Der Jenner ist nur 1874 Meter hoch, aber er zählt zu den Paradebergen am oberbayerischen Königssee. Sommers wie winters strömen Tausende Ausflügler auf den Gipfel direkt am Nationalpark Berchtesgaden. Denn von dort oben haben sie fantastische Ausblicke hinüber zum Watzmann und hinunter zum Königssee. Außerdem ist der Jenner-Gipfel leicht erreichbar: Seit 65 Jahren führt eine Seilbahn auf den Berg hinauf. Die Bahn ist auch Herz eines kleinen Skigebiets. Diesen Winter stehen die Seilbahn und die Skilifte am Jenner aber still. Die alte Seilbahn und zwei Sessellifte wurden abgerissen, ihre Nachfolger sind mitten im Bau.
Das Projekt ist heftig umstritten. Der Bund Naturschutz (BN) klagt sogar, weil ihm die neue Bergstation viel zu groß dimensioniert ist. Außerdem wirft die örtliche BN-Chefin Rita Poser der Jennerbahn vor, gegen alle Absprachen eine gigantische Baustraße den Berg hinauf planiert zu haben.
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Die neue Jennerbahn und die Modernisierung des Skigebiets ist das aktuell größte Seilbahnprojekt in den bayerischen Alpen. Sie läuft unter dem Namen "Erlebnisberg Jenner". Das aktuelle Investitionsvolumen beträgt 47 Millionen Euro. Bis Frühjahr 2017 sind die Ausflügler in uralten Zweier-Gondeln zum Gipfel hinaufgezuckelt. Von Sommer 2018 an schweben sie in bequemen Zehner-Gondeln nach oben. An die Stelle von zwei alten Zweier-Sesselliften treten Sechser-Sessellifte neuesten Typs. Der dritte Sessellift wurde bereits 2013 ersetzt. Längst hat die Jennerbahn auch die Beschneiung ihres Skigebiets modernisiert, inzwischen liegt auch am Jenner auf fast allen Pisten Kunstschnee.
Der Streit um den "Erlebnisberg" dreht sich deshalb auch nicht mehr um die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, in Zeiten des Klimawandels ein Skigebiet in mittlerer Höhenlage zu modernisieren, das nach allen Prognosen selbst mit Kunstschnee nur eingeschränkt funktionieren wird. Dieser Streit wurde entschieden, als die Modernisierung genehmigt worden ist. Nun dreht sich der Streit um die Dimension dieser Modernisierung.
Nach Überzeugung von BN-Frau Poser ist sie viel zu massiv für einen Berg direkt an der Grenze zum Nationalpark. Mit der neuen Gondelbahn können 1500 Gäste in der Stunde den Jenner hinauffahren. Bisher waren es maximal 500. "Das ist eine Verdreifachung der Kapazität", sagt Poser. "Dabei herrscht schon auf dem Gipfel oft ein Gedränge wie auf der Wiesn."
Es sind aber nicht nur die Passagierzahlen, die Poster kritisiert. Auch die Gaststätte in der neuen Bergstation ist ihrer Überzeugung nach viel zu groß geraten. Statt bisher 1000 Quadratmeter Fläche soll sie nun 2400 Quadratmeter Platz bekommen, statt 440 Gäste sollen 850 bewirtet werden können. Außerdem sollen in der Bergstation sechs Apartments mit jeweils 33 bis 35 Quadratmeter Fläche und eine 139-Quadratmeter-Wohnung für einen Bereichsleiter eingerichtet werden. "Wir hätten einer so massiven Planung nie zugestimmt, wenn sie vorab bekannt gewesen wäre", sagt Poser.
Bei der Baustraße oben am Berg fühlt sich Poser von der Jennerbahn ebenfalls übel getäuscht. So habe man erst im Nachhinein erfahren, dass sie auf Baufahrzeuge mit 45 Tonnen Gesamtgewicht ausgelegt wird. "Auf normalen Straßen ist die Tonnage auf 40 Tonnen beschränkt", sagt Poster empört. "Aber auf dem Jenner donnern nun 45-Tonner herum." Die Baustraße führt zum Teil über Gebiet des Nationalparks und durch Lebensräume des streng geschützten Birkhuhns. Deshalb wurden im Genehmigungsbescheid strenge Auflagen für sie erlassen. Poser wirft der Jennerbahn vor, diese gebrochen und die Baustraße ganz anders errichtet zu haben, als in der Genehmigung vorgegeben. Als Beispiel nennt sie die Sprengung eines mächtigen Felsens, von dem eigentlich nur ein kleiner Teil abgetragen werden sollte.
Die Jennerbahn äußert sich nicht zu den Vorwürfen. "Wir haben für alles, was wir tun, eine Genehmigung", sagt Jennerbahn-Vorstand Michael Emberger. Derweil ruhen die Arbeiten auf der Baustelle wenigstens bis Ende Januar. Die Jennerbahn strebt einen außergerichtlichen Vergleich mit den Naturschützern an. Ob der gelingt, ist fraglich. Die Jennerbahn habe schon in der Vergangenheit Absprachen gebrochen, sagt Poser. Nun wolle man sich nicht mehr hinhalten lassen.