Inzell in Oberbayern:"Als hätte eine Bombe eingeschlagen"

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Die Explosion eines Hauses in Inzell hat zwei Menschen das Leben gekostet - das Gebäude sollte zwangsversteigert werden.

Heiner Effern, Inzell

Am Rande des Trümmerfeldes liegt ein zerrissenes Gefrierfach. Ein paar Meter weiter der verbeulte Kühlschrank. Auf der anderen Seite des Grundstücks, an der am Dienstagabend noch eine Garage gestanden hat, parkt im Schutt ein ausgebranntes Autowrack.

Von dem Einfamilienhaus, das in der Nacht in die Luft geflogen ist, sind nur noch Trümmer übrig. (Foto: Foto: ddp)

Die Form verrät einen 3er-BMW, nur an einem Kotflügel sieht man noch, dass er schwarz gewesen sein muss. Dazwischen steht keine Wand mehr, der formlose Haufen aus Ziegeln, Beton, Isoliermaterial und Holz, teilweise verkohlt, lässt keine Rückschlüsse über den früheren Grundriss des Einfamilienhauses der Familie M. im Inzeller Ortsteil Breitmoos (Kreis Traunstein) zu.

Kurz vor zwei Uhr in der Nacht hat eine Explosion von solcher Wucht das Anwesen zerstört, dass Teile bis zu 60 Meter weit in die Nachbargrundstücke geflogen sind. "Es sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. So was kenne ich nur aus dem Fernsehen", sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd.

Auf dem Schutthügel knien zwei seiner Kollegen in weißen Schutzanzügen und forschen nach dem Auslöser der Detonation, die zwei Menschen das Leben gekostet hat. Nur ein bis zwei Meter von den Spurensuchern entfernt haben Rettungskräfte zwischen sechs und sieben Uhr morgens zwei Leichen geborgen, wohl den 75-jährigen Besitzer des Hauses und seine 67-jährige Frau.

Wie das Paar, das noch nicht offiziell identifiziert ist, ums Leben gekommen ist, darüber wird erst die Obduktion Klarheit bringen. "Wir wissen derzeit nicht, ob die beiden Opfer durch die Explosion umgekommen sind oder eventuell schon vorher einer oder beide tot waren", sagte der Polizeisprecher. Dass es keine Verletzten in der Nachbarschaft gibt, bezeichnet er als "Glücksfall".

Kein Gasanschluss

Auch der Auslöser der Explosion ist nicht bekannt. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen der Möglichkeit nach, dass sich das Rentnerehepaar selbst in die Luft gesprengt hat. Einen Gasanschluss, eine mögliche Quelle für eine solche Explosion, gibt es in Breitmoos freilich nicht. Andere Erklärungen für den Unfall sind mit der massiven Detonation nur schwer in Einklang zu bringen. Über mögliche Motive hat die Polizei noch keine Auskunft gegeben.

Tatsache ist aber, dass das Haus in Breitmoos, umgeben von Wiesen und Bergen, am Tag vor der Explosion am Amtsgericht Traunstein zwangsversteigert werden sollte. Auf 540.000 Euro schätzte es ein Gutachter, da aber nur ein Gebot über 270.000 Euro einging, wollte es die vollstreckende Bank nicht veräußern.Das Ehepaar aus München war bei diesem Termin nicht selbst anwesend. Es hatte das Haus Anfang der neunziger Jahre gebaut und seither darin gewohnt.

Sepp Egger, direkter Nachbar, beschreibt das Paar als zurückhaltend. Der Mann sei Elektroingenieur gewesen und habe in München ein Geschäft betrieben. Man habe sich über den Gartenzaun gegrüßt, mehr nicht. "Dass der so etwas macht, hätten wir nie geglaubt", sagt Egger.

Gemeint ist die "Riesenexplosion" kurz vor zwei Uhr in der Nacht, direkt vor dem Schlafzimmer der Eggers. "Zuerst haben wir gedacht, der Blitz hat eingeschlagen." Als Egger durch die Reste seines Fensters nach draußen schaut, blickt er auf meterhohe Flammen, die aus einem Auto lodern. Vom Nachbarhaus steht nichts mehr. Über die Scherben auf dem Teppichboden eilt er ans Telefon und verständigt Feuerwehr und Polizei. "Einen Schock haben wir schon, meine Frau hat laut geschrien."

Der Knall war bis ins etwa zwei Kilometer entfernte Zentrum von Inzell zu hören. Der Feuerwehrmann, auf dessen Jacke Einsatzleiter steht, hat ihn auch wahrgenommen. Er will aber keine Auskunft geben, wie die 150 Einsatzkräfte gearbeitet haben, das sollen die offiziellen Stellen machen. Nur eines sagt er: "So schlimm habe ich es mir nicht vorgestellt, als ich über Funk verständigt worden bin."

Das weithin sichtbare Feuer sei schnell gelöscht worden. Insgesamt wurden acht Häuser von Trümmern getroffen oder der Druckwelle tangiert. Der materielle Schaden könnte nach ersten Schätzungen in die Hunderttausende gehen.

Am schlimmsten hat es die Nachbarn auf der anderen Seite der kleinen Straße getroffen. Die Bewohner sitzen am Mittwochvormittag konsterniert auf Ziegelsteinbrocken in ihrem Garten. Dort sieht es aus, als habe den Rasen jemand zur Entsorgung von Bauschutt missbraucht. Reden wollen sie jetzt nicht mehr, sie warten nur, bis die Polizei alles aufgenommen hat und sie mit dem Aufräumen auf ihrem ramponierten Anwesen beginnen können.

Das Dach ihres Hauses ist durch herumfliegende Trümmer schwer beschädigt, alle Fenster an der Front zu den Nachbarn sind zerstört. Garagentüren sind ausgehebelt, aus einem Campingbus vor dem Haus ragt oben ein schwerer Ziegelstein, die Windschutzscheibe ist komplett zerrissen, die Karosserie verbeult. Nachbar Sepp Egger sagt: "Das hätte für uns auch anders ausgehen können, wenn es zum Beispiel einen dieser Ziegelsteine ins Zimmer geschleudert hätte."

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