Klais und der G-7-Gipfel:Eine Gemeinde verschanzt sich

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Wer nach Elmau hinein oder hinaus möchte, muss durch Klais hindurch: auch US-Präsident Barack Obama, hier auf dem Weg zum Weißwurstessen. (Foto: Jörg Koch/GettY)

Ortstermin in Klais: Seit einem Jahr dreht sich dort das Leben ausschließlich um den G-7-Gipfel. Die Einheimischen sind froh, wenn alles vorbei ist - und freuen sich übers schnelle Internet.

Von Wolfgang Wittl, Klais

Drei Stunden lassen die Demonstranten auf sich warten, völlig klar, dass da ein gewisser Druck entsteht: Als der Fahrradkorso aus Garmisch-Partenkirchen in Klais eintrifft, steht die Polizei schon bereit. Plötzlich setzen sich zwei Frauen Richtung Wald ab. Drei Bereitschaftspolizisten hetzen hinterher, zwei Berittene stoßen hinzu. Doch schnell stellt sich heraus, dass die Frauen ein dringenderes Bedürfnis zu verrichten haben, als politische Parolen zu skandieren. Die Polizisten drehen sich artig um, bleiben aber stehen. Besser abgeschirmt war so ein Vorgang wohl selten.

Eineinhalb Jahre haben die Einwohner von Klais diesen Tag ersehnt. Nicht weil sie sich so sehr darauf freuen, sondern weil sie drei Kreuze schlagen, wenn er endlich vorüber ist. Dass er jetzt friedlich verläuft, nehmen sie dankbar zur Kenntnis. Die meisten von ihnen denken ohnehin, dass sie bereits genug ertragen haben.

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Klais, ein Gemeindeteil von Krün, etwa 200 Menschen leben dort. Es soll der älteste urkundlich erwähnte Ort im Werdenfelser Land sein. 763 hatten Benediktiner das Kloster Scharnitz gegründet. Heute ist Klais dafür bekannt, dass es der Durchgangsort zum Schlosshotel Elmau ist. Wer zum G-7-Gipfel will und nicht über einen Hubschrauber verfügt, muss durch Klais hindurch. Das waren viele in den vergangenen Monaten. Zu viele. Und ihre Anwesenheit hat Spuren hinterlassen.

Ja, der Gipfel habe einigen Streit ausgelöst, erzählt ein Mann. Ihre Meinung sagen sie alle: der Rentner, der am Straßenrand den Polizisten zuschaut; der Hauswirt, der Zimmer vermietet; die Frau, die auf ein Familienfest verzichtete; der Demonstrant aus Stuttgart, der enttäuscht ist, dass er am Sonntag mit nur 60 Gleichgesinnten gegen den Unterdrückerstaat wettern kann. Seinen Namen will jedoch niemand preisgeben, wie fast jeder hier. Klais ist das Dorf der Namenlosen. Am Anfang war das kein Problem - auch das ist bezeichnend, wie sich die Stimmung in den vergangenen eineinhalb Jahren verändert hat.

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Dabei ist sich die Bevölkerung so einig wie kaum sonstwo, fast alle bringen die gleichen Einwände vor, wenn sie über den Gipfel reden. Der riesige Aufwand, die hohen Kosten - und die gewaltige Polizeipräsenz, auch wenn man sich mit den Polizisten im Grunde gut verstehe. Vor allem war Klais monatelang eine Dauerbaustelle. Da das Luxushotel in Elmau neue Wasserleitungen bekam, donnerten unentwegt Lastwagen durch den Ort. Auch Stromkabel wurden verlegt. Und überhaupt der immense Durchgangsverkehr.

Tausende Polizeiautos seien in den vergangenen sechs Wochen vorbeigekommen. Auch parkende Fahrzeuge hätten den Motor laufen lassen. Mit den Klimazielen beim G-7-Gipfel sei das wohl schwer vereinbar, sagt eine Frau. Einer, der eine ganze Menge Zweifel über das Treffen der Staatenlenker äußert, beschließt das Gespräch mit den Worten: "Aber ich habe nichts Negatives gesagt."

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Der Bauzaun, der in Klais an jeder Straße zu sehen ist, hat mit den Bauarbeiten indes nichts zu tun. Alle zehn Meter steht ein Bereitschaftspolizist. Anwohner der Hauptstraße haben in diesen Tagen ihre Briefkästen geöffnet zu halten und die Mülltonnen aus einem Unterstand zu entfernen. Immerhin haben die Klaiser eine Wagenkarte bekommen, mit der sie ungehindert durch den Ort fahren können. Besucher werden seit Wochen kontrolliert. Für eine Frau war das auch der Grund, ihre Geburtstagsparty ausfallen zu lassen. So eine Prozedur wollte sie ihren Gästen nicht zumuten. Ihren Humor hat sie behalten: Eine Grillparty mit Bombenstimmung spare sie sich unter diesen Umständen lieber, das werde einem womöglich gleich negativ ausgelegt.

Zwölf Kilometer beträgt die Entfernung von Klais nach Garmisch-Partenkirchen. Am Samstag, dem Tag der Großdemonstration, sind es fast 70 Kilometer. Die B 2 ist nahezu den ganzen Tag gesperrt. Wer sich den Weg trotzdem vornimmt, muss über Kochel, den Kesselberg und Walchensee fahren. Aber das Bedürfnis nach Ausflügen ist bei den Klaisern gering ausgeprägt, sie verschanzen sich in ihren vier Wänden, bis der Trubel vorbei ist. Andererseits ist da der Stolz, dass es ihr kleiner Ort für einen Augenblick ins Licht der Weltöffentlichkeit schafft.

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Auch die Infrastruktur hat sich in einem Maße verbessert, wie es sonst nicht möglich gewesen wäre. Der Ausbau des schnellen Internets wurde deutlich beschleunigt, die frisch verlegten Leitungen werden hauptsächlich vom Freistaat finanziert. Außerdem gibt es die Zusage, dass die Straßen erneuert werden sollen. Alle hegen die Hoffnung, dass der Tourismus, der in den vergangenen Jahren so stark zurückgegangen ist, durch die schönen Fernsehbilder wieder zunimmt. Ein Schützenheim, zwei Cafés, ein paar private Zimmer und Ferienwohnungen - die Zeiten in Klais waren schon einmal besser.

Klaus Koppe weiß das. Er ist Ortsvorsteher und zweiter Bürgermeister von Krün, seit 31 Jahren sitzt der Architekt im Gemeinderat. Schöner als Koppe kann man fast nicht wohnen. Auf dem Balkon blühen Blumen, der Blick richtet sich wie im Elmauer Retreat auf das Wettersteinmassiv, auf der Wiese unter seinem Haus, auf der einst das Kloster Scharnitz gestanden haben soll, tollt ein Polizist mit seinem Hund herum. Grundsätzlich habe er nichts gegen den Gipfel einzuwenden, sagt Koppe. Doch für Klais seien die Tage unkalkulierbar. Vor einer Woche erst rief Koppe die Polizei, weil zwei junge Männer vor seiner Einfahrt grillten. Wie sich herausstellte, zwei nette Studenten auf dem Weg zum Gardasee, doch wer wisse das schon. Es gab Empfehlungen im Ort, sich gegen Gipfel-Schäden versichern zu lassen.

Ob er sich schon auf Dienstag freue, wenn alles vorbei ist? Von wegen, sagt ein Rentner, dann gehe es erst richtig los. Der Rückbau werde wohl Wochen dauern.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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