Initiative gegen Nord-Süd-Stromtrasse:"Wir sind keine Verhinderer"

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Geht es überhaupt noch um die Energiewende? Uli Strauß und seine Initiative "Bürger gegen Strommonstertrasse" in der fränkischen Schweiz wehren sich gegen den Bau einer Stromtrasse durch ihre Heimat. Sie fürchten, dass sie zu einem anderen Zweck gebaut werden soll.

Von Katja Auer

Es ist noch gar nicht lange her, kaum mehr als zwei Wochen, da ist Uli Strauß mittags gerne einen großen Bogen um sein Haus gegangen, hat einmal tief durchgeatmet und den Blick über die Landschaft schweifen lassen. Die felsigen Hügel der Fränkischen Schweiz, die ein bisschen weiter südlich in die Frankenalb übergehen. "Da habe ich wieder Kraft getankt", sagt er. Jetzt kann er sich nicht mehr recht freuen, wenn er hinüber schaut nach Riegelstein. "Es ist, als ob jemand in der Familie krank ist", sagt er.

Dort, zwischen den zwei Kuppen, soll die neue Stromtrasse verlaufen, die den Windstrom aus dem Norden in den Süden transportieren soll. Seit die Pläne des Netzbetreibers Amprion vor zwei Wochen bekannt wurden, sind die Leute entlang der geplanten Stromautobahn in Aufregung. Auch in Illadorf. Auch Uli Strauß. Deswegen ist er jetzt nicht mehr nur Ehemann, dreifacher Vater, Zimmermann mit eigenem Betrieb. Der 43-Jährige ist jetzt Sprecher der neuen Initiative "Bürger gegen Strommonstertrasse".

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"Ich habe noch nie in meinem Leben ein Plakat hochgehalten", sagt er, nicht einmal bei einer Demonstration sei er bisher gewesen. Politisch sei er zwar interessiert, aber nicht organisiert. Nur Greenpeace unterstütze er schon lange. "Bodenständig, christlich, naturverbunden", nennt er sich und damit will er deutlich machen, dass es ihm nicht um den Krawall geht. Ebenso wenig wie den anderen, die sich vor zwei Wochen in der alten Schule in Riegelstein getroffen und spontan eine Bürgerinitiative gegründet haben, nachdem sie morgens im Radio gehört hatten, dass die Stromleitung an der Autobahn entlang durch ihren Ort führen soll. "Alles grundanständige Leute, die sich um das Dorfleben kümmern", sagt Strauß.

In Illadorf, einem Ortsteil von Betzenstein, hat er das Haus seiner Eltern ausgebaut. Zehn Jahre wird er noch brauchen, schätzt er, bis alles fertig ist. Das meiste macht er selbst. Später könnte eins der drei Kinder da bleiben, genug Platz wäre dann. Aber wenn die Stromtrasse kommt, weiß er nicht, ob sie das überhaupt noch wollen. Die Kinder kriegen schon mit, was gerade im Dorf passiert, erzählt Strauß. Neulich kam die kleine Katrin, 5, aus dem Kindergarten heim und sagte, dass sie nicht wolle, dass die Bäume gefällt werden.

Überhaupt der Kindergarten. Katrin und Sebastian, der Jüngste, besuchen die Einrichtung drüben in Riegelstein, die Uli Strauß vom Garten aus beinahe sehen kann. Direkt an der Autobahn liegt der Kindergarten, das Rauschen der Autos hört trotz Schallschutzwand nie auf. Trotzdem gehen die Kinder gerne hin, die Gruppe ist klein, die Räume sind gemütlich. "An die Autobahn haben wir uns gewöhnt", sagt Strauß, die war schon vor dem Kindergarten da. Auch wenn die Älteren erzählen, dass sie früher am Sonntag auf der Straße Fußball spielen konnten, weil ja doch kein Auto gefahren ist. Wohin auch. Jetzt ist sie ausgebaut und der Verkehr fließt pausenlos, aber darüber klagt niemand. Dass jetzt aber auch noch die riesige Stromleitung am Kindergarten vorbeiführen soll, das ist Uli Strauß und seinen Mitstreitern zu viel. Es geht schließlich um ihre Heimat. Und um die Gesundheit ihrer Kinder.

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"Ich bin für die Energiewende", betont Strauß. Er freute sich, als es hieß, dass die Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Schließlich versucht er selber möglichst nachhaltig zu leben und zu arbeiten. In seinem Büro liegen geölte Holzböden statt Dielen mit Lack, er hat Solarkollektoren auf dem Dach und in seinem Betrieb verwendet er am liebsten Holz von der Frankenalb. Der kurzen Wege wegen.

Als es hieß, dass die Stromtrasse für die Energiewende unbedingt nötig sei, da habe er das hinnehmen wollen. Irgendwo müssen die Masten ja schließlich stehen. Aber das glaubt Uli Strauß jetzt nicht mehr. "Es geht überhaupt nicht um die Energiewende", sagt er und fürchtet, dass die Leitungen am Ende doch nur gebaut werden sollen, um den Strom aus den sächsischen Kohlekraftwerken zu befördern. "Wir sind keine Verhinderer", sagt er. Es gehe auch nicht darum, die Stromtrasse irgendwo anders verlaufen zu lassen. Er will sich einfach nicht anlügen lassen. Aber das werde versucht, glaubt er. Nicht mit Riegelstein.

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"Ich würde lieber meine Arbeit machen", sagt Strauß. Er trägt die schwarze Kluft der Zimmerleute, eine rotes Halstuch dazu, einen kleinen silbernen Ring im Ohr. Das Handy klingelt, schon wieder wegen der Stromtrasse. Strauß hat seine Kunden um Verständnis gebeten, wenn es zurzeit ein bisschen länger dauern kann auf der Baustelle. Alle haben das eingesehen, sagt er. Er muss sich jetzt um die andere Baustelle kümmern. "Wenn wir Erfolg haben, haben wir ein Stück an der Energiewende mitgewirkt", sagt er, weil die dann wirklich vor Ort gelingen werde. Selbst wirtschaftlich sei es zu beziffern, wenn sie ihre Heimat bewahrten. "Das ist, als ob man einen Einbrecher vertreibt", sagt Uli Strauß.

© SZ vom 06.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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