Jobben im Atomkraftwerk:"Die Kollegen sind super drauf"

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Noch nie haben so viele junge Menschen im Atomkraftwerk Gundremmingen gejobbt wie in diesem Sommer - eineinhalb Jahre nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima. Einer von ihnen ist Chemiestudent Jörg-Felix Gebauer. Warum der 27-Jährige sich vor Arbeitsbeginn komplett ausziehen muss und was seine Verwandten dazu sagen, dass er im AKW arbeitet.

Lisa Sonnabend

Jörg-Felix Gebauer hat einen Arbeitsplatz, um den ihn nicht viele beneiden: Der 27-Jährige, der an der Hochschule Isny im Allgäu Chemie studiert, ist Werkstudent im Kernkraftwerk Gundremmingen im schwäbischen Landkreis Günzburg und schreibt hier seine Bachelorarbeit. Eineinhalb Jahre nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima beschäftigt das Kraftwerk 48 Werkstudenten, Praktikanten und Ferienarbeiter - so viele junge Mitarbeiter wie in keinem Sommer zuvor. Das Interview zu bekommen, ging schnell, nur zur Atompolitik soll sich der Student nicht äußern.

Zusammen mit Lehramtsstudentin Lisa-Constanze Samson lernt Jörg-Felix Gebauer, wie man Proben des Reaktorwassers analysiert. (Foto: Tobias Schmidt)

SZ.de: Herr Gebauer, Sie arbeiten seit gut zwei Wochen im Atomkraftwerk Gundremmingen. Wie ist der erste Eindruck?

Jörg-Felix Gebauer: Ich habe mir vorgenommen, möglichst unvoreingenommen herzukommen. Positiv beeindruckt bin ich von der Stimmung, die Kollegen sind super drauf. Außerdem ist hier natürlich alles riesengroß, Gundremmingen ist das leistungsstärkste Kernkraftwerk in Deutschland. Wir produzieren hier am Standort ein Viertel des bayerischen Stroms.

Und die Technik?

Ich habe vorher eine Vorlesung in Radiochemie besucht - und dann komme ich hier rein und denke mir: Alter Schwede, ist das groß! Man kennt Reaktoranlagen ja von diesen hübschen Bildchen, die erklären, wie das funktioniert. Doch wenn man erst mal vor so einer riesigen Anlage steht und merkt, was alles dazugehört, ist das beeindruckend. Da haben sich Leute richtig viele Gedanken gemacht. Ich kann jedem nur empfehlen, sich ein Atomkraftwerk mal selbst anzusehen.

Was machen Sie hier genau?

Ich bin für ein halbes Jahr im Werk, um meine Bachelorarbeit zu schreiben. Darin geht es um die Reinigung der unterschiedlichen Stahlsorten, die es im Atomkraftwerk gibt. Das wird im Rahmen von Revisionsverfahren immer wieder nötig. Ich möchte das Verhalten der Stahlsorten differenzierter beschreiben. Deshalb nehme ich Stahlproben und überlege, wie man die Reinigungsmöglichkeiten noch verbessern kann. Da ist viel Grübelei und Tüftelei dabei, aber auch sehr viel Experimentieren im Labor. Derzeit lerne ich noch die einzelnen Analyseverfahren kennen und bin dabei, eine Versuchsapparatur auszuarbeiten.

Müssen Sie strenge Sicherheitskontrollen passieren, um zu Ihrem Arbeitsplatz zu gelangen?

Ich komme morgens zwischen 7 Uhr und 7.30 Uhr am Werk an. Dann muss ich durch den Werkschutz am Eingang. Es wird jedes Mal geprüft, ob für mich eine Zugangsberechtigung vorliegt. Wenn ich keinen Arbeitstag im Büro habe, sondern ins radiochemische Labor gehe, folgen weitere Sicherheitskontrollen.

Wie geht es dann weiter?

Es ist ähnlich, wie wenn man sich für den Sport umzieht, nur dass alles etwas strenger ist als im Fitnessstudio. Man muss sich komplett ausziehen. Im Umkleidebereich bekommt man Wäsche vom Werk inklusive Socken, Leibchen, Unterhose. Diese Kleidung wird sogar im Kontrollbereich gewaschen, es gibt eine eigene Wäscherei hier. Beim Rausgehen - auch wenn es mittags nur in die Kantine geht - wird die Kleidung gewechselt, und man wird auf Kontamination untersucht.

Hat man da ein mulmiges Gefühl?

Gar nicht, das gehört dazu. Das Schöne an radioaktiver Strahlung ist ja, dass sie sich sehr gut messen lässt. Man kann sofort an den Messgeräten sehen, ob irgendwo eine Kontamination anhaftet und deshalb Strahlung auftritt. Man kann es genau einordnen. Bei vielen chemischen Giften ist das nicht möglich.

Ich könnte mir vorstellen, dass es Freunde und Verwandte gibt, die nicht so begeistert sind, dass Sie in einem Atomkraftwerk arbeiten.

Die Meinungen sind gespalten. Meine Kommilitonen waren alle neugierig und sagten: "Da hast Du eine tolle Stelle." Sie wollten wissen, was genau ich mache. Die Reaktionen von meinen Freunden und Verwandten waren eher durchwachsen. Ein paar haben schon gesagt, dass sie das nicht so toll finden. Viele wollen mir auch eine Diskussion über Atompolitik aufdrängen - das ist ein bisschen anstrengend.

Die Branche, die Sie sich ausgesucht haben, ist aber auch nicht gerade zukunftsträchtig.

Die beiden Blöcke hier laufen noch bis Ende 2017 und Ende 2021. Dann folgen die Nachbetriebsphase und später der Rückbau. Das dauert also noch eine ganze Weile, und für mich als Chemiker ist das sehr spannend. In anderen Ländern werden gerade neue Kernkraftwerke gebaut. Ich glaube nicht, dass es diese Branche irgendwann nicht mehr geben wird.

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