.

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Der Landkreis verzeichnete zuletzt auch ohne Landesausstellung 4,7 Millionen Übernachtungen im Jahr, mit Landesausstellung sollen es heuer noch etliche mehr werden. Die Anmeldungen für Busgruppen seien da schon sehr vielversprechend, sagt Landrat Anton Speer, der rund um den königlichen Schneekugelpavillon am liebsten Rotwild hätte äsen lassen. Doch dazu reichte der Platz im Klostergarten nicht, sodass Speer statt der mythenträchtigeren Hirsche dort jetzt eben Bergschafe weiden lassen wird.

Der Landkreis investiert insgesamt eine halbe Million Euro in das Begleitprogramm, den Shuttlebus vom Oberauer Bahnhof, den Sicherheitsdienst und dergleichen mehr. Er hatte sich schon um die Landesausstellung zum Thema Bier vor zwei Jahren bemüht, den Zuschlag bekam er dann eben für Wald und Gebirg, welche beiden Loibl und seine Ausstellungsmacher dann mit dem ganz buchstäblich naheliegenden Königstraum noch ein bisschen süffiger gemacht haben.

Die Ausstellung, die von 16. Mai an im Ettaler Rathaussaal zu sehen sein wird, hat es nicht in das offizielle, online abrufbare Rahmenprogramm geschafft. Darin wird es um die Entwicklung des Ortes nach der Säkularisation gehen, was eine kleine Spitze gegen das Kloster sein könnte, das die Landesausstellung komplett hinter die eigenen Mauern geholt hat.

Die Benediktiner pflegen ihre eigenen Mythen wie den, das Land von ihren Rodungsklöstern aus urbar und katholisch gemacht zu haben, was aus dieser klösterlichen Sicht womöglich sogar ein und dasselbe ist. Als der damals gerade im Machtkampf mit dem Paps t in Avignon aus der Kirche verstoßene Kaiser Ludwig der Bayer die Abtei in Ettal 1330 gründen ließ, war das Ammertal allerdings schon längst keine Wildnis mehr, sondern eine Kulturlandschaft. Das Kloster im nicht allzu weit entfernten Benediktbeuern gab es da schon runde sechs Jahrhunderte.

Die Ettaler Benediktiner verfügten vor der Säkularisierung 1803 über 11 000 Hektar Wald, heute sind es 180, von denen der größte Teil schwer zu bewirtschaftender Schutzwald ist. In ihrem Kloster geht der vergleichsweise prächtig ausgestattete Fürstentrakt direkt in immer noch graue Schulgänge über, die in der Vergangenheit auch manchen Zögling ins Grauen klosterbrüderlicher Misshandlung führten.

Für die Landesausstellung haben die Benediktiner, derzeit sind es noch 33 Mönche plus vier im sächsischen Ableger Wechselburg, immerhin 1500 Quadratmeter Fläche freigemacht, darunter ihre Schulaula und Teile des Tagungsbereichs. Das Kloster habe in den vergangenen eineinhalb Jahren an die zwei Millionen Euro in die Sanierung seiner Räume gesteckt, sagt Cellerar Pater Johannes Bauer. Für die Ausstellung erhält es einen Anteil an den Ticketerlösen, der das Kloster nach der Erwartung des Cellerars nicht viel reicher, aber wohl auch nicht ärmer machen wird.

Den eigenen Mythos vermarkten die Brüder schon längst: Im Klosterladen gibt es das Bier aus der eigenen Brauerei, den Ettaler Kloster Liqueur, den Kloster Geist, den Ettaler Prälatentropfen aus Südtirol und aus dem Non-Food-Segment den üblichen Souvenirkitsch plus allerlei Devotionalien, mit einer größeren Schnittmenge. Dem "Original Ettaler Kloster Glühwein" allerdings hat das Landgericht München gerade diese Namengebung untersagt, weil den nicht das Kloster, sondern ein Unternehmen in Lizenz zusammenrührt, und zwar nicht in original Ettal, sondern in Dasing im schwäbischen Landkreis Aichach-Friedberg. Aber der Glühwein hat sowieso erst wieder nach der Landesausstellung Saison.

Bestimmte Karten für eine besonders beliebte Veranstaltung aus dem Rahmenprogramm sind im Klosterladen laut einem bedauernden Schild auch nicht mehr erhältlich: "Die Tickets für Mythos FC Bayern sind leider vergeben."

© SZ vom 28.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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