Gefährliche "Challenge":Bayern zieht "Hot Chips" aus dem Verkehr

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Bisher gab es die sargförmigen Packungen in Läden, an Kiosken und Tankstellen - teils zu zweistelligen Euro-Beträgen für einen einzigen Tortilla-Chip. (Foto: Doreen Garud/dpa)

Nach Zwischenfällen mit verletzten Jugendlichen versuchen die Gesundheitsbehörden, dem grassierenden Internet-Hype um die angeblich schärfsten Chips der Welt ein Ende zu bereiten.

Von Matthias Köpf, Erlangen

Wenn es nach den Botanikern oder gleich nach den Chilipflanzen selber ginge, dann ist Capsaicin speziell für Säugetiere wie den Menschen gemacht. Das scharfe Alkaloid soll diese nämlich gerade davon abhalten, die verführerischen Schoten zu essen, weil die Pflanzensamen darin den Verdauungstrakt von Säugetieren nicht keimfähig überstehen. Die Pflanzen lassen ihre Samen in der Natur deswegen von Vögeln verbreiten, und denen fehlt jedes Sensorium für die Schärfe des Capsaicins.

Den Menschen fehlt es eben nicht, und so konnten manche von ihnen längst eine Art Wettbewerb daraus machen, wer am schärfsten isst. Vorläufiger Höhepunkt dessen ist die über soziale Medien eifrig befeuerte "Hot Chip Challenge", bei der ein einzelner Tortilla-Chip zu einem erheblichen Stückpreis jede Menge Capsaicin zur Wirkung bringt. Bayerns Gesundheitsbehörden wollen dem nun zur Sicherheit ein Ende bereiten.

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Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hat die Gesundheitsämter in den Landkreisen und kreisfreien Städten aufgefordert, die extrem scharfen "Hot Chips" aus dem Verkehr zu ziehen. Es sei davon auszugehen, dass keine Produkt-Charge der Chips als sicher eingestuft werden könne, teilte ein Sprecher des Landesamtes Ende der Woche auf eine Anfrage der Augsburger Allgemeinen hin mit. Zuvor hatten Importeure bereits einzelne Chargen zurückgerufen und dies mit einem schwankenden und teils extrem hohen Capsaicin-Gehalt der betreffenden Chips begründet.

Solche Probleme sieht das LGL inzwischen bei allen Produkt-Chargen. Erst einige Tage zuvor hatte die Behörde erstmals in aller Form vor der "Hot Chip Challenge" gewarnt, bei der sich Menschen beim Verzehr eines Chips filmen lassen und die Videoclips ins Internet stellen. Die oft angegebene Schärfe der Chips von mehr als zwei Millionen Scoville entspricht etwa der von Pfefferspray. Die Challenge gilt als Mutprobe unter Jugendlichen und hat dem Hersteller und dem Handel zu einem beträchtlichen Absatz der teuren, aufwendig in Sargform verpackten Produkte verholfen.

"Das Produkt ist nicht für Kinder, schwangere und stillende Frauen bestimmt", das steht zwar im Kleingedruckten auf der Rückseite der Packung. Menschen mit Magen-Darm-Problemen, Magengeschwüren oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollten demnach den "Verzehr vermeiden", Konsumenten "bei langanhaltenden Atembeschwerde ärztliche Hilfe suchen". Zugleich fügt sich diese Warnung ins mit der Gefahr spielende Design der Verpackung.

Eine "Challenge" auch für manche Notaufnahme

Dass es für Teilnehmer der "Challenge" tatsächlich nicht immer bei Schweißausbrüchen, tränenden Augen und hochroten Köpfen bleibt, hat sich schon mehrmals gezeigt. In den USA machen Angehörige sie für den Tod eines 14-Jährigen verantwortlich, der gestorben ist, nachdem er einen ähnlichen Chip gegessen hatte. Ob dies tatsächlich der Grund für seinen Tod war, ist offen. Doch auch in Deutschland bekamen Rettungsdienste und Notaufnahmen schon einige Male mit jugendlichen Challenge-Teilnehmern zu tun - oft im Doppelpack wie zuletzt in Dortmund und Heilbronn. Mitte Oktober kamen in Garmisch-Partenkirchen eine 13- und eine 14-Jährige mit Atemproblemen in die Klinik, konnten sie aber kurz darauf wieder verlassen.

Nach Angaben des LGL kann eine hohe Capsaicin-Konzentration "zu Erbrechen, Atemnot, Kreislaufkollaps oder Magenschleimhautschäden führen". Erhebliche Gefahren könnten zudem durch Einatmen des Capsaicin-Staubs etwa infolge eines Hustenreflexes entstehen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung weist auf "unerwünschte Wirkungen wie Schleimhautreizungen, Übelkeit, Erbrechen und Bluthochdruck" hin. Kurz vor dem bayerischen LGL hat auch der Verbraucherschutzminister von Baden-Württemberg, Peter Hauk, vor der "Hot Chip Challenge" gewarnt und die Behörden seines Bundeslandes aufgefordert, die Chips aus dem Verkehr zu ziehen.

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